Ezmira, die Trägerin des Spirit

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Die Höhle durchzog ein dichter, grünlicher Rauch. Der harte, aber warme Steinboden war mit vielen, kleinen Teppichen bedeckt. Das Geräusch von nackten Füßen schlurfte kurz durch die angespannte Stille. Überall standen Pflanzen in allen Farben und Formen im Halbdunkel. In dem breiten, glitzernden Sonnenstrahl, der sich in der Mitte der Höhle herunterstreckte, kauerte eine junge Frau mit wirren, weißblonden Haaren, in einen schneeweißen Umhang gehüllt. Im ersten Moment wirkte sie wie tot, doch sobald man genauer hinsah, war zu erkennen, wie ihre Lippen sich hastig bewegten, als bete sie hitzig. Man spürte eine gewisse Spannung, die sich knisternd in der ganzen Höhle ausbreitete, wie ein Stromfluss.

Ein heller Schein, fast wie ein Strahl hob sich aus dem Rücken der Frau in das Sonnenlicht. Ein hochstimmiger Singsang erklang in der Höhle, der nicht von dieser Welt zu sein schien.

Die Magira drückte ihre Hand gegen die Tür der Höhle, die sich daraufhin zur rechten Seite schob. Der Geruch von Zimt und irgendetwas Fruchtigem wallte ihr entgegen. Sofort entdeckte sie Ezmira, die Trägerin des Spirit. Und Ezmira spürte sie. Sie schlug die Augen auf, das Licht fuhr zurück in ihren Körper und der Gesang klang langsam ab. Der Magira war aufgefallen, dass er jedesmal, wenn sie sie besuchte etwas stärker klang. Das Spirit wurde immer stärker und das war gut.

Ezmira schritt langsam auf die große Gestalt in dem dunkelblauen Kleid zu.

"Magira..."

"Hallo Ezmira." Sie kam sich ein wenig falsch vor. Sie schien nicht in diese Höhle zu passen. Ihre Konturen schienen nicht so nahtlos mit denen der Höhle überzugehen, wie Ezmiras. Diese sah sie nur abwartend aus ihren unnatürlich hellgrün funkelnden Augen an. Die Magira wusste, wenn sie zulange hineinsah, würde sie ihrem Bann unterliegen. Ezmira, die friedlichste Person, die auf der Welt zu finden war, trug zugleich eine so unvorstellbare Macht in sich, dass es sie fast gefährlich machte. In den Tiefen ihrer Augen schienen alle Geheimnisse dieser Welt, die Antworten auf alle Fragen und noch viel mehr zu liegen. Wenn man sie also zu lange ansah, schien man selbst dem Druck all dieser Probleme und Geheimnisse zu erliegen. Dass das nicht angenhem war, hatte selbst die Magira spüren müssen. Seitdem vermied sie einen tieferen Augenkontakt.

"Ich habe soeben Marilyn und Lysanna auf den neuen Auftrag losgeschickt" Sie sagte das in einem Plauderton, obwohl sie wusste, dass Ezmira genau wusste, worauf sie hinauswollte.

"Du machst es also",lächelte sie zwischen ihren hellen Haaren hervor. Die Magira nickte.

"Denkst du immernoch, es könnte ein Zeichen sein?" fragte sie, während sie sich endlich die langen Haare aus dem Gesicht strich.

"Nein",kam sofort die Antwort,"vielleicht ist damals einfach irgendetwas schief gelaufen"

"Mit anderen Worten du hast etwas falsch gemacht",grinste Ezmira. Die Magira ging jedoch nicht darauf ein.

"Was hälst du davon, wenn du mir zeigst, wie es bei den beiden läuft. Ich möchte sichergehen, dass alles abläuft, wie wir erwarten."

"Immer diese Kontrolle", stichelte Ezmira, während sie geschäftig hin und her huschte und einige Sachen zusammensuchte,"eines Tages kriegen sie es noch mit"

Ihren Ärger darüber schluckte die Magira einfach herunter. Ezmira zeigte ihr gegenüber nicht einen Funken Respekt. Sie behandelte sie eher, wie eine langjährige Freundin. Doch sie wollte nichts gegen sie sagen. Ezmira wusste immer genau, was in ihr vorging. Sie schien es aus ihrem Gesicht zu lesen, wie aus einem Buch. Außerdem hatte sie eigentlich nichts gegen sie.

"Ich wär dann soweit"

Neben dem kleinen, in den Boden eingelassenen Wasserbecken lagen ein mystisch geschnitzter Holzstab, Blütenblätter von sämtlichen Blumen in allenmöglichen Farben.

"Ok" Ezmira holte tief Luft und schloss die Augen. Ihr Atem war das einzige Geräusch in der Höhle. Doch die Stille schien anzuschwellen, in den Ohren zu dröhnen. Im Hintergrund schwollen die überirdischen Gesänge erneut an. Sie hallte im Kopf der Magira nach, dass ihr fast schwindelig wurde und trotzdem hatte sie das Gefühl, sie bildete sich alles nur ein. Verschiedene Gesichtsausdrücke huschten über das Gesicht von Ezmira während ihre Lippen lautlose Wortschwälle formten. Die Härchen an ihren Armen hatten sich zu einer Gänsehaut aufgestellt und einige Schweißperlen rannen ihre Stirn herab. Ihr Atem schien die ganze Höhle auszufüllen. Irgendetwas wehte in ihrem Umhang, doch es war kein Luftzug zu vernehmen. Laute Atemgeräusche hallten von den Wänden zurück aber es schien nicht allein Ezmiras Atem zu sein. Es war, als würde die ganze Höhle atmen und beben.

Ezmira schreckte zurück, die Augen aufeinmal weit aufgerissen und starrte geradewegs in die Augen der Magira. Diese hatte das unangenehme Gefühl, sie würde sie durchdringend anstarren und trotzdem sah sie, wie Ezmira einfach durch sie hindurchsah.

Diese streckte nun wie in Trance die Hände nach vorne, bewegte ein paarmal die Finger und griff schließlich nach dem Stab. Sie streute die Blüten aufs Wasser und berührte dann mit dem Stab leicht die glitzernde Wasseroberfläche, die jedoch keine Wellen schlug. Das Wasser wechselte die Oberfläche. Das schattige blau wurde erst weiß, dann langsam bunt. Es formte Farben, Personen, Töne.

Die Magira beugte sich mit über das Becken.

Ein Junge mit ascheblonden Haaren und zwei Mädchen standen an einem kleinen Tischchen und unterhielten sich.

"Und dann hab ich ihm gesagt, 'solche Leute müssen es erst am eigenen Leib erfahren, um es zu lernen' und er ist mega ausgerastet! 'RAUS!', hat er geschrien und die Tür zugeschmissen...Naja mir solls egal sein, er wird schon merken, was er davon hat.", erzählte der Junge. Die beiden Mädchen lächelten und er lächelte zurück. Er wandte seinen Kopf zu dem Mädchen rechts von ihm. "Und hast du auch Geschwister?"

"Nein", antwortete sie,"aber meine Freunde",sie warf einen Blick zu dem anderen Mädchen,"ersetzen die ganz gut"

Der Junge grinste. "Und dein Freund?",fragte er frech.

"Hab keinen",antwortete sie kurz und knapp und zog dabei ihre Augenbrauen hoch. Dann lächelte sie leicht. Auf den ersten Blick hätte es ein flirtendes Lächeln sein können, doch wenn man genauer hinsah, erkannte man, dass es ein wehmütiges Lächeln war. Ein Lächeln, in dem viel Traurigkeit steckte und ein bisschen Feuer und Kraft.

Ezmiras Hand wischte über das Wasser und es wurde wieder blaugrau. Sie blinzelte.

"Ich glaube, das reicht. Sonst spionierst du sie wirklich aus."

Der Gesang, die Spannung, das Dröhnen, alles war weg. Die Höhle war nun einfach wieder wie zuvor.

"Ich denke, du hast recht",murmelte die Magira. "Ich hoffe nur, dass alles gutgeht. Und dass du auch mit deiner Theorie recht hattest. Dann muss ich jetzt wohl sehen, wie es weitergeht und was Lysanna aus der Sache macht."

Sie seufzte und Ezmira zuckte mit den Schultern.

"Es ging alles viel zu schnell", sagte sie noch, bevor sie mit wehenden, braunen Haaren aus der Höhle verschwand.

"Das geht es immer", flüsterte ihr noch eine weise Stimme hinterher, die sie jedoch nicht mehr hörte.

Kriegerin der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt