Untitled Part 1

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Weihnachten steht vor der Tür. Wie jedes Jahr. Wie jedes Jahr die Zeit der Besinnung, des Friedens, der Liebe, des "Kekse Backens" aber auch des " gemütlichen Glühwein Trinkens", des freudigen „Einkaufscentergeschenkkaufwahnsinns", des Weihnachtsstresses und nicht zu vergessen: die Zeit für die Kleinen und Kleinsten unter uns – die Zeit der voll Erwartung strahlenden Kinderaugen...

Heuer hat's, obwohl erst Halbzeit hin zum großen Fest ist, sogar schon ein wenig geschneit. Gerade so viel, daß nichts mehr vom Gras herausschaut, und das Schneeräumen mit der kleinen Schneeschaufel erledigt werden konnte. Die große oder gar – für die Glücklichen die sich sowas geleistet haben – die Schneefräse konnten noch in der Garage bleiben. Gott – oder der Zeit entsprechend – Christkind sei Dank.

Bei den Nowaks ist's auch schon recht weihnachtlich. Die Ledbeleuchtung ist auf Garage, Gartenzaun und Eingangstüre montiert und Knecht Ruprecht klettert auch schon den Balkon hinauf. Nur das er heuer offensichtlich auf das durch einen Bewegungsmelder aktivierte „Ho Ho Ho" verzichtet. Wahrscheinlich ist die Batterie leer.

Drinnen, bei zentralheizungsbedingten gemütlichen 25 Grad, schaut der kleine Max fern, während die Mama die Wäsche bügelt. Es läuft „The Night They Saved Christmas" und das bunte Treiben rund um den Weihnachtsmann zieht den kleinen Mann voll und ganz in seinen Bann. So ganz hat der 6jährige Max ja noch nicht verstanden, wer jetzt genau die Geschenke bringt - das Christkind oder der Weihnachtsmann. Aber eigentlich ist's eh egal, Hauptsache, irgendwer bringt sie.

Und damit das holde Familienglück komplett ist, kommt auch schon der Papa Nowak bei der Haustüre herein. Und während sich Herr Nowak draußen im Vorhaus noch Schuhe und Jacke auszieht, versucht Frau Nowak Ihren Sohn mit den Worten:

„Horch, der Papa ist heimgekommen!"

ein wenig vom gar so starren Fernsehblick abzulenken. Der Max antwortet nur mit einem etwas abwesenden

„Aha",

grad so halt, als wenn man mit jemanden spricht, und gleichzeitig das Gefühl hat, die Worte sind zwar bei den Ohren aber nicht im Hirn angekommen.

Inzwischen hat Papa aber schon das Wohnzimmer betreten. Schnurstraks geht er auf seine Frau zu und küsst sie auf die Wange.

„Hallo mein Schatz"

„Hallo. Du heute schon zuhause? Montag um drei ist ja ungewöhnlich"

„Ja, war nix los im Amt. Und bevor ich wieder wie sonst den ganzen Nachmittag sinnlos hinterm Schreibtisch sitz, habe ich mir heut mal gedacht, ich geh heim zu meinen Lieben."

„Schön, wir freuen uns. Magst was essen? Im Kühlschrank sind noch Kohlroladen – dein Lieblingsessen."

„Ja gleich. Muß dir vorher noch was erzählen. Das glaubst nicht. Habe gerade vor der Tür unseren Nachbarn getroffen. Und weißt du, was der mir erzählt hat!"

„Nein, weiß ich nicht. Mach's nicht so spannend."

„Der Herr ÖBBler* geht mit Juni nächsten Jahres in Pension. Und das mit 53. Eine Schweinerei oder?"

„Naja, der Herbert hat's als Lokführer schon immer anstrengend gehabt. Konzentration, weißt eh und erst die Verantwortung."

„Aber woher denn? Nix von beidem hat der gehabt. Die Züge fahr'n heut doch eh schon von alleine. Da brauchst nur mehr drinsitzen und Kaffeetscherl trinken. Eine faule Sau ist das, uns sonst gar nichts."

Und weil Kinder ja die bemerkenswerte Fähigkeit besitzen, bei allem was sie tun, wenn's auch noch so interessant ist, immer ein Ohr bei dem zu haben, was die Erwachsenen reden und weil „faule Sau" aus dem Mund eines Erwachsenen für so einen Buben wie ein Lottosechser ist, zieht's die Aufmerksamkeit des kleinen Max plötzlich zum Gespräch seiner Eltern.

„Sau darf man nicht sagen Papa. Das ist ein schlimmes Wort, hat die Frau Lehrerin gesagt. Was ist eigentlich eine Pension?"

Herr Nowak will eigentlich, nachdem er die Neuigkeit verkündet hat, endlich seinen Hunger stillen und versucht das entstehende Gespräch mit seinem Sohn im Keim zu ersticken:

„Das fragst am besten auch gleich deine Frau Lehrerin Supergscheid! Die wird's ja wohl wissen, weil die weiß ja offensichtlich alles besser."

Doch da macht ihm seine Frau einen Strich durch die Rechnung:

„Ich hab dir schon oft gesagt, du sollst neben dem Buben nicht so ordinär reden. Er saugt eh alles auf wie ein Schwamm. Und wenn er Dir mal eine Frage stellt, solltest du ihm die vielleicht auch mal in Ruhe beantworten! Hast eh nie Zeit für ihn!"

Weil Herr Nowak nicht den Hausfrieden stören will und weil's vielleicht auch ein wenig stimmt, was seine Frau da sagt, setzt er sich neben seinem Sohn auf die Couch.

„Weißt, wenn man sein ganzes Leben brav arbeitet und dann alt wird, und nicht mehr so arbeiten kann, dann braucht man auch nicht mehr zu arbeiten. Der Staat zahl einem aber weiterhin Geld. Jedes Monat. Das nennt man dann Pension oder Ruhestand."

„Und warum ist der Onkel Herbert dann faul? Der ist doch schon alt oder?"

„Nein ist er nicht. Der hat doch nur die Hacklerregelung bekommen! Unverdienterweise."

Da beginnt der kleine Max zu lachen, so, daß er fast nicht mehr reden kann.

„Hacklerregelung, haha, das ist aber ein lustiges Wort, haha. Was ist das denn?"

„Das ist eigentlich gar nicht lustig. Das kriegen Menschen, die besonders hart arbeiten haben müssen, z. B. in der Nacht, an Feiertagen oder wo es immer besonders heiß oder kalt ist. Die kriegen dann sozusagen eine Belohnung und dürfen dann schon früher mit dem Arbeiten aufhören. Und das nennt man dann Hacklerregelung. So jetzt tust wieder fernsehen, weil der Papa geht was essen."

Herr Nowak steht auf und geht Richtung Küche zu den heißersehnten Kohlroladen.

Max konzentriert sich wieder auf seinen Weihnachstfilm, aber wenn so ein Kinderkopf mal was wissen will, wenn der Stein des „Fragens" mal ins Rollen gebracht worden ist, dann ...

„Aber Papa, warum ist der Weihnachtsmann dann noch nicht in Pension? Der ist doch auch schon alt. Einen weißen Bart und weiße Haare hat er schon. Und kalt ist's auch immer, und dunkel und zu Weihnachten, der muß sogar zu Weihnachten arbeiten!"

Und da hält Herr Nowak inne - noch bevor er die Küche erreichen konnte - um nicht wieder Kritik von seiner Frau zu ernten. Und es geht ihm die eben gestellte Frage durch den Kopf, von links nach rechts, von oben nach unten. Wissend, daß ihn die Antwort darauf von seinem wohlverdienten Abendmahl abhält. Er ringt nach einer Erklärung für diese aus mehreren Gründen schwierige Antwort. Muß man doch bei Themen die Christkind, Osterhase und Co betreffen immer sehr, sehr vorsichtig vorgehen. Zu groß ist die Gefahr, daß zuvor über Jahre hinweg aufgebaute Phantasiegebilde rund um diese „Persönlichkeiten" zu zerstören. Und so quält es ihn sichtlich, bis sich plötzlich ein Gesichtsausdruck der Erleichterung breitmacht, weil wie ein Licht in der Dunkelheit eine Antwort auf die im Raum stehende Antwort in sein Bewusstsein emporsteigt. Und so formt er seine Lippen um mit dieser die Sache endlich zu einem für alle zufriedenstellenden Ende zu bringen:

„Die Reisespesen mein Sohn. Er macht's wegen den Reisespesen!"



*(Hinweis: ÖBB = Österreichische Bundesbahn)

Alle Jahre wiederWhere stories live. Discover now