12.04.10

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Montag, der 12.04.10

Mr Harry Edward Styles.
Ich gebe zu, ich bin ein wenig eingeschnappt, weil du anscheinend den ganzen Tag besseres zu tun hattest, als auf dein klingelndes -
durchgehend klingelndes - Handy zu hören und mit mir zu telefonieren.
Okay, du konntest nicht wissen, dass ich ausgerechnet um 10 Uhr morgens anrufen werde, und auch nicht, dass ich ausgerechnet heute anrufen werde, weil der Brief von gestern immer noch auf meinem (übrigens neuen, weil der Alte auf der Fahrt... etwas auseinandergefallen ist) Schreibtisch liegt, aber komm schon.
Du kannst mir nicht erzählen, dass du mich innerhalb von zwei Wochen vollkommen vergessen hast.
So kurz halten Fernbeziehungen jetzt auch nicht.
Wobei ich inzwischen ja wirklich bezweifle, dass diese Entfernung unserer Freundschaft gut tun wird, denn ich drehe ganz ehrlich jetzt schon durch.
Es ist irre, was mit einem Menschen passieren kann, wenn man ihn ohne Kontakte in der Umgebung mit seiner Familie alleine lässt.
Mum hat alle Hände voll mit Sophy zu tun und spannt mich da nur manchmal ein - um ihre esoterische „Mutter-Kind-Beziehung" aufzubauen - und Dad stürzt sich jetzt schon Hals über Kopf in seinen Job.
Ich frage mich, wie lange ein Mensch ohne wirklichen sozialen Kontakt überleben kann.
Aber so lange schreibe ich eben dir und hoffe, dass ich meine Faulheit eines Tages überwinden und die Briefe auch versenden kann, nicht wahr?
Oder, dass wir endlich WLAN bekommen.
Ganz ehrlich, was bin ich ohne Internet (und ohne dich).
Immerhin musste ich noch nicht durch diesen „Suche dir doch neue Freunde"-Kram, weil Mum und Dad zu jeder Sekunde etwas zu tun haben, und weil die Schule eben erst nach den Ferien für mich losgeht.
Sie ist direkt um die Ecke - was habe ich in dieser durchaus kleinen Stadt auch anderes erwartet - und war die einzige „Sehenswürdigkeit", welche wir uns bis jetzt angesehen haben.
Nach dem Motto: „Das ist der Weg, den du später alleine kennen musst. Einmal um die Ecke, fertig. Kapiert?"
Ja. Kapiert.
Ich hoffe, dass Mum irgendwann versteht, dass ich Sophy nicht zerstören werde, wenn ich sie denn mal hochhebe, und dass Dad endlich richtig ankommt und nicht schon wieder in seiner Arbeit versinkt.
Und, dass du mich mal besuchen kommst, natürlich.
Es ist bestimmt um vieles spannender, Doncaster zu erkunden, wenn man jemanden dabei hat, der noch ahnungsloser ist als man selbst.
Ganz ehrlich, du würdest es doch bestimmt hinbekommen, dich mit Handy, Karte und Wegweisern zu verirren.
Wobei du ja meintest, dass es leichter ist, Leute kennenzulernen, wenn man alleine ist.
Natürlich. Vor allem würde sich niemand trauen, uns Knallköpfe anzusprechen.
Aber du weißt genauso gut wie ich, dass ich niemals einfach so auf andere zugehen würde.

Dad wollte mich bei einer Schauspielgruppe anmelden, damit ich weiterhin meine Kreativität ausleben kann.
Ich werde morgen mit dem WLAN der Bäckerei mal ein paar Gruppen raussuchen, also wundere dich nicht, wenn ich nicht wieder anrufe.
Vielleicht lerne ich so ein paar neue Leute kennen, die sich nicht von mir abschrecken lassen.

Dakota


forget me - h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt