Kapitel 2

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Als ich am Abend die Treppe herunter gehe, begegne ich einem mürrisch schauenden Damien, mit vor der Brust verschränkten Armen. Die letzten Stunden haben Josh und er damit verbracht, im Wohnzimmer einen Serienmarathon zu veranstalten, während ich mir oben doch noch eine weitere Portion Schlaf abgeholt habe. Jetzt sind wir kurz davor, uns auf den Weg zu der Party zu machen, aber mein Bruder spielt wieder einmal nicht mit.

»Das ziehst du auf keinen Fall an«, meint er bestimmt, wobei er mich von oben bis unten betrachtet.

Betont langsam sehe ich an mir herunter, begutachte meine beige Jogginghose, den roten Hoodie und die Sneakers, die ursprünglich mal weiß gewesen sind. Dann hebe ich wieder den Kopf und zucke gleichgültig mit den Schultern. »Jogginghosen sind mittlerweile modern«, erkläre ich Damien, welcher mich immer noch kritisch mustert. »Schau mal auf Instagram und YouTube, man trägt das jetzt so.«

»Du gehst nicht in Jogginghose auf die beste Party des Jahres, Schwesterherz!«, erwidert er nur und lässt den Blick weiter über mich schweifen, wobei er einen schweren Seufzer ausstößt. »Außerdem dachte ich, dass dich Trends einen Scheiß interessieren?«

Ertappt beiße ich mir auf die Zunge. Wo er Recht hat, hat er Recht. »Gut, das mit dem Trend war eine Ausrede. Aber, Damien? Du sagst bei jeder Party, dass es die Beste des Jahres wird, doch letztendlich ist es immer absolut langweilig.«

»Bei deiner temperamentvollen Art sollte man meinen, du würdest Partys lieben«, grummelt er, woraufhin ich nur spöttisch eine Augenbraue hebe.

»Bei deiner unentspannten Art sollte man meinen, du würdest sie hassen«, gebe ich zurück.

Verärgert lässt er die Luft aus den Lungen entweichen. Um die Fassung nicht zu verlieren, schließt er kurz die Augen und öffnet sie dann langsam wieder. »Ziehst du dich jetzt um?«, will er wissen.

Ungeduldig stemme ich die Hände in die Hüften. »Das ist ungerecht, findest du nicht? Wäre ich ein Junge, könnte ich in einer Jogginghose dort auflaufen und keiner würde es beachten.«

»Sag bitte nicht, dass du jetzt zu einem Jungen werden willst!«, fleht Damien. Panik flackert in seinen Augen.

Provokant grinse ich. »Im 21. Jahrhundert ist alles möglich.«

»Raven?«

»Ja?«

»Das ist ein Scherz, oder?«

»Ja.«

Erleichtert atmet er auf. Der ruhige Moment dauert jedoch nur eine Sekunde, da Josh plötzlich hinter ihm erscheint und einen entsetzten Laut von sich gibt, der so schrill klingt, dass ich ungewollt zusammenzucke. »Das ziehst du auf keinen Fall an!«, stößt er fassungslos aus.

Am liebsten würde ich auf dem Absatz kehrt machen, zurück in mein Zimmer rennen und mich für den Rest des Abends in meinem gemütlichen Bett verkriechen. Doch stattdessen nehme ich bloß die Schultern nach hinten und lasse ein leichtes Lächeln über mein Gesicht gleiten. »Wenn ich dir jetzt sage, dass es modern ist, kann ich dich nicht umstimmen, oder? Was ist, wenn ich verspreche, dass ich niemals zu einem Mann werde? Nehmt ihr mich dann verdammt nochmal so auf die Party mit?«

Völlig entgeistert starrt Josh mich an. Dann richtet er sich mit einer gewissen Verwirrung in der Stimme an Damien: »Was zur Hölle redet sie da schon wieder?«

»Vergiss es«, murmelt dieser nur.

Es ist gerade einmal kurz nach neun, als ich mit einem mürrischen Damien auf der einen und einem entgeisterten Josh auf der anderen Seite in meiner Jogginghose und einem kurzen weißen T-Shirt vor einem großen Haus stehe, aus welchem laute Musik dröhnt. Kühler Wind streicht um meine Arme und zerzaust meine dunklen Haare. Dies hier ist die Abschiedsparty der Alemany High. Ein überbewertetes Event, da wir sowieso weiterhin alle auf die gleiche Schule gehen werden – doch die Gelegenheit lässt sich keiner entgehen. Obwohl es noch früh ist, liegen die ersten Leute schon lachend oder kotzend auf dem frisch gemähten Rasen. Mehrere Glasflaschen wurden in die hohen Büsche geworfen, eine weiße Bank wurde umgekippt und bietet jetzt einem sich küssenden Paar Gelegenheit sich auszutoben. Kopfschüttelnd wende ich mich ab und lasse meinen Blick zu einer Gruppe von Jungs schweifen, die ich nur zu gut kenne. Sofort zieht sich mein Bauch vor Wut zusammen, weswegen ich beschließe, dass ich dringend eine Ablenkung brauche. Also tippe ich Josh auf die Schulter und zeige auf einen Jungen in einem eng anliegenden Shirt, der nicht weit entfernt von uns einen Schluck aus seinem Glas nimmt.

A Touch of Craziness (Too Crazy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt