Kapitel 3

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Zwei Tage später nimmt unser aller Leben eine neue Wendung. Ich stehe in einer beigen Jogginghose und einem schwarzen Langarmshirt vor einem eintönigen, grauen Gebäude. Das Gebäude, in dem ich die nächsten Jahre verbringen werde. Die Fassade bröckelt fast ab, nur vereinzelte Fenster wurden an der langen Seite angebracht, sodass nur wenig Licht nach innen fällt. Auf dem betonierten Schulhof wurden einige schlichte Bänke so unregelmäßig verteilt, dass man meinen könnte, sie wären auf dem Weg zum Sperrmüll dort einfach abgestellt worden. Selbst unsere alte Schule war schöner als diese.

»Ich kann es nicht fassen, dass du die Jogginghose angelassen hast«, beschwert sich Damien neben mir und schüttelt ungläubig den Kopf. »Ich gehe jetzt rein und du kommst in fünf Minuten nach, damit uns keiner miteinander in Verbindung bringt, alles klar?«

»Vergiss es«, erwidere ich und werfe ihm einen feurigen Blick zu. »Du bist mein Bruder, also was ist dein Problem? Steh dazu.« Dann mache ich mich auf den Weg zu der großen Eingangstür.

Seufzend folgt Damien mir. »Das meinte ich so doch gar nicht ...«

»Gut, denn du kennst mich schon lange genug. Ich bin gerne verrückt und deine so genannten Neuanfänge brauche ich nicht«, rede ich weiter und stoße die Tür mit Schwung auf. Ein langer Flur erstreckt sich vor uns, von dem gefühlt Tausend weitere schmale Gänge abzweigen. Überall stehen Jugendliche, unterhalten sich laut, schreien durch die Gegend oder haben einfach nur Kopfhörer in den Ohren, um den Rest der Welt auszuschalten.

»Ich habe keine Ahnung, wo ich hin muss«, sage ich und sehe schulterzuckend zu Damien.

Stopp. Wo ist Damien?

»Damien?«, rufe ich und drehe mich einmal im Kreis. Hoffnungslos. Genervt setze ich mich in Bewegung und dränge mich durch die Menschenmassen. Dabei weiche ich ausgestreckten Ellbogen, offenen Spindtüren und fliegenden Papierkügelchen aus, bis ich mit meiner Geduld völlig am Ende bin. Ich erkenne einige Schüler von der Alemany High, bin aber zu stolz, um sie oder irgendjemand anderes nach dem Weg zu fragen.

Schlechte Entscheidung. Denn zwanzig Minuten später sind alle in ihre Räume geflüchtet und ich stehe allein und unschlüssig mitten in einem leeren Flur, in einem heruntergekommenen Gebäude, das ich noch nie zuvor in meinem Leben betreten habe. Wenigstens habe ich noch meinen Stolz.

»Hast du frei?«, höre ich plötzlich eine helle Stimme und fahre augenblicklich herum, sodass ich direkt in das gepuderte Gesicht eines blauäugigen Mädchens blicke. Ihre Haare sind so hell, dass sie fast weiß wirken, die Augenbrauen dafür umso dunkler. Sie ist groß und trägt eine schwarze Hose mit bunten Schriftzügen. Dazu eine ebenso schwarze Jeansjacke über einem kurzen weißen Shirt, welches ihren flachen Bauch ein Stück entblößt. Neben ihr steht ein noch größerer Junge mit den gleichen intensiven blauen Augen. Auch seine Haare sind unnatürlich hell und die Augenbrauen unglaublich dunkel. Zu dem in Blautönen gemusterten Hemd hat er eine weite Jacke in Hellblau kombiniert.

Ich blinzle einmal, dann antworte ich knapp: »Nein, ich habe nicht frei.«

»Du weißt aber, dass der Unterricht schon angefangen hat?«, mischt sich der Junge fragend ein und verschränkt amüsiert die Arme vor der Brust.

»Du weißt aber, dass mich das nicht interessiert?«, gebe ich genervt zurück und würde im nächsten Moment am liebsten laut fluchen. Immer werde ich aus Versehen unhöflich.

Doch zu meiner Erleichterung fängt das Mädchen sofort an zu lachen. »Haha, Finn, Eins zu Null für das Jogginghosenmädchen!«

»Halt die Klappe, Willow«, brummt der blonde Junge namens Finn und wendet sich schmollend ab.

»Seid ihr Geschwister?«, will ich wissen und mustere ihre identischen Gesichtszüge, Haare und Augen. Wenn ich schon meinen Unterrichtsraum nicht finde, kann ich mir die Zeit wenigstens auf diese Weise vertreiben.

A Touch of Craziness (Too Crazy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt