Speer der Waisen

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Prolog

Dunkelheit brach über Segna herein. Die feuerrote Abenddämmerung lies Unheil verlauten. Die kalte windige Oktoberluft wehte um eine dunkel vermummte Gestalt. „Tu es jetzt. Gib mir das Kind, es wird ihm gut gehen. Du weisst das Merwlyn sie sofort töten würde, wir müssen sie schützen. Hier wird sie sterben!" Eine breitschultrige, grosse Männergestallt schwankte die Schiffsrehling entlang auf eine dunkelhaarige in weissgekleidete Frau zu die in ihrem Arm ein Haufen brauner Tücher und Lumpen trug und immer wieder schützend auf sie hinab sah. Im inneren der Lumpentücher regte sich etwas. Ein winziges Baby strampelte sich hervor und weinte herzzerbrechend. Das Mädchen hatte Smaragd grün schimmernde Augen die im Mondschein hell leuchteten. Die Frau am ganzen Körper zitternd schluchzte: „Aber sie ist eine Prinzessin, eine Königin. Sie ist mein erstgeborenes und einziges Kind. Ich kann sie nicht weg geben ich kenne die andere Welt ja gar nicht vielleicht ist die Not dort noch grösser. Was wenn das Portal gar nicht in eine andere Welt führt sondern in den sicheren Tod. Ich kann nicht, was wär ich dann für eine Mutter?" Angst umspielten ihre Augen. Ihre langen schwarzen Haare wehten im Wind. Verzweifelt sah sie Erick den Mann im dunklen Umhang an. „Mirwana", sagte Erick barsch und flehend, „Du bist eine gute Mutter. Hier hat unser Kind keine Zukunft. Sie wird sterben! Wir alle werden sterben. Wir könnten sie nicht retten und auch nicht verstecken. Wir konnten nur mit grösster Not fliehen nur mit mehreren Opfern und vielen Verletzungen.", Erik zeigte ihr eine grosse Schrame an seinem linken Oberarm, „Willst du dass unser Kind genau so endet? Es wird ihr gut gehen dort wo ich das Kind hinbringe, ich habe selbst mal dort gelebt. Ich verspreche es.", er führte die Finger gekreuzt an die Lippe und danach an die Brust Doch bevor er weiter sprechen konnte unterbrach ihn Marwana „ Du hast dich für diese Welt entschieden du hast all deine Verwandten dort gellassen und dich für Segna entschieden. Was wenn sich auch unsere Tochter lieber in dieser Welt leben würde? Sie wird sie nie kennen. Nie wird sie die segnanische Sonne spüren nie wird sie die Legenden und Götter der Segnaner kennen nie wird sie etwas über die Weisen erfahren und nicht über die Zauber der Speere. Niemals wird sie die Elfen im Sonnenuntergang sehen, das stolze, königliche Volk. Niemals kann sie die Schuppen eines Drachens erblicken die wie tausend Diamanten in der Sonne glitzern." Mirwana sah schützend auf das dort nichts ahnenden Kindes nieder. „ Vertraust du mir denn nicht?", fragte Erick verzweifelt, „Du musst doch einsehen das es nichts bringen würde unser Kind da zulassen und zu sehen wie es stirbt." Erick sah Mirwana an und seine Augen flehten sie an. „Ich habe mich nur für diese Welt entschieden wegen dir. Du musst jetzt das richtige tun. Für unser Kind.", fügte er hinzu. Noch nicht ganz überzeugt überreichte Mirwana, die frühere Königin der sieben Inseln, Erick das Kind. „Du wirst für sie Sorgen. Ich vertraue darauf, dass sie eines Tages zurückkehren kann wenn es sicher ist. Und dann all dieses Wissen nacherlernen wird das sie eines Tages eine gute und gerechte Königin werden kann. Die ihr Volk gut regiert und Frieden zwischen den Inseln schliesst." Traurig und etwas verlegen antwortete Erick mit gesenktem Kopf: „Ich werde nicht für sie sorgen. Das war Teil der Abmachung ich werde wenn ich sie durch das Tor bringe sterben sonst ist das Gleichgewicht nicht aufrechterhalte." Mirwana sah ihn aus grossen entsetzen Augen auf und fragte mit brüchiger Stimme: „Du wirst sterben?" Erick nickte langsam und fügte mit leiser weicher Stimme hinzu: „Unser Kind wird sonst nicht überleben. Erinnerst du dich an die Prophezeiung? Dein Herz wirst du verschenken ohne zu bedenken. Und es wird tot sein und du bist allein. Dein Blut wird sein Untergang sein. Und mit ihm sterben" Mirwana nahm seine Hände und sah ihn aus grossen verweinten Augen an. „Und mit ihm sterben wird deine Seele wenn er in die Ferne geht.", schloss Mirwana die Prophezeiung ab. Stille trat ein. „Ich opfere mich für unsere Tochter für mein Blut. Gib mir das Kind ich werde sterben aber es muss überleben." Mirwana wollte etwas erwidern aber Erick strich ihr sanft über die Schulter. Sie schenkte dem Kind noch einen letzten liebevollen Blick und verbarg ihr Gesicht dann unter einem weissen Schleier. Erick setzte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schulter. Danach nahm er die Ruder zur Hand und ruderte noch ein paar letzte Züge. Als das kleine Boot das Ufer erreichte stieg er heraus und watete im hüfthohen Wasser zum Inselrand. Tropfend und triefend vor Wasser suchte er die Insel nach etwas bestimmten ab das Kind immer noch fest im Arm. Er musste nicht lange suchen denn das einzige was auf dieser Insel Aufmerksamkeit erntete war ein mächtiger Baum der vor Erick bolzengerade in die Höhe reichte. Eine riesige Eiche deren Stamm alt war und kraftvoll voller Energie wie es Erick schien. Die Krone der Eiche war mit keinem Baum zu bemessen sie war sicher etwa so gross wie ein Segnanisches dreimaster Schiff. Erick sah auf das Kind in seinen Armen es hatte die wunderschönen Haare von Mirwana. Ein Stich wie ein Dorn bohrte sich in sein Herz er würde sie beide die Menschen die ihm am meisten bedeuteten nie wieder sehen. Er kniete sich vor den Baum und sprach lange dunkle Worte. Leicht gesungen wären sie zu jedem anderen Zeitpunkt schön erklungen doch jetzt waren sie traurig und voller Dunkelheit. Plötzlich regte sich der Baum und Erick stolperte ein paar Schritte rückwärts. Ein kleiner Spalt in der Mitte des Baumes riss auf und wurde grösser und grösser bis er sich zu eine mächtigen Portal im Baum verwandelt hatte. Ein gespenstischer Schleier verdeckte die Öffnung und auf der anderen Seite des Schleiers sah man nur verschwommene Gestalten. Kreuz und quer liefen die Gestalten und sie murmelten etwas Undeutliches. Ihre weissen langen Gewänder wehten um die gestalten herum obwohl von nirgends ein wind aufkam. Mit einem Schauder überlegte er ob das wohl Tote sein konnte. Dieses Portal war ein Weg in eine andere Welt vielleicht auch in die Totenwelt. Tief durchatmen mit dem Kind fest im Arm schritt er majestätisch auf das Portal zu. Er warf noch einen letzten Blick über die Schulter zurück auf Mirwana und trat dann mit schwerem Herze durch das Portal er war sich bewusst damit seinen Tod zu begehen sein letzter Blick galt der Frau die er liebte, Mirwana, diese blieb alleine in der Dunkelheit zurück.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 20, 2014 ⏰

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