Teil 2

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Sehr geehrte Ms Philips,

Hiermit freuen wir uns Ihnen mitteilen zu dürfen, dass wir Sie ab kommendem Semester am Wycliffe College im Süden der Cotswold begrüßen dürfen.

Sie wurden als eine der wenigen von den sich bewerbenden Schülern und Schülerinnen ausgewählt, um ihre Schulzeit auf dem Wycliffe College zu vollbringen.

Das Wycliffe College erfreut sich größter Beliebtheit, bietet die Schule doch eine tolle Mischung aus Tradition und Moderne, ein rasantes Sportangebot, eine moderne Bibliothek und neu renovierte Unterkunftshäuser.

Unser Internat ermöglicht Ihnen mithilfe engagierter Lehrkräfte, einem breiten Angebot an Schulaktivitäten und dem hohen Leistungsanspruch den bestmöglichen Start in ein erfolgreiches Leben nach Ihrem Abschluss.

Auf unserer schuleigenen Homepage haben Sie unter Ihrem Namen und der unten angeführten Nummer Ihren privaten Zugang zu ihrer persönlichen Liste, auf der Sie alle benötigten Utensilien finden. Bei Fragen und auftretenden Problemen wenden Sie sich bitte an den Beratungsservice, der Ihnen jederzeit kostenlos zur Verfügung steht.

Das Kennenlerntreffen der neuen Studenten und die offizielle Begrüßung unsererseits findet kommenden Samstag in unserem Gartenpavillon statt, auf dem Sie sowohl Ihre Familie als auch Ihre engsten Freunde eingeladen sind.

Herzlich willkommen am Wycliffe College!

Mit freundlichen Grüßen

die Schulleitung des Wycliffe Colleges

***

Ich glaubte, mein Gehirn hat aufgehört zu arbeiten. Wie bedeppert schaute ich auf den Zettel in meiner Hand und fragte mich, was das ganze verdammt noch mal soll.

Tausend Fragen schwirrten in meinem Kopf, die alle mehr oder weniger mit Was, Warum, Weshalb oder Wie anfingen.

Zu meiner Rechten nahm ich meine Mutter aus dem Augenwinkel wahr. Wie ein Honigkuchenpferd grinste sie vor sich hin und wartete gespannt meine Reaktion ab.

Als erstes überkam mich Wut. Kochend heiß stieg sie wie flüssiges Magma in mir auf und drohte aus mir hervorzuquellen. Wie konnte sie es auch nur in Erwägung ziehen, mich auf diese verzogene Bonzenschule zu schicken?
Kannte sie denn ihre eigene Tochter nicht?
Kannte sie denn mich nicht?

Und der Brief war die nächste Sache.
Tss. Ich wurde auserwählt. Wow, da musste man sich ja richtig toll fühlen, wenn man dort angenommen wurde.
Scheiß auf ihre Traditionen und ihre überteuerten Schulgebühren.  Bestmöglicher Start in ein erfolgreiches Leben. Dass ich nicht lache.

Tatsächlich kündigte sich ein kehliges Lachen an und ließ mich böse kichern.

Oh Gott, jetzt wurde ich schon komplett irre.

Aber was solls, rief ich mir ins Gedächtnis. Dieser abartige Haufen von Spießern konnte mich mal.

Meine Mom nahm mein Lachen wahrscheinlich als gutes Omen oder Zeichen oder so nen Schwachsinn wahr. Denn sie grinste mich verstohlen an und wackelte wie eine Verrückte mit ihren dünnen Augenbrauen.

Okay, wenigstens mein gestörtes Wesen hatte ich von ihr.

Doch als ich mich zu ihr umdrehte, erstarb ihr Lächeln. Anscheinend hatte sie die ... nicht gerade freundliche Grimasse gesehen, die mein Gesicht wie eine Maske überlagerte.

Verwirrt zog sie ihre Brauen zusammen und schaute mich wehmütig an. Schmerz machte sich in ihrem Gesicht breit und ich erkannte die enttäuschte Stimme als sie meinem Namen sagte.

"Josefine..." Ihre Stimme war ein gebrechliches Zittern. Große braune Augen versuchten in die meinen zu schauen, doch ich blockte ab.
Nur zu gut kannte ich diesen Blick. Sie versuchte hinter meine eiserne Fassade einer drei Meter dicken Felswand zu schauen. Versuchte zu ergründen, was gerade in mir vorgin, was ich dachte und wie ich als nächstes handeln würde.

Wie es mein Psychologe getan hatte.

Oder eher versucht hatte. Aber ich schirmte jegliche Emotionen und farbenfrohen Funken ab. Ich verdunkelte meinen Blick und ließ ihn messerscharf auf sie einwirken.

Innerlich wusste ich, dass das, was ich hier gerade tat, nicht richtig war. Es war nicht richtig, seiner Mutter Vorwürfe an den Kopf zu werfen.
Wahrscheinlich hatte sie das mit der Anmeldung auf das College nur gut gemeint. Vielleicht hatte sie innerlich gemerkt, dass es so nicht mit mir weitergehen konnte.

Ich existierte nur so vor mich hin, ohne tatsächlich zu leben.

Aber das war doch nur vorübergehend, beschwichtigte ich mich selber. Sarkasmus lässt grüßen.

Doch es war nutzlos. Ich wusste, dass ich meine Mutter durch meine... übertriebene und rücksichtslose Reaktion verletzt hatte. Es wurde mir nur überdeutlich bewusst, als sie den Blick senkte und gedankenverloren an ihrem Ehering spielte.

An dem Ring, den sie schon so lange abnehmen wollte. Aber sie brachte es genauso wenig übers Herz, wie ich meine Kette abzulegen, die ich von ihm bekommen habe. So eine kleine altmodische, in die man winzige Passfotos reinkleben konnte.
Nur ging ich mit dem ganzen Chaos das herrschte einfach anders um als sie.

Meine Mom verbrachte fast ihr ganzes Leben schon als Lektorin, und sie liebte wirklich ihre Arbeit. Doch ihre Familie war ihr schon immer wichtiger gewesen als alles andere. Daran hatte niemand jemals auch nur den leisesten Zweifel gehabt.
Doch nachdem ich mich so erbarmungslos von ihr und allen anderen abgeschottet hatte, begann sie nach und nach mehr Zeit ihrer Arbeit zu widmen, wodurch sie in letzter Zeit kaum noch zuhause war.

Es war also so ziemlich meine Schuld, dass diese Spannung zwischen uns herrschte. Wäre ich nicht so abweisend gewesen, hätten wir uns möglicherweise aussprechen können und wir würden uns nicht in dieser bizarren Situation befinden.

In meinem Inneren begann ein Kampf der Gefühle und Emotionen. Wütend, bedauernd, traurig, stinksauer, wehmütig und verletzt wechselten sich ununterbrochen ab und lieferten sich einen wilden Krieg.

Quälend gewann am Ende doch letztlich das tiefe Bedauern die Oberhand, das sich wie ein felsengroßer Stein in meinem Bauch festgesetzt hatte.

Mom war genauso traurig wie ich, rief ich mir abermals in Erinnerung. Meine Wut und Verletztheit an ihr auszulassen war nicht der Weg, den ich hatte einschlagen wollen.

Ich streckte gerade vorsichtig meine Hand aus, um ihren Arm sachte zu berühren, als sie plötzlich wie vom Blitz getroffen aufsprang.

Auch sie versteckt ihren Kummer, schoss es mir wieder durch den Kopf. Nur tat sie so, als ginge es ihr gut, obwohl der Schmerz sie innerlich auffraß.

"Mom, ich... Es...", stammelte ich, doch weiter kam ich nicht.

"Mein Schatz.", begann sie mit traurigen Augen. "Es ist nicht deine Schuld. Ich hätte es kommen sehen müssen."

Sie zwang sich zu einem kleinen Lächeln, was durch die reichlichen Falten, die in den letzten Monaten auf ihrem Gesicht erschienen waren, eher nach einer misslungenen Grimasse aussah.

Sie wollte tapfer sein.
Für mich.
Für ihre einzige Tochter, die jedoch alle von sich stieß als würde sie Gift versprühen.

Und ich saß da und tat nichts, als meine Mom aus meinem Zimmer ging und mich auf dem Bett sitzen ließ und mir eine enzelne Träne über die Wange rann, durch die das dünne Band zu reißen begann, das uns vorher noch zusammhielt.

***

Tadaaa, 2. Teil fertig :D
1072 Wörter übrigens *stolz auf die Schulter klopfen*
In diesem Kapitel war die ganze Story ein weeenig emotional, ihr könnt ja mal raten was so schlimmes passiert ist.
Ich würde mich generell über Kommentare und Feedback freuen - egal ob positiv oder negativ!

27.12.2017

Dancing In The Moonlight Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt