Kapitel 1 - Tiffany Lennox

17 0 0
                                    

Leise stand ich auf und ging zu meinem Zimmerfenster. Draußen schien der Mond und der Wind wehte sacht durch die Bäume. Allerdings sah ich nirgendwo meinen besten Freund Josh, der mich heute Abend abholen wollte. Seit meine Eltern mitbekommen hatten, dass Josh sich gern mal an Ritualen versuchte, durfte ich ihn nicht mehr treffen. Also trafen wir uns immer nachts und gingen dann gemeinsam zu ihm. Kopfschüttelnd schnappte ich mir meine Sweatjacke, schlich mich aus meinem Zimmer und die Treppe hinunter. Wenn mein Vater etwas mitbekam, konnte ich mir gleich mein eigenes Grab schaufeln. Leise öffnete ich die Tür und schloss sie auch wieder. Sofort sprang unsere Außenbeleuchtung an. Immer diese blöden Bewegungsmelder! Auf der anderen Straßenseite unter einem Baum standen zwei Jungs. Schnell rannte ich zu ihnen. Das eine war Josh und das andere unserer professioneller Kameramann Rob. Ich kannte ihn bereits seit meiner Kindheit. Josh dagegen kannte ich erst drei Jahre. Da war er von Miami hierher in unser gottverlassenes Dörfchen gezogen. Na bereit?, fragte Josh mich grinsend, während ich Rob zur Begrüßung umarmte. Klar, Josh. Immer. Sonst wäre ich ja wohl kaum hier. Wir sollten los, bevor uns noch jemand sieht., antwortete ich leicht nervös. Nun ging unser Licht am Haus aus und wir standen fast komplett im Dunkeln. Nur eine Lampe in zweihundert Meter Entfernung spendete etwas Licht. Also liefen wir los. Was werden wir denn heute Nacht beschwören?, erkundigte ich mich gespannt bei Josh. Wir werden versuchen einen gefallenen Engel zu beschwören., entgegnete Josh, dessen Augen regelrecht strahlten bei dem Gedanken. Nickend folgte ich ihm. Bisher war uns lediglich der Kontakt zu einem Geist gelungen, wenn man das überhaupt so bezeichnen konnte. Und jetzt? Jetzt wollte er einen Engel beschwören? Rob sah mich auch skeptisch an. Bloß gut, dass ich nicht allein mit meiner skeptischen Meinung war. Ich lief dicht neben Rob. Heute war Josh mir mal wieder unheimlich. Diese Tage hasste ich. Josh verfiel öfters mal in seine Selbstüberschätzung. Rob und ich durften seine Fehle dann meistens ausbaden. Ich pass auf dich auf., flüsterte Rob mir leise zu, während Josh die Tür zu seinem Haus aufschloss. Ich nickte und folgte Josh nach drin. Wieso verschwand dieses ungute Gefühl heute nicht? Jedes Mal hatte ich Angst, allerdings nur davor erwischt zu werden. Wir waren bereits über zehn Minuten von mir zu Hause weg und trotzdem hatte ich echt Angst. Josh führte uns auf den Dachboden. Dort hatte er bereits ein Pentagramm auf den Boden gemalt. Das ist lediglich eine Vorkehrung, falls etwas schief geht., versuchte Josh uns zu beruhigen. Immerhin merkte er, dass Rob und ich besorgte Blicke austauschten. Josh. Ich glaube, wir sollten es vielleicht bei einer Geisteranrufung belassen., flüsterte ich betreten. Plötzlich flog hinter mir mit Schwung die Tür zu. Erschrocken sprang ich bei Seite. Mein Herz raste. Rob hielt die Kamera auf Josh, der irgendwas unverständliches vor sich hin murmelte. Die Kerzen, die auf den Fensterbrettern standen flackerten viel zu stark. Was zur Hölle tat er denn da? Josh hör auf verdammt!, brüllte ich ihn verzweifelt an. Er sah zu mir auf. Seine Augen leuchteten in einem sehr hellem Blauton. Verschwinde., sagte Josh. Allerdings klang die Stimme keines Wegs wie Josh. Fassungslos sah ich ihn an. Wie konnte seine Stimme denn so anders klingen? Rob sah ebenfalls entsetzt zu mir. Schnell!, befahl die Stimme. Plötzlich begann das ganze Haus zu wackeln. Joshs Augen färbten sich komplett schwarz. Er war von einem Dämon besessen! Wenn ich eins von ihm gelernt hatte, dann das. Ich versucht in das Pentagramm zu gehen, doch bevor ich auch nur irgendwas unternehmen konnte, wurde der komplette Raum mit einem sehr grellem Licht geflutet. Ich kniff die Augen zusammen und legte auch noch schützend die Hände davor.

Auf einmal war alles ganz still. Auch Joshs Gemurmel war verschwunden. Es war zu still. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich auf einer weichen Fläche lag. Es fühlte sich wie ein Bett an. Das konnte doch gar nicht sein! Ich öffnete vorsichtig die Augen. Alles um mich herum war dunkel. Meine Augen mussten sich erstmal an die Dunkelheit gewöhnen. Ich lag wirklich in einem Bett, allerdings nicht in meinem Zimmer. Langsam setzte ich mich auf und sah mich um. Dabei bemerkte ich einen leichten Schmerz auf meinem Rücken und an meinem Handgelenk. Sofort nahm ich es in Augenschein. Ich entdeckte einen Kreis, indem sich seltsame Runen befanden. Einige kannte ich ja von Joshs Experimenten, aber diese hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Ich sah wieder auf. In einer Ecke des Zimmers saß ein Mann. Erschrocken zuckte ich zurück. Keine Sorge. Ich werde dir sicherlich nichts tun., sagte er sofort, ohne dass ich ihn irgendwas gefragt hatte. Mein Herz schlug schneller. Was wollte er dann hier? Er stand auf und schnipste mit den Fingern. Sofort ging die Nachttischlampe neben mir an. Sofort fielen mir seine grünen Augen auf. Er war bestimmt erst Mitte zwanzig. Wer bist du?, fragte ich ihn ernst. Gadreel Baker. Ich bin ein gefallener Engel und dein Beschützer., stellte er sich vor und blieb ein ganzes Stück vom Bett entfernt stehen. Sofort sprang ich auf. Ein Engel?, fragte ich ihn ungläubig. Mein Rücken schmerzte immer mehr. Was war da nur los? Ich hatte mich nicht verletzt. Zumindest wusste ich nichts davon. Ja. Du hast doch selbst gesehen, dass Josh ein Dämon ist. Also wieso kann ich kein Engel sein?, entgegnete er schulterzuckend. Okay. Meinetwegen. Angenommen, ich glaube dir. Wo sind wir dann hier?, wollte ich nun von ihm wissen. Wir sind hier in einer Parallelwelt zu deiner. Hier gibt es nur Wesen., sagte er ernst. Ich musste mir ernsthaft ein Lachen verkneifen. Gute Witz., grinste ich ihn an. Gadreel sah aber keines Wegs so aus, als hätte er einen Witz gemacht. Oh Gott. Lenny, du musst dich beruhigen., bat er mich auf einmal. Die Schmerzen auf meinem Rücken wurden immer stärker. Verdammt. Je mehr du dich aufregst, desto stärker wirst du dir wehtun., warnte Gadreel mich ernst. Also setzte ich mich wieder auf das Bett und sah auf mein Handgelenk. Was ist das?, fragte ich Gadreel. Eine Schutzsigille, damit du nicht einfach zu von anderen Engeln gefunden werden kannst. Das brauche ich im Moment nämlich überhaupt nicht., antwortete er mir seufzend und ging zum Fenster. Wieso musst du mich eigentlich beschützen?, wollte ich nun wissen und versuchte den Schmerz auf meinem Rücken zu vergessen. Vor Lucifer. Er wurde vor einigen Tagen von einigen seiner loyalen Anhänger befreit. Seitdem herrscht hier ein absolutes Chaos. Josh gehört zu Lucifers engsten Vertraten. Eigentlich sollte er dich zu ihm bringen, allerdings konnte ich das gerade noch so verhindern. Der Nachteil ist, dass ich dich mit ein paar Sigillen versehen musste, damit dich niemand finden kann. Deine Kräfte sind einfach zu stark., erklärte Gadreel mir nun. Was denn bitte schön für Kräfte?, entgegnete ich verwirrt. Du bist vielleicht in der Menschenwelt bei deiner Mutter aufgewachsen, das heißt jedoch nicht, dass du auch ein Mensch bist. Das diente alles nur deinem Schutz. Du bist eine Nephilim. Das heißt, dass dein Vater ein Engel ist. In deinem Fall der gefallene Erzengel Lucifer. Zumindest behauptet er das. Ich weiß, dass im Himmel auch Michael erzählt, dass er dein Vater sein., erzählte er mir seufzend. Sprachlos sah ich Gadreel einfach an. Das konnte doch nicht wahr sein! Wo ist Rob?, fragte ich nun. Keine Sorge. Michael hat euch gerettet, indem er euch an einen Engel gebunden hat. Auch wenn ich vielleicht ein gefallener Engel bin, kann ich dich immer noch beschützen. Ich weiß nicht genau, bei wem Rob gelandet ist. Es kann sein, dass Michael ihn direkt an sich gebunden hat., mutmaßte Gadreel nachdenklich und ging zum Fenster. Ich strich mir nervös über das Gesicht. Das war ziemlich viel auf einmal. Also war mein Vater nicht mal mein richtiger Vater? Oh Gott. Ich wollte nur nach nach Hause. Ich kann dich dahin bringen. Allerdings musst du dann mit meiner Anwesenheit und den Rückenschmerzen klarkommen., sagte Gadreel plötzlich. Sofort sah ich zu ihm. Ich hatte nicht ein Wort zu ihm gesagt. Ja ich kann deine Gedanken lesen, wenn du es so nennen willst. Allerdings bezeichnen wir Engel es eher als Gedanken hören., erklärte Gadreel mir ernst. Es ist mir relativ egal, wie das heißt. Bitte bring mich einfach nur heim., bat ich ihn. Okay., willigte Gadreel ein, kam zu mir und legte mir zwei Finger auf die Stirn. Sofort wurde alles um mich herum dunkel.

Engel & DämonenWhere stories live. Discover now