Auf der Suche

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"Na dann, lass mal sehen", forderte Queenie mich neugierig auf.
Das ließ ich mir selbstverständlich nicht zweimal sagen und binnen weniger Augenblicke saß ich in meiner Gestalt als Schleiereule vor ihr auf dem Boden.
"Wow", war das einzige, was sie vor lauter Staunen hervorbrachte. Ich schuhuhte stolz.
"Ich habe noch nie zuvor einen Animagus getroffen", erklärte sie mir, während ich mich wieder zurückverwandelte.
"Oft ist das angeboren. Aber sowas kann man mit etwas Geduld auch lernen. Nur ist das eine ziemlich zeitaufwändige Prozedur, die teils sogar vom Wetter abhängig ist. Und wenn du so versuchst, dich zu verwandeln, ohne wirklich ein Animagus zu sein, verwandelst du dich in ein stinknormales Tier, also ohne jegliche Zauberkraft. Ganz zu schweigen davon, wie schwer der Rückverwandlungszauber ist", führte ich aus.
"Ah, also bist du mit der Fähigkeit geboren worden. Und wann und wie hast du gemerkt, dass du ein Animagus bist?"
"Also an sich hatte ich schon immer eine besondere Verbindung zu Tieren und magischen Tierwesen, insbesondere zu meiner Schleiereule Luna, die ich damals zur Einschulung auf Hogwarts bekommen habe. Und festgestellt, dass ich wirklich ein Animagus bin, habe ich, als ich nach dem Verwandlungsunterricht einfach mal versucht habe, mich tatsächlich in ein Tier zu verwandeln, aber natürlich ohne Zauberstab. In Verwandlung hatten wir nämlich zu dem Zeitpunkt die Theorie der Animagusverwandlung", meinte ich, bevor mir noch etwas einfiel:
"Ach, übrigens, wäre es schlimm für dich, wenn ich gleich noch rausfliegen und mich ein wenig umsehen würde, während du schläfst? Dank meiner Eulengestalt komme ich sowieso mit wenig Schlaf zurecht, schließlich bin ich so ja nachtaktiv."
"Oh, nein, natürlich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es guttun muss, einfach mal draußen zu sein und über alles hinwegfliegen zu können."
"Oh ja, das ist wirklich das Allerschönste", schwärmte ich.
"Hey, Schwesterherz, willst du unseren Gästen noch eine Tasse Kakao machen?", ertönte nun die Stimme von Porpentina.
"Dann geh' ich mal", meinte Queenie.
"Ich denke, ich flieg' dann auch los. Und grüß' Jakob von mir", meinte ich augenzwinkernd, woraufhin die Angesprochene nur grinsend die Augen verdrehte.
"Schlaf gut", wünschte ich ihr noch, bevor sie die Tür schloss.
Als ich das Fenster öffnete, wehte mir prompt die nächtliche, kalte  Winterluft entgegen. Schnell verwandelte ich mich, damit meine Daunenfedern mich wärmen konnten, und flog hinaus in die Nacht.
Es war traumhaft, nach zwei langen Wochen auf dem Schiff endlich wieder die Flügel auszubreiten unbekümmert durch die Lüfte fliegen zu können, ohne aufpassen zu müssen, nicht gesehen zu werden, da Eulen mitten auf dem Meer nicht gerade oft auftauchten.

Ich genoss die erfrischende Nachtluft und nach einigen Minuten ließ ich mich auf dem Dach eines Wolkenkratzers nieder und überlegte, wo Dougal, das Occamy, der Billywig und das Erumpent wohl sein mochten.
Doch während ich meinen Blick durch die Straßen der Stadt schweifen ließ, fiel mir auf, dass einige Straßen komplett verwüstet waren und als ich dieser Spur aus Chaos folgte, sah ich, dass sie von etwas Unsichtbarem erzeugt werden musste. Womöglich Dougal? Nein, ein Demiguise wäre zu so etwas nicht im Stande und das Erumpent war alles andere als unsichtbar.
Ich flog also dorthin, wo ich das unsichtbare Etwas vermutete und folgte seiner Spur mit sicherem Abstand.
Wenig später schien sich dieses Etwas in ein Gebäude zu begeben, vor dem einige Plakate besagten, dass ein gewisser Senator Shaw dort gerade eine Rede hielt. Was wollte diese Kreatur nur dort? Ich verwandelte mich zurück und betrat das Gebäude durch die zerstörte Glastür. Je näher ich dem Saal kam, in dem die Rede gerade gehalten wurde, desto mehr schien sich die Spur zu zerstreuen, doch ich war mir sicher, dass das Wesen in die Halle wollte, weshalb ich mich unbemerkt hineinschlich.
Und das keine Sekunde zu früh, denn ich sah gerade noch, wie jemand - offenbar der Senator - in der Luft hin- und hergeschleudert wurde und dann unsanft auf dem Boden aufkam und wie das Wahlbanner, auf dem das Gesicht des Senators abgebildet war, wie aus dem Nichts zerriss . Alle Anwesen, einschließlich mir selbst, befanden sich in Schockstarre.
Als dann ein älterer Mann langsam auf den regungslosen Senator zuging, merkte ich, dass ich mich schnell mit einem Desillusionierungszauber tarnen und mir den Körper selbst angucken sollte, denn ich hatte eine böse Vorahnung, was das ganze Chaos verursacht haben könnte.
Unsichtbar ging ich auf den Körper zu, der aber vermutlich nun als Leiche galt, und sah ihn mir an: Die Male in seinem Gesicht sprachen Bände. Es musste ein Obscurus gewesen sein. Kein Tierwesen war zu so etwas Grausamem in der Lage.
"Hexen", hörte ich einen der umstehenden Muggel sagen. Er wirkte triumphierend, aber auch erstaunt, als ob er es nicht glauben konnte, einen scheinbaren Beweis für die Existenz der magischen Welt vor sich zu haben.
Mir war bekannt, dass es hier einige Leute gab, die fest von der Existenz von Hexen und Zauberern überzeugt waren, weshalb wir uns natürlich besonders vor ihnen in Acht nehmen mussten.
Ich wusste allerdings nicht, was ich hier noch weiter tun sollte. Obliviieren konnte ich hier niemanden, ohne von den schockierten Umstehenden gesehen zu werden.
Also hoffte ich einfach, dass der Obscurus, wo auch immer er gerade war, vorerst nichts mehr anrichten würde, und machte mich auf den Weg nach draußen.
Dort verwandelte ich mich in einer leeren Gasse nun zum dritten Mal an diesem Abend und zum zweiten Mal begab ich mich nun auf die Suche nach den magischen Tierwesen. Der Obscurus, der sich anscheinend ohne weitere Spuren - bis auf einige weitere zerstörte Straßenlaternen - aus dem Staub gemacht hatte, musste wohl oder übel  noch warten.

Als ich wieder hoch in die Luft fliegen wollte, erkannte ich etwa eine Meile Luftlinie von mir entfernt zwei Gestalten, die gerade einen Park betraten - eher gesagt rannten sie regelrecht hinein. Ich beeilte mich, dorthin zu gelangen, und je näher ich kam, desto besser konnte ich die beiden Personen erkennen: Es waren Jakob und Newt. Scheinbar hatten die beiden eine Spur von einem der Tierwesen und ich musste nicht lange überlegen, welches die beiden hier suchten, denn das Erumpent-Weibchen ging gerade auf ein wehrloses Nashorn zu, offenbar bereit, sich zu paaren, und drängte es in eine Ecke seines Geheges.
"Halten Sie das", sagte Newt zu dem Sicherheitshelm und -weste tragenden Mr Kowalski und gab ihm ein Reagenzglas mit einem grünlichen Sekret, von dem er sich zuvor etwas auf die Handgelenke gerieben hatte - es war offensichtlich Erumpent-Moschus, mit dem er das Weibchen in den Koffer locken wollte.

Die Unbekannte im Fall Newt Scamander, Artikel 3AWo Geschichten leben. Entdecke jetzt