Neue Erkenntnisse?

3 0 0
                                    


Audrey sitzt an einem der Tische, die entlang der Fensterwand gereiht stehen. Sie blickt nicht auf, als ich mich ihr nähere und selbst als ich den Stuhl gegenüber von ihr an mich heranziehe und mich hinsetze, bleibt ihr Blick unverwandt auf das Buch vor ihr gerichtet.

Ich möchte sie fragen, was genau sie da tut, aber schon in meiner Kindheit wurde mir klar, dass man hochkonzentrierte Leute nicht einfach aus ihrer Welt holen darf. Sonst wird man mindestens mit Todesblicken gestraft.

Es kommt mir sinnlos vor, nichts zu tun, während ich darauf warte, dass Audrey einen Plan entwirft. Deshalb beuge ich mich vorsichtig vor und versuche aus den nächsten Zeichnungen schlau zu werden. Die Zeichnungen sind nicht schön, tatsächlich sind einige dem Teufel in meiner Fantasie ähnlich und eine gewisse Ahnung macht sich in mir breit.

Etwas stimmt mit Audrey nicht. Erst weiß ich nicht, was es ist, dann bemerke ich, dass ihr Körper sich nicht mehr bei jedem Atemzug leicht hebt und senkt. Panik macht sich in meinem Brustkorb breit und zieht an mir.

»Atme!«, rufe ich so schnell ich kann und schüttele ihren Arm. Kurz darauf zieht sie stark die Luft ein.

»Gott, Audrey. Was liest du denn da Schreckliches?«

Sie presst die Lippen zusammen und dreht das Buch zu mir herum. »Siehst du das? Das sind Dämonen. Dämonen, die von Menschen gerufen wurden und Chaos in die unsichtbare Welt bringen.«

Als ich kurz den Blick von den Fratzen abwende, fällt mir die Furcht auf, die in ihren Augen lodert. Jetzt muss ich schlucken. »Dämonen... gibt es auch noch?« Selbst ich merke, wie ungläubig ich klinge.

Audrey nickt ernst und sie zieht das Buch wieder zu sich. »Sie müssen die Ursache für die Verschiebungen sein. Irgendwas haben die Menschen vor – aber ich weiß nicht, was. Sicher ist nur, dass es ohne die Dämonen gar nicht erst möglich wäre, unsere Welt zu beeinflussen.«

Ich spüre, wie mein Herz mir heftig gegen die Rippen donnert und trotzdem weiß ich nicht, ob ich diese Geschichte glauben soll. »Bist du dir sicher, Audrey? Ich meine... warum sollen ausgerechnet die Menschen für die Verschiebung verantwortlich sein und nicht einer von uns? Es könnte jeder sein!« Ich breite die Arme aus, fange aber nur feindselige Blicke von zwei kleinen Mädchen ein, die sich zusammen ein Buch teilen.

»Niemand von uns hat diese Macht, das zu tun, Jerry. Ich lebe hier schon weitaus länger als du und hätte ich jemanden verfluchen können, Gott weiß, ich hätte es getan.« Ihre Augen verdüsteren sich in dem Moment, in dem sie die Worte ausspricht. Auf einmal wirkt sie mir fremd. Weit weg. Als ob wir uns nicht kennen würden.

Zuerst bleibt mir die Spucke weg, dann nicke ich langsam. »Na gut. Okay. Also waren es die Menschen, die chaosstiftende Dämonen gerufen haben. Was können wir dagegen tun?«

Die Dunkelheit in ihren Augen verschwindet mit dem nächsten Wimpernschlag. »Wir müssen mit den Menschen kommunizieren. Die finden, die mit den Dämonen verhandelt haben.«

»Das wird ja spaßig...«

»Blöderweise ist das nicht unser kleinstes Problem.« Sie beißt sich auf die Unterlippe und sieht schräg nach unten, was mich misstrauisch werden lässt.

»Wie bitte?«

»Zuerst müssen wir es irgendwie schaffen, mit den Menschen Kontakt aufnehmen zu können. Und das geht nur mit jemandem, den wir kennen und nur... naja... an einem gewissen Ort.«

Mein Kopf landet in meiner Hand und wird von ihr gehalten, bevor sich die Worte aus meinem Mund schleppen. »Was... für einen... Ort?«

Ihr rechter Mundwinkel rutscht nach unten. »Er... er...«, sie nimmt die Karte zur Hilfe, »liegt hier.« Ihr Zeigefinger fällt auf die Kreiskarte und ich ziehe stark die Luft ein.

»Audrey... heißt das, wir müssen durch die Werwolf-Ebene und... was soll das überhaupt heißen?«

Sie wagt es kaum, mich anzusehen. »Das ehm... siehst du dann. Bitte, Jerry?« Ihre Unterlippe schiebt sie nach vorne, ihre Augen funkeln bittend.

»Ich weiß nicht.« Ich schüttele den Kopf. »Zwei Ebenen, wie du sie nennst, durchqueren, um dann mit unseren Bekannten zu sprechen, die wahrscheinlich noch nicht einmal was mit diesen Dämonen zu tun haben?«

Es bleibt eine Weile still zwischen uns. Dann sieht sie mir völlig ernst, aber mit feuchten Augen entgegen. »Was ist die Alternative? Warten, bis sich unsere Ebene sich vollends mit einer anderen überschneidet? Wenn die Werwölfe erst einmal hier sind, wird es nicht lange dauern und wir werden alle ausgelöscht sein.«

Ich räuspere mich. »Vielleicht hast du Recht. Wir müssen es zumindest versuchen. Wie fangen wir an?«

»Wir müssen irgendwie an den Werwölfen vorbei.«

Ich seufze. »Und an dem, was dahinter liegt.«

Sie nickt. »Und an dem, was dahinter liegt.«

____________________________

Ich habe lang nicht mehr geschrieben und hoffe, man versteht alles. Rutscht gut ins neue Jahr. ♥

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 29, 2017 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

The Ghost (Halloweengeschichte)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt