Mehr oder weniger alltägliches Familienleben

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Es hatte den ganzen Tag lang gestürmt. Große, schwarze Wolken jagten über den Himmel und hinterließen ihre Spuren auf der Welt. Überall lag eine dicke Schicht glitzernden Schnees, Seen waren zugefroren, ebenso wie kleinere Pfützen, die zwischen der weißen Decke zerstreut lagen und die Straßen bedeckte eine feine, glatte Eisschicht. Die ebenfalls mit Eis ummantelten Bäume ächzten und beschwerten sich, als der Sturm an ihnen zerrte. Und selbst die sonst sehr lebendigen Ratten in den Seitengassen versteckten sich die ganze Zeit über in ihren Löchern oder in der Kanalisation.
Niemand wollte so wirklich das vertraute, warme Haus verlassen, was einem noch Schutz vor dem eisigen Wind bieten konnte. Nur sehr wenige Seelen stellten sich diesem Wetter, liefen auf die Straße hinaus aus verschiedensten Gründen. Und ich war eine davon.

Mit den Händen vor dem Gesicht, um mich vor den spitzen Eiskristallen zu schützen kämpfte ich gegen den Sturm an, der unnachgiebig an alles und jedem rüttelte. Es schneite und schneite. Ich fragte mich, ob es jemals aufhören würde. Die Flocken waren so dicht, dass man keine zwei Meter vor sich sehen konnte und die Straßen so glatt, dass ich befürchtete jeden Moment auszurutschen. Ein ziemlich gefährliches Wetter um sich draußen aufzuhalten. Doch wann hatte mich bitte der Schnee von etwas abhalten können? Nichts konnte mich abhalten, das zu tun, was ich wollte. Eine sehr ungewöhnliche Einstellung, die mir später vielleicht mal das Leben kosten könnte, aber was sagte ich da nur.

Eine Hand in den Stoff der Kapuze meines Mantels gekrallt, damit sie mir nicht vom Kopf rutschte und die andere fest um den Korb gelegt stemmte ich mich gegen den Sturm, kam schleppend und nur Schritt für Schritt voran. Es schien als könnte nichts die Klauen des Winters lösen, aber es war schließlich noch immer Dezember. Dennoch wünschte ich mir in diesem Moment bereits den Frühling herbei. Allerdings konnte auch kein Wunsch die Jahreszeit nun ändern. Ich hatte bereits so viele Winter durchlebt, da hielt ich diesen jetzt auch aus. Außerdem war es nicht mehr weit bis zu meinen schützenden vier Wänden. Nur noch die Straße hinauf und dann direkt bei der nächsten Ecke. Doch diese paar Meter fühlten sich in diesem Schneegestöber an wie Hunderte. Jedes Mal hatte ich das Gefühl zurückgedrängt zu werden, wieder von neuem anfangen zu müssen. Mein Atem kam zittrig über meine Lippen, als ich sehnsüchtig zu dem Haus blickte, aus welchem goldenes Licht auf die Straßen flutete. Durch die Fenster konnte ich zwei kleine Silhouetten erahnen, die sich wohl aufgeregt miteinander unterhielten. Ein Lächeln schlich sich auf meine eingefrorenen Gesichtszüge und verlieh mir neue Kraft, die ich sofort nutze, um endlich anzukommen. Doch da öffnete sich plötzlich die schwere Holztür und eine in einen braunen Mantel gewickelte Person mit einem Schal im Gesicht trat heraus. Mit schnellen Schritten kam sie auf mich zu, hackte meinen Arm bei sich selbst ein und zog mich weiter bis zum Haus. Ich protestierte nicht, aber als meine Füße endlich die vertrauten drei Treppenstufen berührten konnte ich ein erleichtertes Aufseufzen nicht unterdrücken. Die vermummte Gestalt stieß die Tür auf und drückte sie wieder zu, als wir beide endlich in Warmen standen. Ich atmete die vertraute, warme Luft ein, bevor ich meinen Korb auf der Kommode links von mir abstellte und mich aus dem nassen Umhang schälte. Meine ebenfalls feuchten Haare wischte ich mir aus dem Gesicht, ehe ich zu der anderen Person sah, die sich auch gerade aus ihrem Mantel befreite und anschließend seine nassen Haare ausschüttelte. Als er aufblickte konnte ich Eiskristalle in seinen langen Wimpern sehen, die sich dort verfangen hatten und wie Edelsteine funkelten.

"Elliot, du hättest nicht rauskommen müssen. Schau dich an! Jetzt bist du auch von Kopf bis Fuß nass. Das du mit ja nicht krank wirst, Mister, denn ich pflege dich nicht noch einmal gesund", tadelnd hatte ich meine Hände in die Hüfte gestemmt und starrte in die dunklen Augen meines Gegenübers, der mindestens einen Kopf größer als ich war. Er gab nur ein kurzes Grunzen von sich, ehe sich ein Lächeln auf seine Lippen legte.
"Aber nun bist du endlich da und wir können essen!" Er schnappte sich meinen Korb und marschiert in Richtung der Küche, in der die beiden anderen Gestalten am Fenster saßen. Als sie mich erblickten sprangen sie auf und rannten in meine Arme.
"Wir haben dich vermisst!", erklärte das blonde Mädchen, als sie ihren Kopf an meine Brust drückte. Ich lachte auf.
"Ich war doch bloß ein paar Stunden weg."
"Trotzdem", erwiderte sie nur darauf, ehe sie sich von mir löste, ebenso wie der kleinere Junge, der sich neben das blonde Mädchen auf die Bank unter dem Fenster setzte. Er lächelte stumm, dann wandte er seine volle Aufmerksamkeit wieder auf seine blonde Kameradin, die wie ein Wasserfall zu sprechen begann. Kopfschüttelnd lief ich um den großen Tisch herum und auf die Küchenzeile zu. Elliot wartete schon ungeduldig mit einem Fuß auf den Boden tippend.

How to live with three bigger souls -Geburtstags/NeujahresspecialWo Geschichten leben. Entdecke jetzt