Leseprobe

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Ich musste tatsächlich suchen, bis ich Martha schließlich kurz vor Ende der letzten Pause mit ein paar Freunden im Gang stehen sah. Bestimmt eine halbe Minute lang stand ich einfach nur da und beobachtete sie; ich war fasziniert. Alles an ihr schien so warm und lieb, ich hatte das Bedürfnis sie zu umarmen oder ihr einfach nur die Strähne hinters Ohr zu legen. Das Gefühl, das mich überkam war anders als das was ich spürte, wenn ich im HERRlich einen Typen sah, der mir gefiel. Meistens wollte ich diesen küssen und Sex mit ihm haben, doch das hier war etwas ganz anderes. Ich schaute nicht auf ihren Körper, auf die wohlgeformten Brüste oder die leichten Kurven, die sich über die Hüften bis zu den Beinen zogen; was mich interessierte war wie sie sich bewegte und wie sich ihr Mund verformte, wenn sie sprach. Ich wollte nicht mit ihr schlafen, ich wollte mit ihr spazieren gehen und ihr den Nachthimmel zeigen. Es war ein komisches Gefühl, alles was ich bisher kannte war das Verlangen nach Berührungen und Küssen und der süßen Leere danach, für die ich eigentlich lebte, doch von Martha wollte ich nichts Physisches. Ich wollte wissen an was sie dachte, wenn sie Abends nicht schlafen konnte oder im Klassenraum verträumt aus dem Fenster sah. Ich hatte sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder richtig betrachtet und ich war mir sicher, ich wollte nicht ihren Körper kennenlernen, sondern ihre Seele. Die Dinge, die sie trug waren leicht und blumig, als ob um sie herum immer Sommer wäre. Ihr Haar, ihr Körper, ihr Stil - alles passte zusammen. Sie war der Inbegriff eines ganzen, vollendeten Menschen; und sie war so verdammt schön. Sie stand zusammen mit ein paar Freunden, die ich ebenfalls nie wirklich registriert hatte - bis jetzt. Die heterogene Gruppe lungerte etwas abseits der großen Treppe, die zu den Klassenräumen führte. Martha und ihre Freunde schienen alle nicht so richtig zu einander zu passen. Ein blondes Mädchen trug eine eng anliegende rosafarbene Hose und darauf ein weißes Top mit Spitze. Um bloß nicht zu frieren, hatte sie sich ihre Bomberjacke im Camouflage-Look und mit pink-farbenem Fell an der Kapuze über ihre Schulter gehängt. An der anderen Schulter hing eine Handtasche, die vor Glitzersteinchen funkelte. Das zweite Mädchen in der Gruppe war so gut wie das komplette Gegenteil. Schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt und eine schwarze Sweatjacke mit einem seltsamen Aufdruck auf dem Rücken. Ich konnte von meiner Position aus nur Totenköpfe, Wölfe und einen verschnörkelten Schriftzug erkennen. Ihre langen Haare, die in einem dunkelroten Ton gefärbt waren, fielen um ihre Schultern. Sie schien nicht sehr interessiert an dem Gespräch zu sein, sie starrte einfach in die Leere. Die beiden Jungs, die noch bei der Gruppe standen, sahen ziemlich unspektakulär aus. Einen kannte ich sogar aus meinem Philoso-phiekurs. Ich erinnerte mich, dass er immer mit Martha in der ersten Reihe saß, sein Name fiel mir jedoch nicht ein. Ich wusste nicht, ob es an mir lag oder ob Andere es auch so gesehen hätten, doch meiner Meinung nach stach Martha aus der Gruppe heraus wie ein Edelstein zwischen Kieseln. Sie trug eine Latzhose aus schwarzem Jeansstoff und ein weißes T-Shirt mit Sonnenblumen darauf. Am Ende ihrer langen Halskette hing ein schmaler, länglicher Stein in der Farbe des Himmels. Während sie redete, fuhr sie sich mit den Händen durch die lockigen braunen Haare. Ihre Jacke hatte den Ton der Sonnenblumen auf ihrem T-Shirt und aus ihren niedrigen schwarzen Schuhen schauten weiße Socken heraus, die fast bis zu ihren etwas hochgekrempelten Hosenbeinen reichten. Mir gefiel wie sie aussah, unscheinbar zuerst, doch wenn man sie näher betrachtete ein Kunstwerk. Martha und das blonde Mädchen unterhielten sich - wie sollte es anders sein - über Falk.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 06, 2018 ⏰

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