Kapitel 1

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Es war einmal ein Mädchen im Walde von Hante. Sie ging spazieren, fröhlich ein Lied summend, die sie von ihrer Mutter gelernt hatte. Die Marzillen, eine wundervolle Blumenart die nur in diesem Wald blühte, hatten aufmerksam erregende blaue Blüten. Die Blumen waren zwar nicht besonders, konnten nicht heilen oder so, aber sie rochen bezaubernd. Sie rochen nach ihrer Mutter. Deshalb sammelte sie die Marzillen, damit sie die Blumen ihre Mutter schenken konnte, die sehr krank war. Das Mädchen bückte sich um noch ein paar andere Blumen zu pflücken, damit sie auf andere Gedanken kam. Ihre Mutter bereitete ihr große Sorgen. Da ihr Vater gestorben war, gab es niemanden, die auf ihre Mutter aufpassen könnte und ihr Zustand verschlechterte sich Tag für Tag. Sie hatten nur sich selbst.

Natürlich gab es da noch Onkel Jordan, der ab und zu mal kam um nachzusehen und die ein paar Nachbarn, die ihnen manchmal etwas zu essen gaben, weil sie Mitleid mit ihnen hatten, trotzdem konnte sie nicht sagen, dass sie sich nicht einsam fühlten.

Das Mädchen sah etwas, dass sich zwischen den Gräsern bewegte und erschrak sich fürchterlich, als sie eine Schlange erblickte. Es kam geschmeidig und mit ganz langsamen Bewegungen auf das Mädchen zu. Das Mädchen bewegte sich ebenfalls ganz leise nach hinten und entfernte sich langsam von der Schlange. Als sie es für genug entfernt hielt, fing sie an zu rennen. Nach wenigen Minuten machte sie bei einem großen Stein Rast und versuchte zu atmen. Sie schwitzte und ihr Herz trommelte wie wild. Die Schlange hatte sie erschreckt. Sie streckte ihr Gesicht gen dem kühlen Wind und lauschte den Geräuschen im Wald. Sie hatte sich ein bisschen beruhigt. Da jetzt, dass Adrenalin nachgelassen hatte, fühlte sie sich müde. Das Mädchen atmete noch einmal tief durch und machte sich auf den Heimweg. Die Blumen waren genug für heute!

Warum hatte sie sofort an ihr Onkel denken müssen, als sie die Schlange gesehen hatte? Ach, natürlich, weil ihr Onkel genauso hinterhältig und giftig war wie eine Schlange. Der Graf Antonius Jordan Avinolia oder eher Graf Jordan von Rieka. Sie knirschte mit den Zähnen, jedes Mal, wenn sie an ihn denken müsste.

Das Mädchen schloss kurz ihre Augen und drängte ihre Tränen zurück. Alles hatte sich so enorm verändert. Manchmal konnte sie es nicht verkraften und alles war so schwer für sie. Die Rasse ihres Vaters, also die Avinolias, waren einst sehr mächtig gewesen, aber dann fing der große Krieg an. Die Letinnen aus Osten griffen ihr Land an und ihr Leben veränderte sich schlagartig. Zwar war Dellmag ein großes Königreich, dennoch konnten sie den starken Letinnen nicht standhalten. Die Krieger aus Osten waren für ihr skrupellose und gewaltsame Art bekannt. Obwohl Dellmag und das Königreich aus Osten, also das Königreich Tirisace, Jahrzehnte lang gute Handelspartner gewesen waren, bekam Dellmag schlagartig nach der letzten Lieferung Drohungen von den Letinnen. Das Obst und die Getreide die von Dellmag nach Osten geliefert worden war, soll laut den Letinnen mit einer Seuche belegt worden sein. Die starken und gesunden Kinder und Frauen von Osten wurden alle nach Dellmag's Lieferung krank. Der König von Tirisace war erzürnt gewesen. König Everard hatte versucht die Missverständnisse zu klären, aber leider hatte es nicht geklappt. Und das Unvermeidbare geschah. Die Letinnen griffen an. Krank oder nicht, die Letinnen waren stark. Sie marschierten in die Hauptstadt ein, metzelten alles nieder und zeigten kein Erbarmen.

Natürlich müsste damals ihr Vater, Graf von Rieka, seine Loyalität gegenüber dem König zeigen und mit seinen Männern in den Krieg ziehen. Das Mädchen konnte sich noch an alles haargenau erinnern. Wie ihr Vater zu ihr kam, sie umarmte und auf die Stirn küsste. Das war das letzte Mal, dass sie ihn gesehen hatte. Danach war er nie zurückgekommen.

Bevor der große Krieg angefangen hatte, war ihr Leben so friedlich gewesen. Zumindest die Teile, an denen sie sich erinnern konnte.

Der Krieg hatte wortwörtlich ihr Leben zerstört. Ihr Vater starb im Krieg. Ihre Freunde starben im Krieg. Sie verloren alles was sie hatten. Es brach ihr das Herz, wenn sie an diese Zeiten dachte. Am liebsten würde sie die Zeit zurücksetzen.

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