Kapitel 2 - Die blaue Taurin

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Rima erwachte durch die hellen Schreie eines Babys. Sie schlug die Augen auf und wollte sich aufsetzen, doch ein Zappeln in ihren Armen hielt sie davon ab. Jetzt fiel ihr alles wieder ein! Sie war Mutter! Freudig lächelnd senkte sie den Kopf und ihre Augen wurden weich, als sie das schreiende Bündel in ihrem Arm zu betrachtete. Es war ein Mädchen! Man sah ihr an, dass Maru ihr Vater war. Sie hatte seine Augen geerbt und die Schnauze eines Tauren, aber auch die Ohren und Reißzähne eines Trolls. Während Rima begann ihre Tochter sanft hin und her zu wiegen, um sie zu beruhigen, nahm in ihrem Kopf die Angst Überhand und sie zog besorgt die Stirn kraus. Ihr Baby würde nicht akzeptiert werden, da war sie sich sicher. Sie hatte nicht gedacht dass man ihr den Tauren-Vater so sehr ansehen würde! "Luna, meine Kleine, meine geliebte Tochter...", hauchte sie liebevoll. "Es tut mir leid, du wirst es leider nicht leicht haben..." Eine einzelne Träne rollte über Rimas Wange und sie gab ihrer Tochter einen Kuss auf die flauschige blaue Stirn. Luna bekam von der Trauer ihrer Mutter nichts mit, denn sie hatte die Augen geschlossen und war in einen tiefen Schlaf gefallen.
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Rima war wach, als Klaa die Hütte wieder betrat. Sie wiegte mit einem sanften Lächeln im Gesicht, die Missgeburt in ihren Armen. "Dieses Baby muss sterben, es wird die Götter verärgern!", knurrte der Trollheiler verächtlich und Rima zuckte zusammen. Sie war so versunken gewesen, dass sie seine Anwesenheit nicht bemerkt hatte. Er trat auf sie zu und versuchte die Missgeburt aus ihrem Arm zu reißen. "NEIN!", schrie Rima verzweifelt und hielt das Baby fest als würde ihr Leben davon abhängen. Warum nur hatte er ihr das Baby nicht einfach entrissen als sie noch geschlafen hatte und das Baby als Totgeburt gemeldet?! Er fluchte innerlich und zog an den kleinen Armen der blauen Taurin, die daraufhin erwachte und wegen der Schmerzen begann laut zu weinen.
Rima schrie laut auf vor Entsetzen. "DU TUST IHR WEH!" Sie trat nach ihm und der überrumpelte Klaa stolperte nach hinten und landete auf dem Boden. Seine Augen blitzten wütend. "Der Häuptling wird über das Baby entscheiden und er wird gut tun auf meinen Rat zu hören, die Missgeburt zu töten!" Er rappelte sich auf und stürmte aus der Hütte um den Häuptling zu holen.

Als der Heiler dem Häuptling Kul'Jin über Rimas Erwachen berichtete, folgte dieser ihm zum Geburtshaus. Davor blieben sie stehen. "Kul'Jin, dieses Baby wird die Götter verärgern! Es muss sterben!" Kul'Jin sah den Heiler nur stumm an, statt ihm zuzustimmen, wie dieser erwartet hatte. "Ich möchte allein mit Rima sprechen.", sprach der Häuptling und warf Klaa einen Blick zu, der signalisierte dass dieser draußen bleiben sollte. Dies missfiel dem Heiler gewaltig, aber Kul'Jin betrat die Hütte alleine.
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Die Trollin sah auf und knurrte angriffslustig als Kul'Jin den Raum betrat. Als sie ihn erkannte, entspannte sie sich jedoch etwas. "Kul'Jin", begrüßte sie ihn respektvoll und nickte dem Häuptling zu. "Rima, was hat das zu bedeuten?", fiel er gleich mit der Tür ins Haus und sah die frischgebackene Mutter forschend an.
"Ich habe eine Tochter", meinte sie nur knapp.
"Das sehe ich." Der Häuptling zeigte mit einer Geste auf das Baby. "Wie kam sie zustande?"
Rima blinzelte ihn einige Sekunden schweigend an. "Aus Liebe.", flüsterte sie dann und strich ihrer Tochter zärtlich über den felligen Arm.
Liebe. "Der Liebe zu einem Tauren, vermute ich?" Kul'Jin trat näher an das Lager der Mutter heran und die Trollin drückte ihren Säugling schützend an ihre Brust. "Ja", bestätigte sie kurz angebunden. Scheinbar wollte sie nichts preisgeben. "Bitte...", ihre Augen wurden flehentlich als er die Hand nach dem Kind ausstreckte. "Bitte nimm sie mit nicht weg! Sie hat niemandem etwas getan! Wie kann denn Liebe die Götter erzürnen..?"
Kul'Jin sah sie ruhig an und strich dann dem Baby zart über den flaumigen Kopf. "Ich bin nicht der Meinung, dass die Götter erzürnt sein werden, Rima. Das Problem ist nur, dass die Mehrheit des Dorfes dieser Meinung sein wird."
Die Trollin beobachtete wachsam wie er ihrer Tochter den Kopf streichelte. "Ich denke auch, dass Luna die blanke Verachtung treffen wird." Luna hieß die Kleine also. "Du musst das Dorf verlassen Rima. Es führt kein Weg daran vorbei. Ich kann euch nicht schützen, auch wenn ich auf deiner Seite bin, meine Tochter. Was hast du dir nur gedacht?"
"Ich habe nicht gedacht, ich habe gefühlt.", flüsterte sie leise. "Es tut mir leid Vater, dass ich dich enttäuscht habe. Es war einfach alles, was ich wollte.", fügte sie dann fester hinzu.
"Du hättest in Warron einen würdigen Partner gefunden.", gab Kul'jin zu Bedenken.
"Warron ist ein guter Freund, aber kein Partner! Ich hätte nie eine solche Liebe für ihn empfinden können.", erklärte Rima überzeugt.
"Weiß der Vater von seinem Glück?" Kul'Jin sah seine Tochter forschend an.
Rima blinzelte peinlich berührt. "Nein. Nein, er weiß nichts von seinem Glück. Er musste fort..." Sie verstummte.
Draußen vor der Hütte ertönten laute Stimmen. Kul'Jin sah sich über die Schulter um. "Es wird unruhig, du solltest verschwinden Rima." Der Häuptling legte der Trollin eine Hand auf die Schulter. "Ich werde dich so gut es geht unterstützen, aber du kannst nicht mehr nach Sen'jin zurück. Es tut mir leid, meine Tochter. Alles was ich tun kann, ist dir zu ermöglichen das Dorf zu verlassen. Pack deine Sachen." Mit diesen Worten wandte er sich um und stellte sich seinem Volk.

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