,,Guck dir die mal an...''
,, Was hat die da an ?!''
,,Igitt''
,, Die soll eine Kingston sein?''
,, Und das ist echt die Schwester von Catrice?''
Ich gehe die Schulflure entlang und bin erleichtert als ich endlich an meinem Schließfach ankomme. Vor einer Woche war mein Leben noch einfacher. Ich wurde ignoriert und es hat niemand etwas gesagt, als ich durch die Flure gelaufen bin. Jetzt werde ich von allen beobachtet und bewertet. Meine Schwester hat nun mal die Regeln geändert. Catrice ist das beliebteste und hübscheste Mädchen der Schule. Sie ist seit einem Jahr mit dem Kapitän des Footballteams zusammen. Nick Miller, die beiden sind ein Traumpaar. Früher hat sie mich ignoriert und da sie es tat, taten es auch alle anderen. Jetzt hat sich das geändert.
Ich höre meine Schwester und ihre Clique den Gang entlanglaufen. Je näher sie kommen, desto lauter werden sie. Vor meinem Schließfach bleiben sie stehen.
,,Grace!" sagt sie mit einem abfälligen Unterton in ihrer Stimme. Langsam drehe ich mich um und schaue direkt in ihre Eisblauen Augen. Sie ist 2 Jahre älter und ein Stückchen größer als ich. Sie ist der Goldengel meiner Familie und macht irgendwie alles richtig. Sie ist gut in der Schule, Lehrerliebling und natürlich Schülersprecherin und Trainerin der Cheerleader Mannschaft unseres Footballteams. Sie hat eine sehr schlanke Figur, jedoch sehr ausgeprägte Kurven. Ein echter Hingucker.
,,Ja?" sage ich leise und versuche dabei meine Stimme klar klingen zulasse. Doch ich habe Angst vor ihr und sie merkt sofort, wie unsicher ich bin und ein höhnisches Lächeln bildet sich auf ihren Lippen.
,,Was hast du heute eigentlich schon wieder an? Willst du den Namen Kingston noch dreckiger machen? Man könnte ja meinen unsere Eltern würden dich schlecht behandeln oder du würdest direkt aus der Gosse kommen!" Während sie das sagt, kommt sie immer näher und näher an mein Gesicht. Sie guckt mich dann zufrieden an und geht ohne auf eine Antwort zu warten. Ihr Einfluss auf mich ist zu groß. Wenn sie in der Nähe ist, bekomme ich panische Angst. Die Leuten, die dich am besten kennen, können gleichzeitig die sein, die dich am schlimmsten fertig machen können.
Jedoch hat sie Recht. Ich hab einen vollen Kleiderschrank. Ein großes Zimmer und eine riesige Auswahl an Schminke. Catrice tobt sich total aus. Ich hingegen ziehe vielleicht 2 Oberteile und 3 Hosen an. Ich bin kein Modepüppchen die immer auf dem Laufendem ist oder jedem Trend hinterherjagt. Ich bleibe lieber im Schatten.
In der Mittagspause setze ich mich wieder in meine gewohnte Sitzecke. In die allerletzte. Ich habe keine Freunde, mit denen ich mich nun treffen könnte oder mit denen ich gemeinsam essen könnte. Ich sitze ganz alleine und versinke mal wieder in meinen Gedanken.
Vor einiger Zeit war ich mal etwas wert. Als mein Opa noch lebte, war ich glücklicher und ausgeglichener. Er hat mir zugehört und sich um mich gekümmert. Als er vor einem Jahr starb bin auch ich innerlich gestorben. Er war der einzige, bei dem ich mich noch wie eine Person fühlte.
Als ich noch jünger war, hat er mir den Kampfsport beigebracht. In unserem Gartenhaus haben wir uns einen kleinen Trainingsraum eingerichtet. Anfangs war es nur Kickboxen. Dann Judo und Karate und mittlerweile kann ich jede Kampfsportart. Er hat mich trainiert und meinte immer wieder, dass ich es irgendwann schaffen würde groß rauszukommen. Das dies meine geheime Gabe wäre. Ich habe mich besonders gefühlt. Weil ich etwas konnte, was meine Schwester nicht konnte. Als ich meinen Eltern davon erzählte, haben sie nur gelacht. Sie fragten, was ich denn mit Kampfsport anfangen sollte. Ich sollte mich lieber mal richtig kleiden und unsere Namen nicht verdrecken.
Diesen Trainingsraum gibt es immer noch und ich gehe fast jede Nacht trainieren. Ich blühe darin auf. Dies ist meine heilige Halle. Nie hat jemand diesen Raum bis auf meinem Opa und mit betreten. Doch niemals würde ich jemandem davon erzählen.
Viel zu spät merke ich erst, dass die Mittagspause schon vorbei ist. Ich renne aus der Mensa und versuche noch rechtzeitig zum Unterricht zukommen. Doch zu spät. Die Tür ist schon geschlossen. Frustriert gehe ich auf den Parkplatz, steige in mein Auto und fahre nach Hause. Es ist keine lange Fahrt von der Schule bis nach Hause. Meine Eltern packten meine Schwester und mich auf eine teure Privatschule. Sie sagen immer wieder, dass diese gut für unsere Zukunft wäre, doch ich weiß, dass sie es nur wegen des Rufes tun.
Als ich zu Hause ankomme steht lehnt meine Mutter an der Kücheninsel und tippt etwas in ihren Laptop ein. Als sie mich bemerkt, mustert sie mich misstrauisch. ,,Was machst du denn schon hier? Hast du nicht noch Unterricht?'' fragt sie und zieht eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen hoch. ,,Ich bin zu spät zur letzten Stunde gekommen.'' sage ich. Sie schaut mich mit einem abwertenden Blick an und ich meine etwas zu hören wie ,,Dieses Kind macht irgendwann noch alles kaputt.''
Ich gehe ohne ein weiteres Wort in mein Zimmer, schaue ein bisschen fern und schlafe letztendlich ein.
2 Stunden später werde ich von einer sauren Catrice geweckt. ,, Grace! Ist das eigentlich dein scheiß ernst ?!" schrie sie mich an. Ich schaute verwirrt zu ihr. ,, Du brauchst gar nicht so zu gucken! Weißt du eigentlich wie schwer es ist unseren Ruf aufrecht zu erhalten ? Du kommst ungepflegt in die Schule und ich werde immer wieder gefragt ob du schlecht behandelt wirst! Dein Verhalten ist unmöglich! Kannst du dich nicht einfach mal normal anziehen? Dich mal in ein Spa begeben oder dir ein Hausmädchen zulegen?!" Sie schaut mich erbost an und ich zittere vor Angst. ,, Ich... Ich..." setze ich an aber ich kam gar nicht zu Wort. Sie gibt mir eine Backpfeife, geht aus meinem Zimmer und schlägt die Tür hinter sich zu.
Mal wieder fange ich an zu weinen. Manchmal frage ich mich, wozu ich das überhaupt noch mache. Dann erinnere ich mich wieder an meinen Opa und an seine Worte und an mein versprechen.
,,Grace. Du darfst niemals aufgeben. Du bist gut indem was du machst. Geh deinen eigenen Weg und mach was aus dir. Lass dir nichts vorschreiben."
Ich versprach ihm das aber damals war die Lage noch nicht so schlimm.
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Die verborgene Stärke
Teen FictionEs ist nicht schlimm unsichtbar zu sein. Es ist nicht schlimm ignoriert zu werden. Es ist nicht schlimm keine Freunde zu haben. Denn solang das alles zusammen passiert, kann man einfach sein Leben leben. Allein. Es wird erst schlimm, wenn die gan...