Mit einem lauten Schrei wachte ich auf und fuhr aus den Laken hoch. Mit weit aufgerissenen Augen blickte ich mich um. Finsternis verschluckte das Zimmer, nur das Licht des Mondes erhellte das Zimmer minimal.
An der gegenüberliegenden Wand konnte ich die dunklen Schatten meines alten Kleiderschrankes ausmachen.
Meine Pupillen huschten nach rechts. Zwei Meter neben dem Schrank befand sich meine Zimmertür. Sie war nur angelehnt und nicht richtig verschlossen. Der Schlüssel war schon seit Jahren verschwunden. Leicht könnte jemand in das Zimmer eindringen.
Irgendetwas knackte und schepperte. Vor dem Zimmer befand sich irgendwas oder irgendjemand. Er kam immer näher. Nein, er konnte es nicht sein. Er wurde vor Jahren vernichtet, getötet von einem Einjährigen und wurde seit dem nie wieder gesehen.
Eine dunkle Gestalt schlich sich in mein Zimmer. Sie näherte sich mir immer weiter. Ich wich zurück und tastete hinter mich.
Wo war mein verflixter Zauberstab? Immer wenn man diesen dämlichen Stock brauchte, war er nicht da.
Es rappelte erneut. Ein Fluchen ertönte.
Mein Herz begann zu rasen wie ein galoppierendes Pferd. Mein Atem war flach und schnell als wenn ich einen Marathon gerannt wäre. Eine Schlinge legte sich um meinen Hals und schnürte ihn immer weiter zu. Ich ersticke!
Meine Hände zuckten hoch zu meinem Hals und versuchten die Schlinge zu entfernen. Doch sie fanden nichts, nur meinen blanken Hals.
Mein Herz schlug immer schneller und durchschlug fast meinen Brustkorb.
Jetzt reiß dich mal zusammen, Nyra. Du bist eine Gryffindor und keine Flasche, die sich bei jedem kleinen Albtraum in die Hose macht.
„NYRA!", vernahm ich schwach die Stimme meines Patenonkels, wie durch eine dicke Betonwand eines Bunkers.
Verschwommen nahm ich einen Lichtfleck wahr. Meine Wahrnehmung ähnelte einer Fliege nachdem sie die Fliegenklatsche getroffen hatte.
Zwei Hände legten sich auf meine Schultern. Plötzlich wurde alles hell. Das Licht stach in meinen Augen und blendete mich.
„Okay, Kleines!", vernahm ich wieder die dumpfe Stimme.
„Guck mich an. Schau mir in die Augen."
Ich versuchte seine Augen in dem rosanen Fleck mit braunen Plüsch ausfindig zu machen. Da waren sie. Seine grauen Augen.
Es war unheimlich. Ich konnte nur das Grau erkennen, keine schwarze Pupille in ihrem Inneren. Nur Grau. Verschwommenes Grau.
Ich riss meine Augen noch weiter auf und versuchte verzweifelt Luft zu bekommen. Rasselnd atmete ich ein.
„Guck mich an!", wiederholte er seine vorigen Worte.
„Komm mach es mir nach! Wir atmen zusammen!"
Mit einem kleinen Nicken bestätigte ich seine Aussage. Ich wollte wieder Luft kriegen und nicht so sterben.
„Tief einatmen!", wies er mich an. Mit Tränen in den Augen befolgte ich seine Anweisungen. Frische Luft strömte in meine Lungen.
Die kalte, klare Luft klärte meine Gedanken etwas auf und ließ den Gedankenstrom verebben.
Bei den nächsten Worten meines Onkels atmete ich aus und wieder ein. Mit jedem Atemzug wurde ich ruhiger und mein Blickfeld klärte sich auf. Endlich konnte ich wieder Details wie die Pupille erkennen. Ein verschwommenes graues Auge ohne Pupille war unheimlich.
Ein leichtes Grinsen schlich sich auf meine Lippen aus.
„Meine Beerdigung musst du erst mal verschieben."
Lächelnd schüttelte er den Kopf und richtete sich wieder auf. Sein Blick blieb auf mir haften. In seinen Augen reflektierte sich das Licht des Halbmondes.
„Geht's wieder?", fragte er nur ohne auf meinen Spruch einzugehen.
„Keine Sorge. Das Geld für die Reklamation des Sarges bekommst du wieder. Meines Wissens gibt es bei Magische Särge und Urnen für Jedermann eine Rücksendefrist von 14 Tagen."
„Na Gott sei Dank. Dein gewünschter rubinbesetzter Sarg mit der Aufschrift: ‚Hier liegt die größte Nervensäge der gesamten Zaubererwelt' war teuer."
Mein Grinsen verschwand langsam von meinen Lippen.
Särge...
Meine Eltern lagen seit zehn Jahren in welchen, wurden langsam von Würmern zerfressen und Teil des ewigen Kreises des Lebens. Ihre Seelen waren schon längst weg, aber ihre Körper blieben hier.
Warum konnten sie nicht noch leben? Ich wollte sie wiederhaben. Ihre Seelen IN ihren Körpern und nicht im Himmel, oder was weiß ich wo sie jetzt sind.
Ich wollte einfach in Daddys Armen liegen oder mit ihm Quidditch spielen. Mit Mum in der Küche ihre verrückten Gerichte kochen und sie dann probieren.
Eine einzelne Träne löste sich aus meinen Augenwinkel.
Stumm setzte sich mein Patenonkel auf mein Bett und umarmte mich einfach. Fest drückte ich mich an ihn. Meinen Kopf drückte ich gegen seine Brust. Sein bekannter Duft nach Tannen umgab mich und beruhigte mich etwas.
„Ich vermisse sie so sehr", schluchzte ich und drückte mich noch enger an ihn. Meine Finger vergruben sich in seinem Pyjamaoberteil.
Seinen Kopf legte er auf meinen Kopf und murmelte leise: „Ich auch, Kleine. Ich auch."
Plötzlich tauchte eine einzelne Flamme mitten im Raum auf und mein treuer Begleiter tauchte auf. Mit tränennassen Augen drehte ich meinen Kopf zu dem erschienenen magischen Geschöpf.
„Phaedra!", flüsterte ich leise und löste eine Hand von dem Rücken meines Patenonkels. Sanft strich ich ihr über den edlen Kopf. Ihre Federn waren weich und warm.
Sacht fing sie an zu singen. Ihr wunderbarer Gesang ging einen durch Haut und Knochen. Er erfüllte einen bis zur letzten Körperzelle. Es war als würden meine ganzen Sorgen mit einem Schlag weggewischt werden. All die Trauer, die Verzweiflung über den Tod meiner Eltern und die Wut auf Voldemort, weil er sie getötet hatte. Ich spürte, wie ich neue Hoffnung schöpfte. Meine Mund verzog sich zu einen kleinem Lächeln.
Es stimmte, was Dumbledore immer sagte: „Der Gesang eines Phönix lässt einen Hoffnung schöpfen, negative Gefühle wie Trauer vergessen und holt eine aus den eigenen Abgründen zurück."
Fasziniert schauten und lauschten mein Patenonkel und ich dem Gesang des Phönixes. Meiner Phaedra.
Sie sang noch eine ganze Weile weiter, bis kein negatives Gefühl mehr die Stimmung trübte. Nur noch Leichtigkeit füllte den Raum.
„Danke!", flüsterte ich leise und strich ihr abermals über den Kopf. Sie schmiegte ihren Kopf in meine Handfläche und stupste mich leicht an. Lächelnd streichelte ich erneut über ihren Kopf.
„Faszinierende Geschöpfe!", murmelte mein Pate und fuhr mit seiner Hand über meinen Kopf, „du solltest jetzt schlafen. Albus hat mir erzählt, dass heute die Hogwarts-Briefe ankommen sollten. Wir müssen wohl in die Winkelgasse."
Müde nickte ich und fragte leise, ob er mir meinen Wolf geben konnte. Mit einem liebevollen Lächeln reichte er mir das Kuscheltier, welches auf meinem Nachtschrank saß.
„Schlaf gut, meine Kleine!", murmelte er leise und wollte das Zimmer leise verlassen. Er hielt inne.
„Du kannst nicht schlafen, ohne gleich wieder diesen Traum zu bekommen, oder?", stellte er fest und blickte aus dem Fenster zum Halbmond.
Mein Schweigen reichte ihm als Antwort.
„Nimm den Trank!", befahl er mir leise und beobachtete genauestens meine Bewegungen.
Hastig hob ich meinen Kopf und schüttelte diesen wild.
„Der Trank ist eklig und ich hasse es unter Drogen zu stehen!"
„Nyra Potter, ich möchte nicht schon wieder in einer Stunde hier am Bett stehen, um Madam zu trösten und morgen am Frühstückstisch deine schlechte Laune aushalten müssen, weil du nicht genug geschlafen hast! Du nimmst jetzt diese Phiole in die Hand und trinkst davon einen Schluck!"
Seine Augen durchbohrten mich und er schien mich zu durchleuchten zu wollen. Je näher der Vollmond kam, desto reizvoller wurde er.
„Ist ja gut", brummte ich und griff zu meinem Nachttisch herüber, wo eine kleine Phiole, gerade einmal circa fünf Zentimeter hoch, mit einer purpurnen Flüssigkeit stand.
„Na los!", unerbittlich sah er mich an. Er verschränkte seine Arme und schien tatsächlich zu warten bis ich eingeschlafen war.
„Und versuch nicht so zu tun, als würdest du trinken. Ich sehe, ob etwas fehlt oder nicht."
Mit einem tödlichen Blick setzte ich den Flaschenhals an meine Lippen und zwang mich einen kleinen Schluck von dem widerlichen Gebräu zu nehmen.
„Ich hasse dich!", murmelte ich.
Die Wirkung des Trankes trat sofort ein. Mir fiel es immer schwerer die Augen offen zu halten und ich bemerkte kaum noch, wie ich in mein Kissen sank mit meinem Stofftier im Arm. Sacht wurde ich zugedeckt und mir wurde ein sanfter Kuss auf die Stirn gehaucht.
Etwas kitzelte mich an der Nase und ein heller Strahl traf mein Gesicht. Ich musste leicht niesen und schlug mein Augen auf. Nach meiner Panikattacke letzte Nacht konnte ich erstaunlich gut schlafen. So tief hatte ich lange nicht mehr geschlafen.
Ich war immer noch leicht verwirrt. Dieser blöde Trank hatte bei mir immer Nebenwirkungen. Immer!
Fast jede Nacht plagten mich Albträume oder ich warf mich in dem Bett hin und her und konnte nicht einschlafen. Seit ich klein war verfolgten mich die gleichen Albträume. Immer wieder die gleiche Szene. Immer wieder die letzten Augenblicke und das grüne Licht.
Mit einem Blick auf meinen Wecker legte ich meinen Kopf erneut auf das Kissen und schloss meine Augen. Es war mal gerade halb Sechs. Remus steht nicht vor Acht Uhr auf.
Die Dosis des Trankes hatte scheinbar nicht gereicht. Scheiße!
Ich winkelte meinen Arm an, legte ihn unter meinen Hinterkopf und schloss die Augen. Vielleicht hatte ich heute einmal Glück und konnte noch zwei bis drei Stunden schlafen.
Aus heiterem Himmel senkte sich meine Matratze ab.
„Remus, hau ab. Ich versuche zu schlafen."
„Leider bin ich nicht Remus, allerliebste Cookie."Diese Stimme...
Oh mein Gott!
Ich kannte diese Stimme. Besser als meine eigene.
„Fred!", quiekte ich und fiel meinem besten Freund um den Hals.
Glücklich drückte ich mich an ihn. Seine etwas zu langen Haare kitzelten ein wenig in meinem Ohr.
„Was machst du hier?", fragte ich ihn verwirrt und sah an ihm herunter. Er trug nur ein rotes, etwas zu großes T-Shirt mit dem Gryffindor-Wappen drauf und eine kurze Pyjamahose.
„Dein verrückter Teleportvogel brachte mich her."
Noch verwirrter sah ich auf und beobachtete den Phönix dabei, wie sie auf ihrem Kissen landete und sich zusammenrollte wie eine Katze. Kurz bevor sie ihren Kopf unter ihren Flügel schob, sah sie mich mit ihren durchdringenden Augen an.
Ach ja, Phönixe können die Emotionen von Menschen wahrnehmen....
Freds Augen zuckten zu dem kleinen Fläschchen Schlaftrank auf meinem Nachttisch und zählte eins und eins zusammen.
„Hattest du wieder einen Albtraum?"
Seine blauen Augen durchbohrten mich und ich wusste, ich konnte ihn nicht belügen, auch wenn ich dies gerne würde.
„Könnte sein", brummte ich.
„Merlin, Nyra. Warum sagst du nichts?", warf er mir sogleich vor. Er schüttelte den Kopf.
„Wie viele Nächte konntest du ruhig durchschlafen?"
Ich glaube, die konnte man an zwei Händen abzählen.
Stumm ließ ich zu, dass er sich neben mich setzte und mich an sich zog. Seine Arme schlangen sich um meine Hüfte.
„Du und dein blöder Gryffindorstolz...", murmelte er in mein Ohr.
„Sagte der Gryffindor!"
„Scheinbar bist du doch nicht stumm. Ich hatte schon die Befürchtung, dass ich Gebärdensprache lernen muss."
„Du bist und bleibst ein Blödmann!", murmelte ich nur und schloss die Augen.
Schneller als mit dem Trank fiel ich in einen traumlosen Schlaf. Der Rotschopf war die beste Droge!
„Aufwachen!", weckte uns ein paar Stunden später die Stimme meines Patenonkels, „es gibt Frühstück!" Bei dem Wort Frühstück sah mein Bettnachbar sofort auf. Dabei knallte sein Kinn gegen meine Stirn. Sofort schoss ein Schmerz in meine Stirn und ich stöhnte auf. Schmerz lass nach.
„Es gibt Waffeln!"
Das war das Zauberwort!
Mein Kopf schoss hoch und ich blickte meinen amüsierten Ersatzvater an. Augenblicklich war jede Müdigkeit vergessen und ich schwang die Beine aus dem Bett. Mein T-Shirt war etwas verrutscht und meine Boxershorts waren zerknittert.
Ich hörte nur Freds: „Das muss ich mir merken." und stürmte die Treppen herunter.
Als ich die kleine gemütliche Holzküche betrat, zog sofort der Duft nach frischen Waffeln in meine Nase.
Hinter mir hörte ich Remus und Fred langsam die Stufen herunterkommen.
„Setzt euch."
Der Forderung nachkommend, setzten wir uns auf die Stühle des Esstisches. Auf dem Tisch standen die versprochenen Waffeln mit heißen Kirschen und meinem geliebten Apfelmus.
„Guten Appetit" Remus zwinkerte mir zu und griff nach einem der frischen Brötchen. Sofort griff ich zu.
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Nyra Potter und der Stein der Weisen
FanfictionStreiche, Streiche und nochmal Streiche. Das ist das Motto von Nyra. Zusammen mit unseren berühmten Chaos-Zwillingen verbreiten sie Angst und Schrecken in Hogwarts. Viele mussten bereits unter ihrer Schreckensherrschaft leiden. Snape, Filch und dive...