Und dann kam das Blut

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Ich machte mich auf den Weg nach Hause. Der Weg war endlos lang. Eigentlich wollte ich nicht nach Hause. Was würde mich erwarten? Meine betrunkene Mutter oder die Schläge meines Vaters? Da wäre ich doch lieber in der Schule und würde mich beleidigen lassen. Worte tun zwar weh, aber nicht so sehr , wie die Enttäuschung über meine Familie. Klar sollte ich es gewohnt sein mit diesen Situationen umzugehen, da ich fast 16 Jahre mit meinen"tollen" Eltern zusammenlebe. Meine Mutter hat selbst in der Schwangerschaft getrunken und geraucht. Sie hätte mich fast verloren. Vielleicht wäre das das Beste für alle gewesen.. Und mein Vater? Als ich noch klein war, hat er seinen Job verloren und seine Eltern sind gestorben. Danach ist er durchgedreht. Zuerst hat er meine Mutter geschlagen, doch die bekommt in ihrem Zustand so gut wie nichts mit, deswegen suchte er sich ein Opfer, welches versucht sich zu wehren. Also mich. Mittlerweile werde ich seit knappen 10 Jahren regelmäßig geschlagen. Im Turnunterricht war ich schon lange nicht. Meine Hämatome würden zu stark auffallen.Die Vertrauenslehrerin kann mir auch nicht helfen, da ich mir nicht helfen lasse. Ich muss das selbst schaffen.

Vor lauter Panik, beginne ich zu zittern. Zu Hause angekommen atme ich tief durch und gehe ins Wohnzimmer. Meine Mutter kann anscheinend wieder normal denken und fragt mich wie es mir geht und wo ich war. Ich murmle ein Gut vor mich hin. Doch sie lässt nicht locker und meint, dass die Schule angerufen hätte, da ich einfach den Unterricht verlassen hatte und mich nicht meldete. Ich warf ihr nur ein Alles ist Gut hin und verzog mich in mein Zimmer. Vor lauter Zorn auf meine Lehrer und auf mich, da ich einfach weggelaufen bin, beginne ich zu weinen. Andere essen viel oder gar nichts mehr , wenn sie Kummer oder Zorn haben. Was mache ich ? Ich weine. Weine oft stundenlang. Teilweise aus richtig unnötigen Gründen . Beim Ableben von geliebten Menschen kann ich keine einzige Träne weinen, aber wegen richtig unwichtigen Angelegenheiten, weine ich wahnsinnig viel. Danach geht es mir sogar noch schlechter, als davor, da ich mich wieder schuldig fühle. Schuldig im Sinne, dass ich mich selbst bemitleide.

Am späten Abend gehe ich in die Küche und schneide mir einen Apfel in vier gleich große Stücke. Zwei davon nehme ich mit in mein Zimmer und die anderen beiden, verstaue ich im Kühlschrank. Nach dreißig Minuten bin ich mit dem Essen erst fertig. Ich kann ewig an einem Stück herumkauen. Damit trickse ich meinen Körper aus. Je länger ich esse, desto weniger Hunger verspüre ich. Habe ich dann immer noch Hunger, trinke ich Wasser und die Sache ist erledigt. Beim Gang ins Bad merke ich, wie meine Laune immer schlechter wird. Vielleicht bessert sich meine Laune mit einer warmen Dusche wieder. Als ich bei der Rasur etwas unvorsichtig bin, schneide ich mir ins Bein und es beginnt sofort zu bluten. Das komische ist, dass dieser Schmerz meine Laune erhellt. Was ist nur los mit mir? ich kann doch nicht normal sein.

Frisch geduscht mit einem Pulli und einer Short bekleidet lege ich mich in mein Bett. Nach kurzer Zeit stehe ich wieder auf und hole aus meinem Schrank eine Packung Klingen. Nehme eine Klinge aus der Schachtel und lasse diese zwischen meinen Fingern gleiten. Meine Gedanken kreisen um das Blut und der Erleichterung nach dem Schnitt vor einer halben Stunde. Ich nehme Schritte vor meiner Tür wahr und verstecke schnell die Rasierklingen unter meine Decke und schon geht meine Zimmertür auf. Meine Mutter steckt den Kopf in mein Zimmer und sagt, dass mein Vater heute nicht nach Hause kommt. auch sagt sie, dass ich nicht zu lange aufbleiben sollte und dass sie mich lieb hat. Wie typisch, dass mein Vater wieder nicht nach Hause kommt. Ich verstehe nicht, warum meine Eltern noch verheiratet sind. Wenn mein Vater nicht nach Hause kommt, heißt, dass er mit seinen "Freunden" feiern geht. Sobald er betrunken ist, dauert es keine Stunde bis er eine Frau aufreißt. Ich kann mich noch gut erinnern, als mein Vater noch in seiner Wohnung lebte und ich bei ihm war, lag fast jede Nacht eine andere Frau am Gästebett. Männliche Schlampe halt.

Ich spüre, wie meine Wut wieder wächst und greife wieder nach meinen Klingen. Ich setze mich kerzengerade auf die Bettkante und halte die Klinge an meinen Unterarm. Ich merke, dass ich immer aufgeregter werde. Ein-und Ausatmen und ich ziehe durch. Ich beiße die Zähne zusammen und schließe meine Augen. Es brennt und blutet, aber es tut gut. Ich beschließe es noch mal zu tun, aber tiefer. So geht es weiter.

Ich schnitt zum dritten Mal, weil ich meinen Vater hasste.

Ich schnitt zum vierten Mal, weil ich mich selbst hasste.

Ich schnitt zum fünften Mal, da ich am 5.5 Geburtstag habe

Ich schnitt zum sechsten Mal, weil ich es nicht anders verdiene

und ich schnitt zum siebten Mal, um mich zu spüren.

Ich kann beobachten, wie das warme Blut an meine Armen runterrinnt. Ich habe so ein verdammt gutes Gefühl. Nach einer Weile stoppte die Blutung und im Bad reinige ich meine Arme und meine Klinge. Mit einem Desinfektionsmittel bearbeite ich meine sieben Wunden, die feuerrot sind und verbinde diese im Anschluss. Ich beschließe schnell das Badezimmer zu reinigen. Um elf Uhr komme ich ins Bett und denke über den heutigen Tag nach :

Wie konnte es soweit kommen? Wie konnte es soweit kommen, dass es mir so schlecht geht,dass ich diese Schmerzen brauche. Wie ich Klingen holte, ansetzte und durchzog. Und dann kam das Blut. So ein gutes Gefühl. Ich hatte mich einmal was getraut. Ich habe einen Weg für Erleichterung gefunden. Das einzige auf was ich aufpassen muss ist, dass keiner meine Arme sieht. Aber wer sollte es denn sehen? Immerhin bin ich jedem egal. Also muss ich mir darum eigentlich keine Sorgen machen. Mir geht es einmal gut nach sehr langer Zeit. Ich hatte endlich etwas gefunden, dass mir etwas Kontrolle in meinem Leben zurück gibt. Schließlich kann ich kontrollieren, ob ich sterbe oder lebe.

The demons inside my headWo Geschichten leben. Entdecke jetzt