Kapitel 2

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Zwei Tage nachdem Umfall mit Lisa, bin ich aus dem Krankenhaus entlassen worden. Ich trug noch eine Prellung fort, aber ich durfte, was Sport angeht, es langsam angeht. Das hieß, dass ich wieder Schwimmen gehen konnte. Meine Mom war natürlich überglücklich mich wieder zu Hause zu haben, aber Kristen? Sie war nicht wirklich da, als sie mich besucht hatte oder als ich zu Hause war. Sie starrte immer wieder auf ihr Handy oder auf die Uhr, als ob ihr etwas wegrennen würde. Aber während meines Aufenthaltes im Krankenhaus, hat mich Henry besucht. Natürlich nur dann, wenn meine Mom gerade nicht da ist. Aber warum er sich vor ihr versteckt, bleibt mir bis jetzt immer noch ein Rätsel.

Am Abend hörte ich vor meinem Zimmer ein leises knacken. Der Baum vor meinem Fenster bewegte sich etwas. Und dann sah ich eine Hand. Danach ein Arm, bis ich den Kopf sehen konnte. Es war Henry, der gerade auf meinen Balkon kletterte. Er stand auf und lief zu mir. „Oh Dornröschen ist erwacht. Ich habe mich schon gefragt, ob du jemals wieder aufstehen würdest. Als ich nämlich letztes Mal nach dir geschaut habe, hast du wie ein Baby geschlafen." Sekunde, er hat mich beim Schlafen beobachtet? Das ist irgendwie unheimlich, aber ich musste grinsen. „Warum grinst du denn? Du hast die ganzen Tage geschlafen. Ich bin froh dich wach wieder zu sehen. In den letzten Tagen hast du ja durchgehend geschlafen. Ich hab schon gedacht du wärst tot." Er lachte. Ich lachte auch, denn sein Lachen war ansteckend. Die Sonne ging langsam unter und aus dem hellen gelben Schein wurde ein rosafarbiges Licht. „Wenn du nichts dagegen hast, dann würde ich gerne duschen, denn ich habe seit ungefähr zwei Tagen gar nicht mehr geduscht, geschweige denn ich bin schwimmen gegangen." Ich sprang auf, schnappte mir mein Handtuch und ging zur Tür. Aber Henry war schneller. Er stand bereits an der Tür und öffnete mir. „Danke, aber du kommst jetzt nicht mit duschen oder?", fragte ich, während ich leicht errötete. „Nein, Dornröschen, ich werde hier auf dich warten, bis du fertig bist."

Nach fünf Minuten war ich schon fertig. Für sowas brauchte ich keine halbe Stunde, so wie Kris. Außerdem wollte ich Henry nicht allein lassen, denn er war allein in meinem Zimmer. Also zog ich mir einer meiner Shorts an und ein Top. Dann ging ich wieder in mein Zimmer. Henry lag mittlerweile auf meinem Bett, und las das Buch weiter, dass er schon hier angefangen hatte. „Was gefällt dir eigentlich an diesem Buch? Ich dachte, du hattest es dir das letzte Mal nur genommen, weil du allein warst." Er blickte auf und sah mich mit einem leichten Lächeln an. „Naja, dieses Buch ist schon irgendwie spannend. Vor allem dieser Wächter. Er ist irre, aber manchmal ist die Liebe wirklich stärker." Er hielt kurz inne bevor er weitersprach. „Aber dieser andere Wächter, der total auf dieses durchgeknallte Mädchen steht, tut mir leid. Kann sie ihn nicht wählen? Der andere ist doch sieben Jahre älter..." Ich musste lachen. Und ich hörte auch nicht auf zu lachen. Es war einfach toll, wenn Henry sich aufregte. „Warum lachst du? Das ist nicht lustig." Dabei musste er schon fast selbst lachen. Dann reichte er mir das Buch und ich stellte es weg. „Also, jetzt mal im Ernst, warum bist du hergekommen?", fragte ich. Das habe ich mir schon unter der Dusche gefragt. Er zuckte mit den Schultern. „Ich hatte Lust dich zu besuchen. Vor allem, weil du in den letzten Tagen ziemlich mit schlafen beschäftigt warst. Und deshalb habe ich gedacht, dass du dich jetzt in ihr Zimmer setzt, bis sie aufwacht. Aber so wie das der Zufall will, warst du schon wach. Das war natürlich erfreulich.". Erfreulich? Es war mehr gruselig, als aufregend. „Jedenfalls wollte ich nach dir schauen, da es schon eh nicht mit dem schwimmen geklappt hat. Aber wenn du möchtest kann ich wieder gehen.", antwortete er. Plötzlich ging Henry zum Balkon und fing an sich wieder runter zu stehlen. „Was ist los? Warum gehst du weg?" Henry blickte auf und sah mich kurz an. „Deine Mutter kommt. Deshalb gehe ich lieber schnell." Und schon war er unten. Dann ging ich schließlich in mein Zimmer, kroch unter die Decke, als es auch schon klopfte. „Em? Bist du schon wach?". rief meine Mom aus dem Flur. Wie, in aller Welt konnte das Henry wissen? „Ja, Mom, ich bin schon wach.". Dann ging die Tür auf. Sie kam herein, sofort zu mir ans Bett. „Oh Em, ich habe mir solche Sorgen gemacht. Aber dir geht's wieder gut, oder?". Als ich nickte, fuhr sie fort. „Deine Schwester ist seit deinem Unfall total komisch geworden. Sie hat nur darauf gewartet, dass du endlich aufwachst. Da habe ich ihr gesagt, dass das natürlich noch etwas warten kann. Aber mal kurz neben bei. Mit wem hast du gerade gesprochen?", fragte sie. Ich schlug die Decke nach vorn, die ich gerade rüber gezogen hatte, und stand langsam auf. „Ich habe mit niemanden geredet. Ich hatte das Radio an und habe eben mal wieder mit mir selbst gesprochen.". Ich seufzte. Mal wieder die Ausredenummer mit dem Selbstreden. Aber meine Mom fragte nicht weiter und meinte, dass sie gleich ins Krankenhaus fahren würde. Ich gab ihr noch ein Kuss auf die Wange und sie ging. Ich ging zur Tür und bewegte mich in Richtung Kris' Zimmer. Kurz nachdem ich geklopft hatte, riss sie die Tür auf und zog mich hinein. „Endlich, ich dachte du würdest ewig schlafen. Jedenfalls ich muss mit dir reden. Ich kann es Mom nicht sagen, weil sie sofort ausflippt. Aber ich muss es dir sagen.". Ich sah sie erstaunt an. Jedenfalls hatte sie nicht die Absicht, meine Prellungen in Ruhe zu lassen, aber ich sagte nichts, weil sie sonst wieder böse Blicke zugeworfen hätten. Sie hielt kurz inne, bevor sie weitersprach. „Erinnerst du dich an den Tag von deinem Unfall?", fragte sie. Was für eine dumme Frage, aber ich nickte stumm. „An dem Tag bin ich doch mit einen ‚Fremden' weggefahren, oder? Also du hast mich doch gesehen?", als ich wieder nickte, atmete sie aus. „Kurz bevor du runterkamst, habe ich Henry und Luc kennenglernt.".

Ich hatte mich gerade ihren Bildern zugewandt, als sie mir das offenbarte. „Wer ist Henry?". Natürlich wusste ich wer Henry war. Aber wie sollte ich meiner kleinen Schwester erklären, dass ich Henry schon kennengelernt habe, wenn sie mir auch irgendwas verheimlicht. Henry war der Typ, der nie gesehen werden wollte, oder nur gesehen werden will, wenn er es für richtig hält. Ich drehte mich zu Kris um und sah ihr in die Augen. Sie strahlten. Ihr Braunton in ihren Augen wurde leuchtender, fast gruselig. „Henry ist der Bruder von Luc und sind Zwillinge, wie wir. Und weißt du was das das tollste ist? Die beiden sehen super zum Anbeißen aus". Sie lachte und ich guckte sie verwirrt an. Sie bekam sich aber schnell in Griff und erzählte weiter. „An dem ersten Abend hier habe ich den Müll rausgebracht. Dort traf ich auf Luc, der stillschweigend und starrend auf die Straße schaute. Als mich dann sah, hatte er mich angesprochen und so kamen wir dann ins Gespräch." Na gut. Und Henry? Was hätte es jetzt mit ihm zu tun? Zum Glück musste ich das nicht aussprechen, denn sie beantwortete mir diese Frage, als ob sie Gedanken lesen könnte. „Kurz darauf kam Henry raus und gesellte sich zu uns. Wir sprachen über meine Herkunft, über Mom und dich." Sekunde, meine Schwester redete mit einem fremden Typen über mich? Naja okay, Henry ist ja jetzt nicht fremd, aber man erzählt doch niemanden, den man erst seit 5 Minuten kennt, seine ganze Lebensgeschichte. Oder täusche ich mich? „Du hast diesem Henry alles über uns erzählt? Über Mom und mich?! Du kannst doch keinem wildfremden Typen erzählen wer wir sind?!". Langsam würde ich wütend. Das kann doch nicht ihr Ernst sein. Aber ich beruhigte mich schnell wieder. „Okay, es tut mir leid. Ich hätte dich nicht so anfahren dürfen. Aber wieso vertraust du ihm?" fragte ich sie. Ich habe Henry auch nicht sofort vertraut, obwohl er mich davor bewahrt hat, ins Wasser zu fallen.

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