1. Kapitel

38 10 50
                                    

"Hallo Schätzchen! Ich bin es nochmal. Da du mal wieder nicht zurückrufst, gehe ich jetzt einfach davon aus, dass du dein Handy ausgeschaltet hast oder gerade noch schläfst. Ruf doch bitte an, sobald du das abhörst, okay? Es ist wirklich wichtig Fallon..."

Das war nun schon das dritte Mal, dass mein Vater mir auf die Mailbox gesprochen hatte.

Nennt mich "asozial", aber ich hatte einfach keine Zeit. Die meisten werden sich jetzt vermutlich denken:

'Fallon hat so viel in der Berufsschule zu tun. Bestimmt hat sie einen Job, um sich etwas dazu zu verdienen und dann auch noch Baby zu sitten. Da ist es irgendwo verständlich, wenig Zeit zu haben. Aber das ist ihre Familie. Dafür nimmt man sich Zeit.'

Ich muss euch enttäuschen.

Viel für die Berufsschule tun?
Nein, Fehlanzeige.

Job um sich etwas dazu zu verdienen?
Nein, Fehlanzeige.

Babysitten?

NEIN! FEHLANZEIGE
und nie im Leben!!

Bei dem Gedanken an diese kleinen, schreienden und stinkenden Wesen kommt mir schon die Galle hoch.

Der wahre Grund, warum ich keine Zeit habe, sind meine Bücher.
Sie und ich. Wir können nirgendwo hingehen, bevor wir nicht fertig sind.
Es wird zwar noch sehr lange dauern, doch ich kann nicht von hier weg.

Begonnen hat es mal wieder damit, dass ich vor zwei Wochen in der Stadt war um einzukaufen.

Ich hatte mir ja fest vorgenommen, meinen Bücher Konsum endlich zu stoppen, aber dieser Vorsatz entglitt mir in dem Moment, als ich an einem Buchladen vorbeigegangen bin.

Die Betrachtung von Außen reichte aus um sofort hinein zu stürmen. Ich musste es tun. Ich musste diese vertraute, angenehme Atmosphäre einfach spüren.

Ein warmer Raum mit Teppichboden komplett voll mit Regalen, welche wiederum voller Bücher waren, wer würde da nicht schwach werden?

Es war unglaublich. Teuer. Aber ich denke nicht, dass die paar Bücher so viel ausmachen. Der einzige Nachteil war nur, dass in meinem WG-Zimmer so langsam der Platz ausging.

Um dieses Problem würde ich mich aber irgendwann einmal kümmern und nicht jetzt, denn das Buch, welches auf meinem Schoß liegt, möchte dringend gelesen werden.

"City of Bones - Chroniken der Unterwelt". Was für ein Titel, was für ein Inhalt.

Das Schöne an Büchern ist, dass man niemals weiß, welche traurigen, lustigen oder sonstigen Szenen es beinhaltet. Man ist nicht darauf vorbereitet, sondern muss es erkunden. Man muss hineingehen, als wäre es ein Raum, den man begutachtet. Die Frage ist, ob man in diesem "Raum" bleiben möchte oder nicht. 

Es gab viele Bücher, bei denen ich mehr zu große Hoffnungen gemacht habe, dass sie schön sind, welche dann aber der totale Reinfall waren. Meinem Herzen tut es jedoch zu weh, eines meiner Exemplare herzugeben, weshalb ich eben diesen Platzmangel habe.

Die Charaktere formen sich auch durch die eigene Fantasie. Der Autor lässt einen in eine neue, fantastische Welt eintauchen. Er lädt den Leser dazu ein, alles um sich herum zu vergessen.

Es ist, als hätte man einen Tunnelblick, welcher dafür sorgt, dass man nur noch an dieses wunderschöne, mit Buchstaben bedruckte Meisterwerk denken kann.

Zumindest ist das bei mir so.

Ich vergesse alles. Einmal hatte ich angefangen, "Ein ganzes halbes Jahr" von Jojo Moyes zu lesen, und ich hatte mir fest vorgenommen, nur ein paar Kapitel zu lesen. Das Ende vom Lied ist, dass ich das halbe Buch gelesen habe, ohne etwas zu merken. Es war nicht das erste Mal, und mit der Zeit wurde das alles immer anstrengender. 

BlumenmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt