"Lass uns heute zusammen ausgehen!"
Violet tuscht sich die Wimpern und dreht sich daraufhin erwartungsvoll zu mir.Etwas verwirrt schaue ich sie an und lasse mich mit der Chipstüte in der Hand aufs Sofa fallen.
"Wäre doch mega", sie grinst und nimmt sich aus ihrer Kosmetiktasche einen Lippenstift.
" Ich passe", und nehme mir eine hand-voll Chips aus der Tüte und stecke sie alle gleichzeitig in meinem Mund.
" Was machst du da?", fragt meine Mitbewohnerin mit gerunzelter Stirn und öffnet den Deckel des pinken Lippenstiftes.
Ohne irgendwie übertreiben zu wollen, aber Violet ist wirklich die einzige Person, die ich kenne, die alle Lippenstiftfarben kann.
Letzte Woche kam sie mit einem dunkelblauen Lippenstift in die Vorlesung und es sah nicht sonderlich schlimm aus. Im Gegenteil, es sah eher ästhetisch aus." Siehst du doch?", während des Redens, kann sie in meinen vollen Mund blicken.
" Du lässt dich gehen", spricht sie mit einem mürrischen Unterton und setzt sich gegenüber von mir, ein Bein über dem anderen gelegt, hin.
" Findest du ?", sage ich ironisch und wische mir die fettigen Hände an meine, seit fünf Tagen nicht gewaschenen Jogginghose ab.
" Du bist meine beste Freundin, Ava-"
Schulterzuckend schaue ich sie kopflos an.
Sie steht schlagartig von dem weißen lederüberzogenen Hocker auf und krallt sich die Chipstüte, die sich zwischen meinen Beinen befindet, welche jeweils links und rechts auf dem Couchtisch legen.Jetzt schaue ich sie völlig perplex an und muss zunächst realisieren, wie schnell sie das hinbekam.
Langsam nehme ich meine Beine von dem Tisch und lege sie behutsam auf den hässlich - karierten Teppich, den wir eigentlich schon vor einigen Monat wegschmeißen wollten, aber weder die Lust, noch die Kraft dazu hatten und immer noch nicht haben.
" Gib sie mir zurück, Violet", sage ich gelassen und lache leicht auf.
" Nein. Ich möchte nicht, dass du dich weiter so verhältst und letztendlich mit zehn Katzen unter einem Dach wohnst!"
Innerlich muss ich, aufgrund Violets Fürsorge, lächeln. Sie ist ja so mütterlich, mir gegenüber.
Aber anders kenne ich sie auch nicht. Als ich neu auf dem College war, kannte ich niemanden. Ich machte mir jedoch auch keine Mühe sozial engagiert zu sein und Kontakte zu knüpfen, weil meine Lebensstil aufgrund einiger Ereignisse, auf die ich nicht Nähe eingehen möchte, menschenfeindlich eingestellt war.Eines Tages, im laufe des zweiten Monats, setzte sich ein Mädchen neben mich. Ich sah sie verwirrt an. Nicht, weil sie plötzlich neben mir saß. Es lag daran, dass ich von ihrem Aussehen verwirrt, nein eher überrascht war. Sie sah und sieht von ihrem Klamotten her sehr zierlich aus. Trägt süße Kleider, Röcke unter denen sie oftmals blickdichte Strumpfhosen trägt, eine Brille und an jenem Tag hatte sie sogar zwei Zöpfe und einen Vollgepackten Rucksack. Doch ihre Redensart und Art sich zu schminken hatte und hat einen strengen Kontrast. Ihre Haare färbt sie sich gefühlt jede Woche neu, ihre Lippenstiftfarbe und Lidschatten sind nie abgestimmt sondern nach Lust und Laune. Ich glaube, dass Wort chaotisch beschreibt es relativ gut. Aber nicht die schlechte Seite von chaotisch. Violet sieht trotz ihrer zwei gemischten Identitäten unfassbar gut aus. Und das wirklich fast I m m e r.
" Katzen sind doch süß. Und außerdem hätte ich ja dich!", versuche ich ihr klarzustellen, doch wir beide wissen, dass es nicht stimmt.
Ich hasse Katzen, beziehungsweise sie hassen mich.
Denn als ich in die zweite Klasse kam und alle Kinder ihre Haustiere mitbringen dürften, brachten ungelogen neun Schüler unterschiedliche Katzen- und Katerarten mit. Bis dahin wollte ich schon immer eine Katze, da sie fluffig waren, faszinierende Augen besaßen und so zärtlich aussahen. Dachte ich zumindest. Als ich jedoch in die Nähe der Katzen kam, fauchten sie mich an und dann, als eine wütend auf mich sprang und meine linke Hüfte mit ihren Krallen markierte, war der Traum geplatzt." Ich werde nicht immer bei dir sein. Auch ich werde irgendwann mal heiraten und mein eigenes Leben, hinter eigenen vier Wänden, leben. Ava, bitte tu dir das selbst nicht an."
Auch das weiß ich. Sie wird ihr eigenes Leben leben und glücklich mit einem Mann an ihrer Seite werden. Sie wird eines Tages Kinder bekommen, und mich aufgrund dessen vernachlässigen. Daraufhin werden wir uns aus den Augen verlieren, den Kontakt abbrechen und getrennte Wege gehen.
Sie mit ihrer kleinen Familie und ich, naja, dass muss ich noch herausfinden." Das war ein tolles tiefgründiges Gespräch. Echt gedankenreich, wirklich! Danke dafür.
Kann ich jetzt bitte die Chipstüte zurück haben ?"Sie stöhnt auf und übergibt mir die fast leere Tüte voller Kalorien.
" Ich geh jetzt. Falls du es dir anders überlegst, komm einfach nach. Sims dir die Adresse."
So hoffnungslos habe ich sie nie gehört, geschweige denn gesehen.
Mich überkommen Schuldgefühle, doch, meiner Meinung nach, sind diese unbegründet.
Weshalb auch ?
Es ist immerhin mein Leben und somit meine Entscheidung, oder ?Sie winkt mir zu und schließt die weißlackierte Tür.
Seufzend sinke ich in das graue Ecksofa.
Gedankenverloren starre ich auf die Decke, die wie jede Wand hier, weißgestrichen ist.Violet hat recht. Ich sollte mich in den Griff bekommen. Schließlich bin ich eine frische zwanzigjährige Frau, die später nicht zurückblicken und an die vergeudete Zeit denken möchte. Denn die Zeit, in der ich mit meiner besten Freundin zusammen wohne, seit zehn Monaten auf eigenen Beinen stehe und parallel zu meinem Studium einen tollen Nebenjob besitze, sollte die beste meiner Lebenslaufbahn werden.
Somit stehe ich beschwerend auf und laufe auf den rustikalen dunkelgrauen Fußboden in Richtung Badezimmer.
* * *
Frisch geduscht und mit einem Handtuch um meine nassen Haare stehe ich vor meinem Kleiderschrank und suche etwas passendes zu anziehen. Da die Zeit davonrennt, entscheide ich mich schnell für eine schwarze Boyfriend-Jeans, einen schwarzen Kapuzenpulli und eine neuen lackschwarzen Boots.
Als ich mich in den Spiegel anschaue, muss ich lachen. Welche Farbe sonst hätte ich auch ausgewählt. Damit ich nicht all zu sehr in der Dunkelheit untergehe, ziehe ich dazu einen mintgrünen Mantel an.Nach fünfzehn Minuten schalte ich das Licht aus und will soeben die Tür öffnen, als mir einfällt, dass der Schlüssel sich noch im Zimmer befindet. Unter Zeitdruck suche ich diese und finde sie glücklicherweise direkt. Als ich mich dann wieder auf dem Weg ins Wohnzimmer machen will, fällt etwas aus meinem Bücherregal. Leicht ängstlich drehe ich mich um, aber kann nicht erkennen was es ist.
Ignorierend laufe ich weiter.Die Winterbrise lässt meine dunkelbraun gewellten kurzen Haare ins Gesicht fallen, weshalb ich sie mir jede paar Minuten hinters Ohr stecken muss, da ich kein Haargummi parat habe.
Vor der Bar checke ich noch mal nach, ob es die gleiche Adresse ist, die mir Violet simste, als ich mir die Wimpern tuschte. Nachdem sich die Adressen als identisch herausstellen, lege ich das Handy wieder in meine Tasche und atme tief aus.
" Dann mal los", somit öffne ich die schwere Tür zur Bar und hoffe auf das Beste für den heutigen Abend.
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Been waiting for a lifetime for you
RomanceObwohl es Jahre her war, hielt Ava sich an den Worten eines kleinen Jungen fest, die er ihr einst gesagt hatte. Er gab ihr diese paar Worte, aber nahm dafür ein Teil ihres früheren, kleinen Herzens mit. Ein Teil, den sie vergessen hatte überhaupt be...