He couldn't care less

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He couldn't care less

Es schien ein nie enden wollender Flug zu werden. 17 unendliche Stunden in einem Transportflugzeug mit dem Mann, der sein Leben gegeben hätte, um ihres zu rächen. Und das trotz der Strapazen, die er wegen ihr erleiden musste. Einer der Gründe, weshalb sie sich an das andere Ende der Maschine gesetzt hatte. Ein Blick zu ihrer Linken, und man konnte den Grauhaarigen und den jüngsten der Männer friedlich schlafen sehen, wenn man es denn friedlich nennen konnte. Ihren Retter bemerkte sie erst, als er vor ihr kniete und sie besorgt ansah. Ein feuchtes Tuch in der Hand, ebenso wie einige Wundsalben. Und sie blickte ihn nur stumm an, blickte in diese verdammt grünen Augen, die sie sofort in ihren Bann zogen, aus dem erst seine ruhige Stimme sie zurückholte. "Hey, ich...hab dir ein Tuch gebracht, damit du dich vielleicht ein wenig...säubern kannst, wenn du willst." Und als müsste er es ihr beweisen, hielt er das Tuch kurz hoch. Sie nickte bloß, immer noch unfähig etwas zu sagen. Hilflos stotterte der Amerikaner weiter. "Ich...las es dir mal da, für alle Fälle..." Und als er sich aufrichten wollte, um zu gehen, sagte sie zum ersten Mal etwas, seit er sie aus diesem Höllenloch befreit hatte.

"Bleib!"

Ihre Stimme war brüchig, und hörte sich dünner, verletzlicher, an, als in der Zelle, in die Saleem sie gesteckt hatte. Überrascht drehte er sich um. Aber statt mehr zu sagen, schaute sie in nur aus ihren großen braunen Augen an, die ihn förmlich anschrieen, bei ihr zu bleiben. Also hockte er sich wieder vor sie, bis sie vorsichtig nach dem Tuch griff und es ihn zurückgab.

Erst als die Worte "Hilf mir. Bitte." ihre rissigen Lippen verließ, begriff er.

Zögerlich nahm er das Tuch entgegen und begann sanft den Dreck aus ihrem Gesicht zu wischen. Ihre Augen verließen seine kein einziges Mal, während er versuchte die Erinnerungen an die vergangenen drei Monate einfach wegzuwischen, zusammen mit dem Schmutz auf ihrem Körper. Nach einiger Zeit hielt er mit der zweiten Hand ihren Kopf. Er konnte nicht verhindern, mit dem Daumen immer wieder sanft über ihre Wange zu streichen. Er bemerkte es nicht einmal. Im Gegensatz zu ihr. Aber sie sagte nichts, wehrte sich nicht. Wie sehr hatte sie seine zärtlichen Berührungen in den letzten Monaten vermisst. Wie sehr hatte sie sich die Zeit zurückgesehnt, in der sie auf der Couch saßen und Filme schauten, ein Glas Wein in der Hand und die leere Pizzaschachtel auf dem Tisch. Wieso also gegen etwas ankämpfen, dass sie so sorglos machte. Dass sie so beruhigte. Dass ihr Trost spendete. Seine Nähe hatte etwas beruhigendes, etwas beschützendes, das sie dazu veranlasste ihre Augen zu schließen. Sie spürte wie er langsam begann, ihr ihre Jacke über die Schultern zu streifen und vorsichtig ihre Arme zu säubern. Keiner der beiden machte Anstalten die Stille zu brechen. Sie merkte kaum, wie er das Tuch beiseite legte und nach der Salbe griff. Erst da öffnete sie ihre Augen langsam und blickte ihn an.

"Es könnte kalt werden."

Seine Stimme war leise und fürsorglich. Und sie wurde das Gefühl nicht los, dass er ihr in der Zelle nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte.

Sobald seine Finger ihre Haut berührten, schloss sie ihre Augen wieder, um nicht an den Schmerz zu denken, den sie kurz zuvor in seinen gesehen hatte, als er ihre Schnittwunden betrachtete. Oder an die Wut, den Hass. Viel Folter musste sie nicht über sich ergehen lassen. Es waren nur Schnittwunden oder Schläge, oder eine Zigarette, die ihre Haut verbrannte. Und auch wenn die Narben auf ihrer Haut mit der Zeit verblassen würden, so würden die seelischen Narben für immer bleiben.
Doch für den Moment konnte sie seine sanften Berührungen genießen, wie er jede Wunde zärtlich mit der Salbe einrieb. Durch das gleichmäßige Brummen der Motoren und seine beruhigenden Berührungen, wurde ihr erstmals bewusst, wie müde sie war. Und dass sie in Amerika keinen Ort zum bleiben hatte.

Und erst, als sie die fehlende Wärme seiner Finger auf ihrer Haut spürte, öffnete sie ihre Augen, nur um in ein Paar grüner zu blicken. Sie versuchte zu lächeln und ihre Lippen formten ein stummes 'Danke'. Auch er versuchte ein Lächeln. Der Versuch scheiterte kläglich. Vorsichtig wollte er seine Hand auf ihren Oberschenkel legen, um ihr ein wenig Trost zu spenden, stoppte aber mitten in der Bewegung und sah sie fragend an. "Bist du...ich meine, haben sie-". Er brach ab. Er konnte es nicht sagen. Der Gedanke daran ließ ihn innerlich zerbrechen. Sie schüttelte nur den Kopf und ihre Augen sagten ihm, dass es die Wahrheit war. Doch statt seine Bewegung fortzusetzen, stand er auf und zog sie an sich. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, die von Staub und Blut ganz schmutzig waren. Aber das interessierte ihn nicht, er wollte seine Tränen verbergen. Seine Freude, sie noch am Leben zu wissen. Seine Wut, sie dort hineingebracht zu haben. Seinen Hass, auf diejenigen, die ihr das angetan hatten.
Sie war überrascht. Und zuckte zuerst zurück, bis sie sich an seine Umarmung gewohnt hatte. Vorsichtig lehnte sie ihren Kopf gegen seinen und krallte sich halt suchen an seinem halb offenem Hemd fest. Vielleicht war das alles nur ein Albtraum, und sie würde in seinem Armen in ihrem Bett liegen wenn sie aufwachte. Und deswegen fühlte er sich so echt an. Doch die Tränen, die sein dreckiges Hemd aufsogen, und seine Tränen, die sie auf ihrer nackten Haut spüren konnte, sagten ihr, dass es kein Traum war. Dass es echt war.

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