-Lichter und Farben-

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Für Kinder sehen die Dinge meistens größer aus als sie eigentlich sind. Ein Baum. Ein Haus. Eine Stadt. Die kleine Körpergröße in Verbindung mit dem großen Einfallsreichtum lässt jeden Raum wie eine eigene Welt vorkommen, auch wenn der Raum in Wirklichkeit nur 4 Quadratmeter groß ist. Für ein Kind fühlt sich eine Woche wie eine Ewigkeit an. Das Gefühl für Zeit und Raum breitet sich mit unserem Alter aus. Manche würden 102.301 Jahre als eine verdammt lange Zeit abstempeln, aber 102.301 Jahre waren für einen Dämon sehr kurz. 102.301 Jahre würde man in einer Menschen-Skala als 5 Jahre bezeichnen.

Der, gerade mal 102.301 Jahre alte, junge Dämon lief barfuß und schrill lachend durch die Flure des (nach seiner Meinung nach) unendlich großen Anwesendes. Sein Lavendel farbenes Haar wippte dabei auf und ab während er sang:

"If you see crows you count:

One for sorrow,

Two for joy

Three for a girl

Four for a boy"

Es war ein Reim den eines der Dienstmädchen in einem Buch, aus der großen Bibliothek gefunden hatte. Tad liebte es wenn die Dienstmädchen ihm vorlasen. Seine Mutter tat es zwar immer noch oft, aber hin und wieder gab es Nächte in denen er stundenlang wach lag und auf sie wartete, ihm was zum einschlafen vorzulesen. Und sein Vater.... naja. Er war nie ein sonderlich liebevoller Vater.

Also hopste er weiterhin durch die Gänge, auf der Suche nach etwas Neuem. Etwas aufregendem.

"...Five for silver.

Six for gold.

Seven for a secret never to be told.

Eight for a wish,

Nine for a kiss,

Ten for a bird you must not miss."

Und dann wieder von vorne.

"If you see crows then you count:

One for sorrow.

Two for Joy.

Three for a girl

Four for a..."

Er stockte... eine große Tür sah ihm entgegen. Natürlich waren große Türen in seiner kleinen großen Welt nichts ungewöhnliches. Er war gerade an mindestens 20 von ihnen vorbei gehopst. Aber die hier war anders als die anderen. Die Tür bestand aus zwei Türenteilen und war angefertigt aus dunkelrotem Holz. Sie hatten jeweils beide das Familien Emblem und waren Kunstvoll verziert. Doch eigentlich bedeutender für den kleinen Dämon war, dass es sich hierbei um die Eingangstür handelte und sie stand offen. Ein dünner Strahl aus blendendem Licht drang ins Foyer und ließ seine Neugier nur noch mehr wachsen. Tad war noch nie draußen gewesen, man erlaubte es ihm nicht. Er durfte nicht mal zu lange aus dem Fenster gucken, wenn er mal dazu kam. Aber das machte die ganze Frage was draußen war, nur noch unaushaltbarer.

Das letzte mal als er aus einem Fenster sah, war der Himmel dunkel Magenta und kleine goldene Lichter flogen in ihm herum. Tad war begeistert gewesen. Etwas so schönes hatte er noch nie gesehen, so viele, starke und grelle Farben... Er war sich sicher: er musste es wieder sehen.

Mit Sicherheit hast du als Kind schon mal eine Regel gebrochen, sei es mit oder ohne das Wissen, dass du sie gerade brichst. Wenn du es mit dem Wissen, dass du sie brichst, tatest, dann wüsstest du, dass du gerade etwas schlimmes machst, aber das blendest du mit den Worten "Niemand wird es je erfahren." Oder "was soll schon schlimmes passieren?" Aus. Das tragische bei Regeln ist jedoch, dass ihr Interesse darin liegt uns zu beschützen. Nun die Neugier eines Kindes war in einem Kind wie Tad, dass seit seinem 102.301 Lebensjahr noch nie wirklich draußen war, fast so groß wie die Sicht auch das scheinbar unendliche Haus. Neugier war gut, sie hielt einen am laufen. Kinder mussten Neugierig sein, sonst wäre ihr Lernprozess um einiges langsamer. Jedoch kennen wir alle das Sprichwort mit der Katze, und wie auf Sanftpfoten Schlich Tad auf die offene Tür zu.

The Tragedy of Tad CipherWhere stories live. Discover now