Teil 1

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Sicht Leyla:
Gerade betrete ich das JTK, als mir Herr Berger über den Weg läuft und mir amüsiert berichtet, wie er es geschafft hat, Matteo dazu zu bringen, an einer Weiterbildung einen Vortrag zu halten. Ich lache fröhlich, bei dieser Vorstellung, nichts ahnend, dass im nächsten Moment meine ganze Welt Kopf stehen wird und ich für eine ganze Weile nichts mehr zu Lachen haben werde. Das Unheil beginnt damit, dass Prof Patzelt mit ernstem Gesicht auf uns zukommt und mich fragt, ob ich gleich für eine Anästhesie zur Verfügung stehe, es handle sich um einen schweren Autounfall. „Klar!" ,antworte ich unbeschwert, warum sollte ich das auch nicht tun, ist ja mein Job. Doch dann, sieht sie mir erstaunlich ernst in die Augen und vermittelt mir eindringlich und gleichzeitig mit traurigem Blick: „Dr. Sherbaz, es handelt sich um Dr. Ahrend, er ist der Schwerverletzte! Schaffen sie das?" Wie betäubt stehe ich da, unfähig, auch nur ein Wort, über meine Lippen zu bringen. Mit dieser Ankündigung meiner Chefin, wird mir unwillkürlich der Boden unter den Füßen weggerissen. Nein! Das darf nicht wahr sein! Nicht mein Niklas, mein bester Freund! „Dr. Sherbaz, schaffen sie das? Ich muss das jetzt verbindlich wissen!" ,dringen die Worte von Prof. Patzelt wie durch dicke Watte zu mir durch. Ich versuche mich so gut es geht zu fassen. Ich muss jetzt stark bleiben für Niklas. Er braucht mich jetzt im OP. Ich werde meine Verantwortung wahrnehmen und dort um ihn kämpfen. „Dr. Sherbaz, schaffen sie das?" ,wiederholt Prof. Pazelt noch einmal. „Ja!" ,bestätige ich leicht zittrig. „Ich mache mich bereit!" Und schon verschwinde ich in Richtung OP. Kopfschüttelnd blickt sie mir nach, wahrscheinlich in der Angst, dass ich auch ja nicht schlapp machen werde.
Einige Minuten später, stehe ich umgezogen im Vorraum des OP's und warte darauf, dass Niklas hereingeschoben wird. Ich fürchte mich vor dem Moment, wenn ich ihn gleich sehen werde. Wie schlimm, mag es ihn erwischt haben? Muss er wohl sehr starke Schmerzen erleiden? Angespannt überprüfe ich zum zwanzigsten Mal, ob ich auch ja gut genug vorbereitet bin.
Plötzlich höre ich, Stimmen näher kommen und schon wird mein bester Freund, von Ben und zwei Pflegern hinein gebracht. Sein Anblick zerreist mir fast das Herz und wenn ich in Ben's Augen blicke, erkenne ich darin, dass es nicht gut um Niklas bestellt ist. Mit zusammen gebissenen Zähnen, verlangt er das Telefon, um mit seinem Sohn sprechen zu können. Diesem Wunsch kommt Ben widerwillig nach. Es schmerzt mich zutiefst, dieses Gespräch mit dem kleinen Max, mit anzuhören. Niklas kämpft so sehr darum stark zu bleiben und positiv gegenüber dem Kleinen zu wirken, obwohl er selbst große Angst hat, vor dem was nun folgen wird. Wir müssen jetzt alles geben und um ihn kämpfen, der kleine Kerl hat doch seinen Papa noch so bitter nötig, gar nicht zu erwähnen, wie sehr wir ihn hier alle noch brauchen. Bevor ich meinen Freund unter Narkose setzte, streichle ich seine Hand und blicke in seine vor Angst und Schmerz geweiteten Augen. Während ich ihm verspreche, die ganze Zeit bei ihm zu sein, muss ich mich extrem zusammenreissen, dass ich nicht gleich losheule, weil ich es fast nicht ertragen kann, ihn so zu sehen. Vorsichtig, um seine Wunde im Gesicht nicht zu berühren, lege ich, meinem besten Freund, die Maske über Nase und Mund und lasse ihn dann sanft ins Land der Träume eintauchen.
Liebevoll streichle ich über seine Wange und hoffe, dass wir ihn zusammenflicken und wieder lebend aus dem OP bringen werden. Die Operation ist der blanke Horror für mich. Ich stehe da, überwache seine Vitalfunktionen und kann gar nicht anders, als immer wieder über seine Wangen zu streicheln. Dann geschieht es, sein Herz macht schlapp, beginnt zu flimmern und wir müssen defibrilieren. Dies tun wir wieder und wieder, aber Niklas Herzschlag will sich einfach nicht normalisieren. Wie in Trace stehe ich daneben und ängstige mich zu Tode, dass es gleich aus sein könnte und er das hier nicht überleben wird. Es fühlt sich alles so komisch und surreal an, denn solche extremen Verlustängste, habe ich in meinem ganzen Leben noch nie ausgestanden. Schlussendlich schaffen wir es und bringen sein Herz dazu, wieder im Sinusrhythmus zu schlagen. Auch wenn es extrem knapp war, er lebt und wir haben seinen Arm nicht amputieren müssen. Die Wirbelsäulenverletzung bereitet mir zwar noch immer große Sorgen, aber ich habe jetzt anderes zu tun, als mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich leite die Narkose aus und Niklas erwacht langssm wieder. Trotz der ernsten Situation, zuaubert er mir ein Lächeln auf die Lippen, als er von den Nachwirkungen der Narkose, wie ein betrunkener wirres Zeug brabbelt. Er ist einfach zu süß, in diesem Zustand. Ich ertappe mich dabei, seine Hand haltend, ihn einfach nur anzustarren und den Moment zu geniessen. Schnell mache ich weiter, in der Hoffnung, dass mich so niemand gesehen und meine wahren Gefühle für diesen Mann erkannt hat.

Umweg ins GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt