Kapitel 2

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Unsere Handys waren uns vor der Fahrt von den Lehrern abgenommen worden, da sie, wie Mister Jenson gefühlt tausend Mal betonte, “keinen pädagogischen Wert“ hätten. Zwar besaß die Herberge ein Telefon, jedoch funktionierte dies nur noch mäßig und so musste man in den Hörer schreien, damit der andere einen überhaupt verstand. Da ich dies bei meinem Anliegen nun wirklich nicht konnte, musste ich wohl oder übel hoffen, dass die Koffer in den nächsten Tagen wieder auftauchten und konnte Grandpa nicht um Hilfe bitten. Die Klassenfahrt war genau so, wie ich sie mir vorgestellt hatte: langweilig und öde. Bereits nach zwei Tagen, in denen wir lediglich wandern waren und halb verbranntes Stockbrot aßen, sehnte ich mich nach dem Ende der Zeit dort. Die heruntergekommene Jugendherberge, in der wir abgestiegen waren, war schrecklich ungemütlich. Ihre Flure erinnerten eher an ein Gefängnis, als einen Ort, an dem Kinder und Teenager unterkamen und Spaß haben sollten und die Zimmer, mit ihren Gitter-Hochbetten und den kalten, weißen Wänden ebenfalls. Es war der vierte Tag, unsere Koffer schienen noch immer wie vom Erdboden verschluckt, als ich mich langsam zu verändern begann. Die Stimmung meiner Klassenkameraden war ziemlich bescheiden, weil die Herberge mittlerweile ekelerregend stank, da viele von uns seit Tagen in den selben Klamotten herum liefen. Doch ich hatte noch ein weiteres Problem: ich hatte Durst. Durst auf Blut. Meine beiden Zimmergenossinnen, Nadja und Tara, die auch gleichzeitig meine einzigen richtigen Freundinnen waren, gingen zunehmend auf Abstand von mir, da man quasi im Stundentakt zusehen konnte, wie ich mürrischer und aggressiver wurde. Auch körperlich wurde ich immer schwächer. Die beiden darauffolgenden Tage meldete ich mich bei den Lehrern krank und verbrachte die Zeit, in eine Decke gekuschelt, im Bett. Es fiel mir immer schwerer dem Blutdurst nicht einfach nachzugeben, doch die Angst, jemanden zu verletzen, oder gar zu töten, war zu groß. Und so sah ich zu, wie mein Körper immer weiter versagte. Der letzte Abend vor der Heimfahrt stand an und jegliche Spur der Koffer fehlte. Meine Freundinnen machten sich für die bevorstehende Abschlussdisco schick, während ich weiterhin die Stunden, im Bett, tot schlug. “Sicher, dass du nicht mit willst?“, fragte Tara, während sie sich ihre Wimpern tuschte und mich durch den Spiegel betrachtete. “Hast du sie dir mal angesehen?“, wandte Nadja ein, setze sich besorgt an mein Bett und fügte dann, an mich gewandt, hinzu “gute Besserung. Wir sind dann jetzt weg, bis später.“ Ich zwang mich zu einem knappen lächeln und schaute den beiden nach, als sie das Zimmer verließen. Die Tür fiel ins Schloss und einige Minuten darauf erklang gedämpfte Musik von unten. Mein Blick wanderte aus dem Fenster, über die Baumwipfel des nahegelegenen Waldes, die im Mondschein gespenstisch schimmerten. Alle waren auf der Party, niemand würde bemerken, wenn ich gehen würde. Ich musste es tun, wenn ich nicht in Versuchung geraten wollte, einen meiner Mitschüler zu zerfleischen. Ich zog mir also Jacke und Schuhe an und lief schnellen Schrittes aus der Tür und die Treppe hinunter. Die Tür zum Partykeller stand offen und lautes Gelächter, begleitet von dumpfen Bässen drang zu mir hinauf. Ich ignorierte den Drang danach, zu ihnen zu gehen und steuerte Zielsicher die große Glastür an, die nach draußen führte. Mit einem Ruck zog ich sie auf und trat hinaus. Kühle Nachtluft umhüllte mich und ich begann ein wenig zu frösteln. Schnell zog ich mir meine Kapuze tiefer ins Gesicht. Nur noch wenige Meter waren es bis zum Waldrand, bis ich endlich den unersättlichen Durst löschen konnte, der sich über die Tage in mir angesammelt hatte. “Kathy?“, ertönte plötzlich eine vertraute Stimme hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum. Calvin stand in einiger Entfernung von mir, vor der Herberge. “Wo warst du denn die letzten Tage? Anscheinend geht's dir ja gut und du bist gar nicht krank.“, stellte er spöttisch fest und trat einen Schritt näher. “Hau ab, Cal!“, zischte ich. Der Junge verschränkte protestierend die Arme vor der Brust “Was willst du hier draußen so ganz alleine?“, fragte er neugierig und kam weiter auf mich zu. “Kann ich dich genauso gut fragen“, knurrte ich und funkelte ihn genervt an. Ich wusste genau, was er wollte. Calvin war einer dieser Jungs, um den man als Mädchen besser einen großen Bogen machen sollte. Er war dafür bekannt, bereits die halbe Schule im Bett gehabt zu haben und dafür, dass er jedes Mädchen rum bekam, wenn er es denn wirklich wollte. “Lass mich in Ruhe, du weißt genau, dass das bei mir nicht klappt!“ Er grinste nur und trat nun direkt vor mich. “Ich kriege immer, was ich will“, flüsterte er und legte eine Hand an meine Wange. Ehe er etwas weiteres tun konnte, schlug ich seine Hand weg und wich zurück. Ich spürte, wie Wut in mir hoch kochte. Der Junge machte keine Anstalten zu gehen, im Gegenteil, er griff meine Schultern und drückte mich mit dem Rücken gegen einen Baum. “Lass mich in Ruhe!“, zischte ich wieder, doch sein Grinsen wurde nur noch breiter und bösartiger. Im nächsten Moment verlor ich entgültig die Kontrolle...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 19, 2018 ⏰

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