zweitens

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"Gaaaaalee", sie dehnte seinen Namen aus wie einen zähen Kaugummi in ihrem Mund und kicherte vergnügt. Sie war sturzbetrunken. In ihrem Mundwinkel hing eine Zigarette und sie inhalierte jeden Zug genießerisch, um ihn dann in die Luft zu pusten und den Rauchwölkchen beim Emporsteigen zuzusehen.

Mit großen Augen blickte sie ihn an: "Gale, holst du mir noch 'was zu trinkeeeen?" Natürlich schlug er ihr diesen Wunsch nicht ab, ihr flehentlicher Tonfall genügte, dass er tat, wie ihm befohlen. Seufzend erhob er sich und begab sich auf die Suche nach einer unberührten Bierflasche. Schließlich wurde er in der Küche fündig und füllte den Inhalt in einen roten Plastikbecher um.

Als er den verqualmten Raum wieder betrat, fand er sie, während sie sich mit einer Freundin unterhielt und im Takt der Musik mit den Zehen wippte. Er reichte ihr das Getränk und lächelte, als sie gierig die Hand danach ausstreckte.

Gale fand sie höchst amüsant, wenn sie betrunken war, und er beugte sich zu ihr hinunter und schrie ihr, um die dröhnende Musik zu übertönen, irgendwo in den Nacken. "Willst du dich nicht dafür bedanken?" Das war gerade für seine Verhältnisse eine besonders mutige Frage, doch der Alkohol und auch die ausgelassene Atmosphäre ließen ihn seine Zweifel vergessen.

Überrascht blickte sie ihn an und schien allmählich zu begreifen und nickte eifrig. "Stimmt, stimmt, natürlich bedanke ich mich", lächelte sie und zog an seinem T-Shirt, was ihm signalisierte, dass er sich wieder setzen sollte.

Und scheiße, sie war so heiß, wenn kleine Schweißperlen ihre Stirn bedeckten und ihre Lippen feucht und plump und ihre Haare zerzaust waren. Unbeholfen legte sie ihre Arme um seinen Torso und ihren Kopf auf seiner Schulter ab. Plötzlich wirkte sie wie ein kleines Kind und er strich ihr, in einem erneuten Anfall neu gefassten Mutes, über das weiche Haar, das sich an den Enden um seine Fingerspitzen lockte.

Diese Geste riss sie offenbar aus ihrer zuvorigen Benommenheit und einige Sekunden verstrichen, ehe sie sich wieder orientiert hatte. "Ich wollte mich noch bedanken", kicherte sie, "Das hab' ich ja total vergessen." Mit diesen Worten schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, woraufhin sie nur noch stärker lachen musste. Ihr hübsches Gesicht war seinem ganz nah und so wurde er Zeuge, wie ihre rosa Zungenspitze ihre Unterlippe befeuchtete. Mittlerweile kostete es ihn jede Faser Anstand in seinem Körper, dass er nicht über sie herfiel und sie einfach mitten auf den Mund küsste.

Da kam sie ihm ohnehin zuvor. "Du bist mein bester Freund, Gale", nuschelte sie und brach auf diese Art sein Herz, ohne es überhaupt zu registrieren. Sie bemerkte es noch nicht einmal.

Er spürte ihren heißen, klebrigen Atem auf seiner Haut, bevor sie sich noch einen Zentimeter nach vorne lehnte und ihre Lippen aufeinander trafen.

In ihrem Zustand waren die Küsse nicht sonderlich koordiniert, aber sie fühlten sich verboten gut und schmutzig an.

Gales Augen fielen zu und sein Körper quoll vor Liebe zu ihr und Sehnsucht beinahe über, er bebte und zitterte und schon hatten seine Hände ihre Weg zu ihrer Taille gefunden, wo sie die weiche Haut liebkosten.

Schlagartig ließ sie von ihm ab, setzte sich aufrecht hin und fuhr sich verdattert durchs Haar, als wüsste sie überhaupt nicht, was geschehen war. Mit geweiteten Augen sah sie sich panisch um, stellte jedoch fest, dass niemand Notiz von den beiden genommen hatte, das alle damit beschäftigt waren, ein albernes Trinkspiel zu spielen.

Daraufhin stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus und klopfte suchend die Polster ab, auf denen sie zusammengekauert hockte und hielt schließlich ein Zigarettenpäckchen in der Hand. Schnell war eine angezündet und sie hob fragend eine Augenbraue, als wollte sie wissen, ob er auch eine wolle.

Dankend nahm er das Angebot an und sog den giftigen Rauch ein, der seine Enttäuschung über ihr Verhalten bestens betäubte. Sie jetzt anzusehen bedeutete Höllenqualen. Er liebte sie, jede Zelle seines Körpers sehnte sich nach ihr, und sie war in dieser Hinsicht achtlos und blind, sie bemerkte noch nicht einmal, wie sehr er sie wollte.

"Ach, Gale", murmelte sie und die Zigarette, die zwischen Daumen und Zeigefinger klemmte, glomm auf, während sie einen tiefen Zug nahm. Sie bettete ihren Kopf auf seinem Schoß und blinzelte nach oben, direkt in sein Gesicht.

"Ach, Gale", wiederholte sie und rümpfte die Nase, wie sie es immer tat, wenn sie in Gedanken versunken war. Wie so häufig ließ sie ihn völlig im Dunkeln darüber, wie das nun zu verstehen war. Wieder führte er die Zigarette an seine Lippen, genoss den letzten Zug, als würde er niemals wieder einen nehmen, und als er den Rauch zwischen den Zähnen ausstieß und den kunstvollen Rauchkringeln hinterherstarrte, hauchte er es: "Ich liebe dich."

Sie runzelte die Stirn. Gale ließ sich nichts anmerken. Womöglich hatte er nur ausgeatmet.

acht wege, ich liebe dich zu sagenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt