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"Hey Mom"
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Ein ganz leichtes Lächeln schlich sich über meine Lippen und ich holte tief Luft, doch vergrub meinen Kopf dann in Tae's Schulter.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll", lachte ich verzweifelt und spürte, wie er seine Hand an meinen Nacken legte.
"Sag einfach das, was du sagen willst", meinte er und ich sah zu ihm auf.

Er nickte mir zu und ich zog erneut die Luft ein, ehe ich mich dann zu dem Grab drehte und den eingemeißelten Namen meiner Mutter betrachtete.

"Also... Das ist Tae, wie du sicher schon weißt..", fing ich dann an und biss mir auf die Lippe.
Ich würde normalerweise hier wie ein Wasserfall meine ganzen Gedanken ausplappern, aber Taehyung wird sich auch seinen Teil denken, wenn ich mit Gräbern rede.

Obwohl... auf der anderen Seite war er mein fester Freund, fast auch wortwörtlich mein Bruder und er liebte mich wie keinen anderen.
Ich sollte mich nicht so vor ihm schämen oder mich unwohl fühlen, also fing ich dann wirklich an, einfach zu reden.

"Ich habe Angst", seufzte ich und drängte mich mehr an Tae. Aus meinem Augenwinkel erkannte ich, wie er mich verwundert musterte, doch ich sprach weiter.

"Ich liebe diesen Jungen hier aber ich weiß nicht, wie es in Seoul weitergehen soll. Seine Mutter ist mit Papa zusammen und wie sind somit Stiefgeschwister. Stiefbrüder, die sich einander lieben. Ich habe Angst davor, es Eunji und Dad zu sagen. Vorallem weiß Dad ja nicht mal, dass ich mich zu Männern hingezogen fühle. Ich hab es ja auch erst vor Kurzem bemerkt... Ich habe vor seiner Reaktion Angst. Vor der Reaktion von Tae's Familie und von meiner. Werden sie es akzeptieren? Mom, du weißt, dass allgemein Homosexualität in Korea nicht so gerne gesehen wird und dann sind wir auch noch Stiefbrüder... Ich hab so Angst, dass sie mich und Tae auseinanderreißen wollen, mich wieder zurück nach Busan stecken, weit weg von demjenigen, den ich über alles liebe. Ich weiß ja nicht mal, was du von dieser ganzen Sache hälst. Vielleicht findest du es schrecklich, dass ich nun mit einem Jungen zusammen bin und gleichzeitig mit meinem Stiefbruder... aber vielleicht freust du dich für mich. Verdammt, ich wünschte, du könntest es mir sagen und mir... mir helfen... uns helfen".

Zum Schluss brach meine Stimme und ich konnte nicht anders, als mich in die Arme von Taehyung zu werfen.

"Jungkook..", hauchte er nur und als meine Wange an seiner lag, spürte ich die Tränen von ihm.

"Ich hab wirklich Angst!", rief ich und drückte mich näher, was er mir gleichtat.
"Ich auch... Ich hab auch Angst", entgegnete er und ich schluchzte auf.

Doch aufeinmal ließ Chopa ein lautes Bellen aus sich, was uns beide zum Aufzucken brachte und wir zu dem Hund sahen.

Er bellte das Grab an.

"Chopa?", kam fast tonlos aus mir und er wollte garnicht mehr aufhören.
Er wedelte mit dem Schwanz, war total aufgeregt und seine Augen funkelten gerade zu.

"Was zum..?", fragte Taehyung nur und plötzlich wirbelten die paar zerfetzten, abgefallenen Blätter, die noch vom vergangenen Herbst am Boden lagen, um unsere Füße.

Ich sah zu Taehyung, dessen Haare im Wind wehten und mich auch nur mit weiten Augen musterte.

Es war keinesfalls ein kalter Wind.
Dieser war angenehm warm und brachte seltsame Gefühle in mir hervor.

Vermutlich war ich in diesem Moment meiner Mutter näher, als ich eigentlich glaubte.

brothers  ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt