Kapitel 2

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Auf dem Weg zum Bus bemerke ich, dass ich mir dringend eine Jacke hätte anziehen sollen, das ist jetzt, wo der Bus in 7 Minuten kommt, wohl zu spät. Obwohl wir April haben, ist das Wetter fraglich für den Frühling. Aus meinem Fenster heraus sah es so schön warm aus: Sonne und strahlend blauer Himmel. Und dann, draußen: kalte 10 Grad. Danke England für diese gar warmen Temperaturen! Wenigstens kann ich die Schuld dafür, wenn ich mir eine Erkältung hole, auf meinen noch immer präsenten Restalkohol im Blut schieben. Denn wenn er nicht da wäre, hätte ich nicht so getrödelt und hätte noch Zeit gehabt, aufs Thermometer zu schauen, bevor ich in Eile aus dem Haus sprinte. Klar bin ich Schuld, das er überhaupt in meinen Körper kam, aber es fühlt sich gleich viel besser an, die Schuld auf die verlockend süßen Cocktails von gestern Nacht zu schieben. Meine Mutter wird also begeistert sein, wenn ich nachher nur mit dünnem Sweater aus der Schule komme. Sie denkt ja eh schon, dass ich krank werde, wegen meiner morgendlichen Kotzorgie. Dann hat Jason schon wieder einen Grund, mich aufzuziehen. Immerhin sehe ich ganz ansehnlich aus. Eine Freundin, Jenny, hat mir letzte Woche einen Tipp gegeben, was das äußere Verstecken eines Katers anbelangt: Haare offen, viel Abdeckstift, in die Wangen kneifen für mehr Farbe und in jedem Fall keine Sonnenbrille, denn jeder weiß: wer mit einer verdunkelten Brille der einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze in die Schule kommt ist Hacke dicht. Und so bin ich nun an der Haltestelle. Inmitten kleiner Unterstufenkinder und anderen aus meiner Stufe. Meine Freundin Lizzie hält mir im Bus immer einen Platz frei, da man sonst nicht die geringste Chance hat, zu sitzen. Und das ist echt doof, wenn man eh schon so gereizt ist. Da habe ich keinen Bock, noch von kleinen Kindern herumgeschubst zu werden.

„Hey, wer kommt denn da angetorkelt? Wenn das mal nicht das Geburtstagskind ist", begrüßt sie mich im Bus schmunzelnd, umarmt mich schnell und zieht ihre Tasche von dem freien Sitz. Das ist typisch Lizzie. Ihr fällt alles auf, egal wie sehr man sich bemüht. „Haha, witzig, danke. Woran hast du es diesmal erkannt?", frage ich missmutig und schwinge mich auf den freien Platz. „Äh, was ist das denn für eine dumme Frage? Wir haben gestern zusammen gesoffen, weißt du das etwa nicht mehr? Wir haben mit dem Barkeeper geflirtet, sag bloß, du hast diesen Typen vergessen?" Ah stimmt. Da klingelt was. „Ach ja, ne natürlich nicht. Wie hieß der noch gleich – Stephan...Mike?", hake ich nach. Langsam streiche ich mir über die Stirn und seufze. „Junge, was hast du denn gestern alles inhaliert? Du bist ja voll wie ein Fass", kichert sie und reicht mir ihre Flasche Wasser. Genüsslich lasse ich die kühle Flüssigkeit meinen Rachen herunterlaufen. Das kalte Wasser belebt mich ein kleines bisschen. „Zu viel, schätze ich. Und du? Warum bist, äh wirkst du so nüchtern?", murmele ich zwischen zwei Schlucken. „Weniger als du, das steht fest. Irgendwann habe ich den Osborne aus der Cola rausgelassen, du hingegen...", zieht sie mich auf. „Du bist mir ja eine tolle Freundin, wie kannst du mich nur so hintergehen?", tadele ich sie mit gespielter Verletzung in der Stimme. Lachend schüttelt sie den Kopf: „Wann warst du denn zuhause? Wir sind doch um kurz nach Mitternacht gegangen" „Um halb 2, wie du. Konnte aber erst null einschlafen, da ich noch so aufgewühlt war. Und als ich dann eingeschlafen bin, hatte ich wieder so einen komischen Traum. Bin tausendmal aufgewacht, dann wieder eingeschlafen und wieder dieser Traum", antworte ich und lehne mich gegen die Sitzlehne. „Dieser, wo du denkst, jemand saugt dir was aus dem Kopf?" „Super Beschreibung Lizzie. Ja, diese Träume", entgegne ich widerwillig. Lizzie lässt eh nicht locker. „Hast du dieses Mal mehr gesehen?", kichert sie und blickt von ihrem Smartphone hoch, mit den Augenbrauen wackelnd. „Machst du dich über mich lustig?", stoße ich empört hervor. „Würde ich doch nie" Haha. Witzig. Dabei sind diese Träume alles andere als witzig. Aber langsam ich auch, dass ich verrückt werde.

Den Rest der Fahrt schweigen wir. Untypisch, sehr untypisch sogar. Normalerweise brabbeln wir so viel mit einander, das gewisse Leute im Bus sogar schon genervt von uns sind. Wir haben nämlich wirklich keine Hemmungen, was Gesprächsthemen in der Öffentlichkeit angeht. Von Schule und privaten Problemen bis hin zu unserer Periode und unserem nicht vorhandenen Sexleben. Aber heute ist irgendwie der Wurm drin, liegt vermutlich auch an unserem körperlichen Zustand. Denn meine beste Freundin ist zwar nicht so down wir ich, aber in keinem Fall nüchtern. Das dürfte heute keiner meiner Freunde sein. Außer Abby. Abby trinkt nicht. Nicht mehr, seitdem sie an einer Strand Party jemanden ins Gesicht gekotzt hat. Das war ihr so peinlich, das sie nun vollkommen die Finger vom Alkohol lässt. Ich habe zwar auch schon diverse Leute beschmutzt aber Gesicht ist schon hart. Naja, wie auch immer: ungewöhnliches Schweigen halt.

Das hat jetzt aber ein Ende, denn plötzlich quiekt Lizzie wie in einen Topf voller Glitzer gefallen auf: „Oh mein Gott, Natie! Du glaubst nicht, was gerade auf Facebook verkündet wurde!" Verwirrt sehe ich sie an. „Erstens: eine Spur leiser bitte", kichere ich – Wow, ein kichern. Anscheinend geht es mir ein wenig besser. „und zweitens: da du es mir eh gleich sagen wirst: hau raus" „Okay, also hör zu: es gab doch die letzten Wochen so ein paar kuriose Gerüchte, dass diesen Samstag bei den alten Lagerhallen eine Party stattfinden soll, das haben wir doch alle nicht geglaubt, da die Lagerhallen einsturzgefährdet sein sollen und so weiter, aber ein paar junge Erwachsene, die sich mit alten Gebäuden angeblich auskennen, haben tatsächlich die Genehmigung von der Stadt bekommen, da was zu veranstalten!", plappert sie darauf los, ich selbst höre aber nur mit einem Ohr zu. „Hm" murmle ich ziemlich desinteressiert. „Hallo? Wer bist du und was hast du mit meiner besten Freundin gemacht? Da gehen wir doch wohl hin, oder?", hakt sie zielstrebig nach. Sie wird nicht locker lassen. Nicht, bis ich einwillige. „Klar" „Klar? Ey hallo, das wird ein MEGA Event! Zeig wenigstens ein bisschen Enthusiasmus, Miesepeter. Es ist dein Geburtstag das ist doch wie ein Geschenk!", erwidert sie und knufft mir in die Seite. „Jaha. Bin einfach nicht so gut drauf heute", rechtfertige ich mich. Augenrollend, lehnt sie sich wieder auf ihre Hälfte des Zweisitzers. Der Rest der Fahrt zieht sich unendlich lange hin. Warum auch nicht. So habe ich wenigstens genug Zeit über meinen verkorksten Morgen nachzudenken. Und über den Traum. So einen Traum hab ich bereits ungefähr 4 Mal gehabt. Das ich denke, mir schneidet jemand in meinem Gedächtnis herum. Dieses Gefühl kommt mir mittlerweile sogar schon bekannt vor. Ich hatte schon mal überlegt, ob ich mal zu einem Traumdeuter hingehen sollte. Aber dann denke ich mir jedes Mal, mit der bereits gewählten Hotline: Nein, so wichtig ist das jetzt auch wieder nicht. Lizzie denkt, es sind Andeutungen darauf, dass ich zu viel Psychofilme schaue. Ich denke eher, mein Kopf spielt mir einen gewaltigen Streich.

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⏰ Last updated: Mar 20, 2018 ⏰

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Krieg der GedankenWhere stories live. Discover now