Mit dem Problem selbst helfen

47 3 1
                                    

Alles ist anders.

Die Städte, die Menschen, die Bäume, die Sprache, die Tiere, die Manieren, ja sogar die Art zu Essen.

Belay sieht sich um.
Große schwere Betonklötze ragen in den Himmel, sodass sie die Wolken berühren. Bunte Autos in hundertfach größerer Anzahl als bei ihm Zuhause fahren auf steinharten Wegen.

Einsame Bäume müssen den Dreck und die schlechte Luft, die einem den Atem nimmt, ertragen.
Nirgendwo ein Tier. Kein Vogelgesang aus den Wipfeln der kaalen Bäume, die die Straße säumen.

Belay ist erschüttert. So viele neue Dinge gibt es hier zu sehen, doch nichts gefällt ihm.

Mit sehnsüchtigem Blick verfolgt er das Straßenchaos.
Wie gern würde er jetzt bei seiner Familie in Ruanda in Afrika sein und einfach nur seine Schafe hüten, anstatt hier als Straßenarbeiter Geld für seine Familie zu verdienen.

Seine Mitarbeiter rufen ihm irgendetwas zu. Er versteht die fremde Sprache noch nicht, obwohl er sich Mühe gibt irgendwas herauszuhören.
Doch die hiesige Sprache unterscheidet sich komplett von der seinigen. Eines jedoch hört er immer wieder aus dem Gemurmel der Leute heraus und eines Tages hat er es begriffen: "Geld." Immer nur Geld.

"Wie ungerecht!", denkt er sich, während er Müll vom Boden mit einer Zange aufklaubt und in seinen fahrbaren Mülleimer wirft.

"Wie kann es sein, dass Geld für all das verantwortlich ist? Wie kann es sein, dass man für irgendwelche runden Metallscheiben und Papierstücke die Natur vernichtet?
Wie ist es möglich dass fast alle Menschen hier in dieser Stadt danach streben, Zahlen auf irgendetwas bringen zu können, was ihnen nicht einmal Brot zum essen oder Wasser zum trinken gibt?
Und wie konnte es soweit kommen, dass er seine geliebte Heimat aufgeben musste, um Geld zu verdienen, weil ohne diesem Zeug kein Mensch auf der Erde mehr leben kann?!"

Belay versteht diese ganze Situation nicht.
Er weiß nicht, wie er mit all dem umgehen soll, was er hier sieht.
Einen "Donut-Shop". Was zur Hölle ist das?
Ein "Piercing&Tattoo"-Laden mit furchteregenden Grimassen darauf lässt ihn prompt umkehren und in eine anderen Straße einbiegen.

"Warum finden diese Menschen das Böse oder alles was nach dem Bösen aussieht so unglaublich anziehend?"

"Belay" heißt übersetzt "Der von Gott Gesandte"
und diesen Namen hat er von je her mit Stolz getragen. Er ist sich bisher sicher gewesen, dass er in der Lage ist, die Welt zu einem besseren Ort zu machen und die Hoffnug, dies in dieser Stadt beginnen zu können ist groß gewesen.

Bis er als Straßenarbeiter am Boden jeder Gesellschaft zu arbeiten begonnen hat.

Und jetz? Jetzt sieht er an den großen, mächtigen Gebäuden hinauf und denkt sich: "Wie kann man da etwas ändern? So hoch hinauf kommt man doch nicht als Straßenarbeiter..."

In seiner Not stellt er sich seine Heimat vor.

Braune, ausgetrocknete Weiten mit ihrem sinnlichen Duft nach Erde... Vögel singen in den Bäumen... Schafe blöken und seine sieben Geschwister spielen im Schatten eines großen Baumes... Seine Mutter, die gerade dabei ist, das Mittagessen zu kochen lächelt ihm von der Feuerstelle her zu... Mama...

Belay steigen die Tränen in die Augen. Er vermisst seine Mutter so sehr... Doch diese ist tausende von Kilometer von ihm entfernt.
Flüchtig glaubte er, den Duft des Mittagessen von Zuhause zu riechen... Vielleicht hat ihn der Wind zugetrieben, aber das ist eher unwahrscheinlich...

"Hey!"
Belay stolpert über die Füße eines am Boden sitzenden Mannes.
In seinen Gedanken hat Belay gar nicht mehr auf den Weg geachtet.

Der Mann schimpft mit ihm und knurrt wie ein Hund.
Belay versteht kein Wort. Er steht nur da und schaut beschämt zu Boden.
Da sieht er den Hut des Mannes aud dem Boden. Er ist leer. Ein Parketpapierstück davor lässt ihn die Buchstaben erkennen: G E L D.

Er schaut den Mann auf dem Boden an. Er sieht verhärmt aus und und dunkle Augenringe umrahmen seine Augen.

Belay bekommt Mitleid als er erkennt, dass dieser Mann nichts beitzt, außer den Kleidern an seinem Leib. Und er bettelt um Geld.
Schon wieder dieses Geld...

Einem plötzlichen Instinkt nach greift Belay in seine Tasche. Das Geld was er dort hat ist eigentlich für sein heutiges Abendessen bestimmt gewesen.

Er nimmt es heraus und legt es dem Bettler in den Hut.

Der Mann verstummt in seiner Schinpfparade und blickt Belay erstaunt an.

Seine Augen leuchten auf. Er nimmt den Hut und schüttet das Geld in seine Hand.
Er lacht auf und stellt sich auf seine Füße. Dann nimmt er Belays Hand und schüttelt sie so fest er kann.
Dann beginnt er zu weinen.

Belay ist verwirrt. Hat er dem Mann nicht gerade etwas Gutes getan?
Doch dann bemerkt er, dass der Mann lächelt während er weint und Glücksgefühl steigt in Belay auf.

"So! Genau so werde ich die Welt verändern! Ich werde denen, denen es noch schlechter geht wie mir helfen und damit die Welt jedes Mal ein kleines Stück besser machen. Das ist meine Aufgabe als Straßenarbeiter in dieser Stadt!"

An Leonie

PS: Lasst ruhig eure Meinung da, damit ich weiß, was euch gefällt.❤️
LG Theodosia

Unbekannte GeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt