Kapitel 6 ● Jimin

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Jimin POV

Taehyung ist der beste Freund, den man haben kann. Nur manchmal übertreibt er es mit seiner Fürsorge ein bisschen.

Seit meinem kleinen Zusammenbruch am Samstag steht er jeden Morgen vor meiner Tür, um sicherzugehen dass ich etwas frühstücke, bevor wir zusammen zur Uni gehen. Eigentlich wollte er mich überreden, die nächsten Tage eine Pause von meinem Nebenjob zu machen. Weil ich mir das aber unmöglich leisten kann, haben wir uns darauf geeinigt, dass ich ihm ein Selfie von mir und meinem Mittagessen schicke, bevor ich zur Arbeit gehe. Abends versuchen wir dann entweder, bei mir gemeinsam etwas Essbares zu erzeugen, oder Tae lädt mich zu sich und seiner Familie zum Abendbrot ein.

Das ist ja alles noch schön und gut. Womit ich nicht einverstanden bin, ist dass Tae mich davon abhält, die nächsten Tage zu Hoseoks Tanzstudio zu gehen. Was das angeht ließ mein Freund absolut nicht mit sich reden, egal wie verzweifelt ich ihm zu erklären versuchte, dass Tanzen das Einzige ist, was ich für mich selbst tue, einfach weil ich es mag.

Ich studiere Lehramt im dritten Semester und ich tue es gern. Zu diesem Zweck habe ich meine Familie in Busan verlassen und arbeite mir fünf Tage die Woche den Arsch ab, aber trotzdem ist das was anderes. Ich studiere, weil ich später Lehrer werden möchte. Tanzen tue ich einfach nur, um es für den Moment zu genießen.

Drei Tage lang habe ich Tae den Gefallen getan und darauf verzichtet, dann habe ich es nicht mehr ausgehalten. Jeden Tag nur zur Uni, weiter zur Arbeit und dann nach Hause zu gehen, um zu schlafen, zehrt an meinen Nerven.

Dienstagnacht bin ich an dem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr einschlafen kann. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich habe das Gefühl, mein ganzer Körper vibriert, voll von überschüssiger Energie.

In Gedanken schicke ich Tae eine stumme Entschuldigung, aber ich halte das nicht mehr länger aus. Während ich mir schnell eine Jogginghose und einen Hoodie überziehe, kann ich an nichts anderes denken, als endlich den ganzen Stress abzuarbeiten und für eine Stunde einfach loszulassen.

Ich jogge den ganzen Weg bis zum Tanzstudio. Da es schon beinahe Mitternacht ist, ist das Haus längst dunkel und abgeschlossen. Während ich den Ersatzschlüssel aus meiner Hosentasche krame, denke ich daran zurück, wie ich diesen vor einem Jahr von Hoseok bekommen habe.

Mit dem Tanzen begonnen hatte ich bereits sehr jung, als ich noch in Busan bei meiner Familie lebte und ich hatte mich auch sofort in einem Tanzstudio angemeldet, nachdem ich nach Seoul gezogen war. Das war jedoch noch bevor mein Studium begann und ich erkennen musste, dass seinen Lebensunterhalt selbst zu bezahlen teurer ist als gedacht. Obwohl meine Eltern mir jeden Monat Geld schicken, um mich mit der Miete zu unterstützen, häufen sich die Kosten für Lebensmittel, Haushalt, Materialien fürs Studium und Studiengebühren – um nur ein paar zu nennen – doch mehr an als ich zunächst angenommen hatte.

Ich habe relativ schnell erkannt, dass die Tanzstunden ein Vergnügen sind, das ich mir nicht leisten kann. Aber ich vermisste sie schmerzlich, sobald ich sie gekündigt hatte.

Ich weiß noch sehr genau, wie ich zusammengezuckt bin und sehr unmännlich gequietscht habe, als mich ein paar Wochen später im Supermarkt plötzlich jemand am Arm packte. Mir fiel zuerst nicht ein, woher ich den jungen Mann mit den rotbraunen Haaren kannte, bis er mich ohne Begrüßung oder Vorstellung einfach direkt fragte, warum ich den Tanzunterricht abgesetzt hatte.

Obwohl ich ihn im Tanzstudio nur ein paar Mal flüchtig gesehen hatte, wusste ich, dass Hoseok dort Tanzlehrer war. Er arbeitet selbstständig und hat einen kleinen, aber durch eine große Fensterfront sehr gut erhellten Raum für seinen Unterricht gemietet.

Will you let me in? ● JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt