Prolog 1/3

35 3 1
                                    


Es war eine kühle Nacht im Frühling, der Nebel zog nur langsam von den Flüssen in den weiten Tälern hinauf auf die großen Ebenen. Es war still. Ab und an hörte man es im Unterholz knacken, wenn sich ein Fuchs auf Beutezug begab, oder der Schrei einer Eule durchschnitt die Stille. Doch war es bei weitem nicht so friedlich, wie es schien. Von Weitem konnte man das Kampfgeschrei vernehmen und schwere Körper erschütterten den Boden. Und dennoch war weit und breit keine Hilfe im Anmarsch. Niemand schien auf den Kampf aufmerksam geworden zu sein.

Die tiefschwarze Nacht umgab auch die beiden Soldaten, die sich ängstlich umsahen. Sie wussten weder, wo sie sich befanden, noch ob der Rest ihrer Abteilung noch am Leben war. Sie waren gefangen in ihrer Angst. Und in dem Unwissen, ob diese Ungeheuer noch am Leben waren. Noch nie zuvor hatten sie so etwas Grausames gesehen. Groß, riesig, schwarz wie die Nacht selbst. Mit Augen, glühend und rot wie die Hölle selbst. Das Haupt umgeben von gewaltigen Hörnern und Zacken, gefolgt von einem gepanzerten Hals. Kein Drache war es. Der Bau eines Riesen. Auf vier Beinen, ein jedes gespickt mit Klauen und zahlreichen spitzen Ausstülpungen. Um so vieles massiger als ein Riese, dass keiner ihrer Kameraden wusste, wohin er zuerst schlagen sollte. Zumal sie auch noch Acht geben mussten, nicht von einem der unzähligen Zacken getroffen oder von den Hörnern aufgespießt zu werden. Wenngleich jeglicher Angriff abgeprallt war an der Haut dieses Ungeheuers, hatte keiner aufgegeben. Sie hatten sich der Herausforderung bis zum Tode gestellt, waren die Aussichten auch noch so hoffnungslos. Die Haut war ledrig und doch hart wie Stahl. Undurchdringlich für Klinge und Pfeilspitze.

Zitternd am ganzen Körper drehten sie sich um ihre eigene Achse. Rücken an Rücken machten sie sich auf einen weiteren Angriff dieser Wesen gefasst. Wenn sie auch im tiefsten Inneren wussten, dass jeglicher Abwehrversuch nutzlos war. Da waren noch mindestens fünf von diesen Viechern im Wald um sie herum. Gerade einmal eines hatten sie erlegt. Wie, das wussten sie leider auch nicht. Irgendwo musste es wohl eine verwundbare Stelle geben. Doch wo die lag, dass konnte nur der tödliche Angreifer wissen. Und der lag irgendwo um sie herum. Auf dem Boden in seinem eigenen Blut ertränkt.

Sie waren 100 Mann gewesen. Es sollte nur eine einfache Patrouille werden. Sie hatten Gerüchte gehört, dass Dörfer und Städte verwüstet worden waren. Ihr Lager war nur wenige Meilen entfernt vom neuesten Vorfall. Und Zargur wollte auf jeden Fall sicher gehen, dass die Männer geschützt waren. In die Elite schafften es schließlich nur die besten Kämpfer. Und die wollte man auf keinen Fall verlieren. Gerade in diesen Stunden brauchte man sie, wenn alles andere in dieser Welt verrückt zu spielen schien.

Der Waldboden um die beiden Überlebenden war rot und von Blut durchtränkt. Verstreut lagen die Körper und Gliedmaßen ihrer Mitkämpfer auf dem Boden. Ihnen würde nie ein ehrenvolles Ende zukommen. Es würde keiner überleben. Die zwei Soldaten wussten das. Doch kampflos aufgeben, das zählte nicht. Kämpfe bis zum Tod oder du gehörst nicht in die Elite. Es gab selten Momente, in denen die Elite solch große Verluste erlitt. Doch die Zeiten hatten sich geändert.

Und das wussten auch Ragar und Lembah. Sie würden es um keinen Preis überleben. Ihre Schwerter waren bereits schwach vom vielen Holzhacken, da sie keinesfalls ohne ein Feuer ihr Lager aufschlagen wollten. Ihre Arme zitterten. Sie hatten keine Kraft mehr. Ihr Zeitgefühl hatte sie verlassen, doch sie waren mit Sicherheit schon eine ganze Weile hier draußen und mühten sich mit diesen Ungeheuern ab. Und noch immer stellte sich ihnen die Frage, was das wohl für Geschöpfe sein mochten.

Erneut hörten sie ein Geräusch. Es schien überall gleichzeitig zu sein. Hektisch drehten sie sich, gaben ihre Formation noch nicht auf. Die Bögen saßen noch auf ihren Rücken. Das Schwert war gezückt. Und die kleinen Messer hingen griffbereit am ganzen Körper.

„Hier, da ist das erste!", rief Ragar und wechselte innerhalb weniger Sekunden seine Waffe. Kaum hatte er den Bogen auch nur in der Hand, sah er das Ungetüm auch schon aus dem Schatten des Waldes auftauchen. Mit seinen Klauen zerdrückte es einen keinesfalls jungen Baum wie nichts. Ein weiterer Schritt und der nächste Baum fiel krachend auf die Soldaten zu.

„Rüber, schnell", warnte Ragar seinen Freund und sie konnten dem ächzenden Baum nur geradeso ausweichen. Das alte Holz fiel lautstark auf den Waldboden und beide konnten sich schwer auf den Beinen halten. Ein Rums lief über die so angelegte Lichtung. Doch den riesigen Tieren schien das kein bisschen auszumachen. Ein zweites gesellte sich dazu und sie umkreisten die beiden Soldaten in ihrer Mitte.

Ragar zitterte mittlerweile nicht mehr. Er hatte neuen Lebensmut geschöpft. Vielleicht hatte ja wenigstens einer von ihnen die Chance, zu überleben. Dann konnte man alle anderen warnen und ihnen von diesen Geschöpfen berichten. Vielleicht konnte ja irgendjemand helfen und ihnen sagen, um was es sich dabei handelte. Denn noch nie hatte er von so etwas auch nur gelesen, geschweige denn es gesehen.

Keinen Augenblick später brachte ein lautes Brüllen ihn zurück in die Realität. Das erste der Viecher hatte ein lautes, schreiartiges Geräusch von sich gegeben. Es schmerzte in den Ohren und er musste sich zusammenreißen, dass er nicht alles fallen ließ, um sich die Ohren zuzuhalten. Dieses verdammte Vieh sollte damit aufhören.

Ohne noch weiter darüber nachzudenken, steckte er sein Schwert zurück in die Scheide und hatte im nächsten Moment schon seinen gespannten Bogen in der Hand. Er holte tief Luft, hielt sie an. Seine Umgebung verschwamm, die Augen waren einzig und allein auf dieses Wesen konzentriert. Er visierte sein Maul an, noch immer weit aufgerissen schrie es weiter. Es musste wohl die anderen drei anlocken. Das hätte es sich mal besser noch einmal überlegt, lachte Ragar innerlich und ließ die Sehne nach vorne schnallen.

Der Pfeil löste sich, rammte an seiner Wange entlang und hinterließ eine Schramme. Sirrend durchschnitt er die kühle Nachtluft und den aufkommenden Nebel, der sich langsam über die Lichtung legte. Ragar verfolgte seinen Pfeil genau, ließ den Bogen dennoch für keine Sekunden sinken. Er war angriffsbereit. Die sollten aufpassen, mit wem sie sich anlegen das nächste Mal. Er hörte einen weiteren Pfeil, von Lembah auf den Weg geschickt. Sie würden es ihnen zeigen. Sie würden es schaffen. Ein blutiges Röcheln riss ihn aus seinen Gedanken. Der Pfeil hatte sein Ziel erreicht. Er konnte allenfalls das Ende sehen, der Rest hatte sich tief in der zarten Haut der Kehle vergraben. Ein siegreiches Lachen kam über seine Lippen und er wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Das erste wäre damit erledigt.

Genüsslich sah er zu, wie es auf die Knie ging. Verzweifelt griff es sich ins Maul. Es versuchte wohl, sein Leben zu retten. Doch Ragar wusste es mit dem Augenblick, als der Pfeil getroffen hatte. Das Maul war ihre einzige todbringende Stelle. Alles andere war viel zu dick gepanzert, als dass das härteste und schärfste Schwert seine Haut durchdringen könnte.

Seine Augen verfolgten das Schauspiel mit Genugtuung. Er gab die Formation auf, hörte er doch ein weiteres dieser Ungeheuer hinter ihm zugrunde gehen. Lembah schien also auch schon herausgefunden zu haben, wohin er zielen musste. Damit wäre dieses Problem schon mal gelöst. Jetzt gab es da nur noch das Problem mit den anderen drei Viechern, die soeben zwischen den Bäumen auftauchten.

Beinahe sorgend ging eines davon zu der Leiche des von Ragar erlegten Artgenossen. Ein kurzer Moment der Verwunderung ging durch diesen. Er hätte nie im Leben Fürsorge von diesen Wilden erwartet. Doch seine Starre hielt nicht lange an. Mit wenigen Schritten flüchtete er sich in Sicherheit. Die Fürsorge hatte in pure Wut umgeschlagen. Die roten Augen glühten noch mehr wie zuvor, pures Feuer waren sie. Und sie fixierten Ragar, sie ließen ihn nicht los.
Er spannte den nächsten Pfeil, zielte. Der Pfeil sauste durch die Luft. Und der nächste folgte ihn sogleich. Doch beiden verfehlten. Er traf lediglich die Seiten des Kopfes und die Pfeile zerbarsten und fielen zu Boden. Noch einen Schritt zurück und er stand mit dem Rücken an einen Baum. Verdammt.


Schwarze KriegerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt