Wald, Flucht, rot

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 Ganz still stehe ich mit dem Rücken an einen dicken Baumstamm gepresst. Mit angehaltenem Atem lausche ich nach den Geräuschen um mich herum, höre auf jedes noch so kleine Knacken, welches mir verrät ob er näher kommt. Mein Herz schlägt wie wild in meiner Brust, so als ob es gleich herausspringen würde. Schweißperlen laufen mir die Stirn hinab, rollen über mein Gesicht, hinunter zu meinem Hals und machen den Stoff meines roten Tanktops ganz feucht. Vorsichtig drehe ich mich um, genau darauf achtend nicht zu viel Lärm zu machen und schaue nach meinem Verfolger. Nichts, niemand ist zu sehen, nur die vielen Bäume, das faulig riechende, rotbraune Laub und abgebrochene, herumliegende Äste. Ich überlege wie weit es noch bis zum Ausgang des Waldstückes, in dem ich bis vor wenigen Minuten noch gemütlich joggen war, sein mag,  doch durch die Flucht vor der unbekannten Person, habe ich die Orientierung vollkommen verloren. Alles in diesem Wald sieht gleich aus und eine Lichtung kann ich auch nirgends entdecken. Mit zittrigen Beinen gehe ich ein paar Schritte nach vorn, jedoch nicht ohne mich ständig umzudrehen. Meine Jogginghose ist durch meinen Sturz ziemlich verdreckt und meine Unterarme, von den herunterhängenden Ästen und Sträuchern, zerkratzt. Ein rotes Blutnetzt hat sich auf meiner Haut gebildet und brennt, jetzt wo ich es näher betrachte, fürchterlich. Ich verdopple mein Tempo auf den letzten Metern bis zum nächsten Baum und presse mich wieder mit dem Rücken daran. Die harte Rinde drückt in meinen Rücken und ein leises Stöhnen entfährt mir. Durch das Adrenalin, dem Stechen auf meiner Haut und das durchs Unterholz gehetzte, bin ich k.o. und geschwächt. Langsam rutsche ich am Stamm herunter und lasse mich in das weiche, grüne Moos sinken. Dort liege ich, die Knie bis an meine Brust gezogen, meine Arme umschlingen meinen schwitzigen Körper, um ihn vor der eintretenden Kälte zu schützen, die in Nebelschwaden heranschleicht und sich über mich legt.

Ein leises Knacksen nur, so nah an meinem Ohr. Plötzlich bin ich hellwach.

Wie konnte ich nur einschlafen?

Meine Augen zucken panisch hin und her, doch sehen kann ich nichts, denn mittlerweile ist es stockduster. Ich brauche einen Moment, ehe sich meine Sicht an die Dunkelheit angepasst hat. Wieder ein Knacken, dicht gefolgt von raschelnden Blättern. In meinen Gedanken laufen die schrecklichsten Dinge ab und im Stillen hoffe ich, dass sich nur ein kleines Tierchen verirrt hat. Jedoch scheint das Glück heut nicht auf meiner Seite zu sein. Vor mir taucht eine schemenhafte Gestalt auf, die sich als großer, stämmiger Mann in schwarzer Montur, herausstellt. Tief in mir weiß ich, eine Flucht ist unmöglich, doch mein Körper reagiert ganz automatisch auf die Situation. In Sekundenschnelle bin ich auf den Beinen und stolpere ein paar Schritte rückwärts. Ohne auf meine Umgebung zu achten, drehe ich mich um und renne so schnell ich kann in eine andere Richtung, nur weg von diesem Mann. So gutes geht, schlängele ich mich durch die dichten Bäume hindurch, mein Verstand ist nun hellwach. Von Zeit zu Zeit drehe ich mich nach meinem Verfolger um, dessen Gesicht ich unter dem schwarzen Tuch, das er sich umgebunden hat, nicht erkennen kann. Nur seine strahlend blauen Augen brennen sich in mein Gehirn, so strahlend, dass ich sie auch jetzt noch sehen kann, trotz der Schwärze die uns umgibt. Ich kann seinen Atem hören, ihn in meinem Nacken spüren. Obwohl ich mit der Kraft am Ende bin, gebe ich noch einmal Gas, denn wenn ich mich nicht irre, kann ich dort vorn das Licht der Straßenlaternen scheinen sehen. Nicht mehr lange, dann habe ich es geschafft. Nur noch wenige Meter, ich darf nicht aufgeben. Doch eine Baumwurzel, die ein Stück über der Erde zu einer Schlaufe verwachsen ist, macht mir ein Strich durch die Rechnung. Mit meinem linken Fuß bleibe ich daran hängen und stürze der Länge nach hin. Bevor ich es schaffe mich wieder aufzurappeln, packen mich zwei grobe Hände an meinen Haaren und drehen mein Gesicht zu sich. Ich könnte schwören, dass er unter seinem Tuch zu grinsen anfängt, ich kann seine gehässige Lache in meinem Kopf hören. Ein Schrei zerreißt die nächtliche Stille, es ist mein eigener, doch es hört sich weit entfernt an. Der Mann holt einen silbernen Dolch aus dem Heft, an seinem Gürtel, heraus und spielt damit vor meinen Augen herum. Diese schließen sich von ganz allein. Ich spüre wie er gierig an mir riecht, meine Angst in sich aufsaugt, ehe er die kalte Klinge an meiner Kehle ansetzt und die scharfe Seite schnell durch mein Fleisch zieht.

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