Schule, verzweifelt, Happy End

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Es ist einer dieser Tage, an dem man spürt, dass irgendetwas Merkwürdiges passieren wird, weshalb ich mich wieder tief in meine Kuscheldecke einwickle. Plötzlich reißt mich ein lautes Klopfen an meiner Zimmertür aus dem Schlaf. Schnell schaue ich auf den Wecker, der neben mir auf dem Nachtschrank steht und stelle erschreckender Weise fest, dass ich um eine dreiviertel Stunde verpennt habe. Mist, dieser Tag ist jetzt schon ätzend, grummle ich in mich hinein, ohne die leiseste Ahnung wie sehr ich Recht behalten sollte. Draußen im Flur höre ich meinen Vater schimpfen, dass ich endlich Verantwortung für mein Leben übernehmen muss. Ich ignoriere seine Worte, wie immer, gekonnt. Nachdem ich meine Schultasche fertig gepackt, mich frisch gemacht, meine Zähne geputzt und mir wahllos Klamotten angezogen habe, verlasse ich eilig das Haus. Die letzten Meter zum Bus muss ich rennen, doch ich erreiche ihn noch rechtzeitig, blöd nur, dass ich nun völlig verschwitzt bin. Ich sinke tiefer in meinen Sitz und hoffe das niemand den Platzt neben mir in Anspruch nehmen wollte. Nach fünfzehnminütiger Busfahrt komme ich in meiner Schule an. Genervt laufe ich über den Schulplatz, stolpere die drei Stufen ins Schulgebäude und schleppe mich in unseren Klassenraum, um die erste Schulstunde anzutreten. Ausgerechnet frühs haben wir Chemie, ein Fach welches ich für den Tod nicht ausstehen kann und dann fällt der blöden Lehrerin auch noch ein, einen Überraschungstest zu schreiben. Mir ist von Anfang an klar, den würde ich komplett verhauen. Kann es noch schlimmer werden?, fluche ich im Innern.

In der Pause geselle ich mich zu meinem Freund und dessen Clique an ihren Stammtisch. Fertig von dem Test, lasse ich mein Tablett geräuschvoll auf den Tisch knallen. Die Gruppe zuckt kurz zusammen und wirft mir wütende Blicke zu. Eigentlich passe ich überhaupt nicht in ihr Bild und leiden kann ich sie auch kein Stück, aber meinem Freund zuliebe gab ich mein Bestes, mich in seinen Freundeskreis einzubringen. Es fällt mir ziemlich schwer, denn die Jungs sind typisch sportlich, halten sich für die Kings an der Schule, machen ständig die Mädchen an und sind auch noch tatsächlich von ihrem, wie sie es sagen, Charme überzeugt. Die Weiber sind genauso tussig, wie man es in den Teeniefilmen oft sieht. Platinblonde Locken, die ihnen bis zum Po reichen, vorzugsweise pinkfarbene Schmolllippen und die Lider transformieren sie zu glitzernden Regenbögen. Zugegebener Maßen habe ich ebenfalls blonde, jedoch glatte Haare, dafür schminke ich mich auch dezent und presse meinen schlanken Körper nicht in die knappsten Hotpants oder Miniröcke, geschweige denn in Tops die oben rum so sehr spannen, dass sie zu platzen drohen.

Mit einem spöttischen Grinsen, setze ich mich neben meinen Freund, der sich nicht einmal zu mir dreht, um mich zu begrüßen. Verärgert remple ich gegen seine Schulter, woraufhin er mich dann doch noch anschaut und mir einen „guten Morgen" wünscht. Was ist denn nur los heute? Ohne die anderen am Tisch eines Blickes zu würdigen, beiße ich von meinem Apfel ab und lasse den leicht säuerlichen Geschmack auf meiner Zunge zergehen. Unweigerlich ziehe ich eine Grimasse und hoffe dass niemand mich beobachtet hat. Als ich meinen Freund in ein Gespräch verwickeln will, bleibt mir der Mund offen stehen, denn er knutsch gerade wild mit dem Klassenflittchen Angelina herum. Fassungslos schaue ich ihnen dabei zu, erst nach einem Augenblick, in dem ich mich fangen musste, stehe ich auf und schiebe die beiden mit aller Kraft auseinander. Wütend und traurig zu gleich frage ich ihn, was das für ein Spielchen werden soll, doch zur Antwort beugt er sich über den Tisch und fängt an Selina abzulecken. Reflexartig hole ich aus und verpasse ihm eine, sodass sich sofort ein roter Händeabdruck auf seiner Wange bildet. Sein dümmliches Grinsen veranlasst alle am Tisch dazu wild zu johlen und mich auszulachen. Ohne mein Frühstück einzupacken, verlasse ich gedemütigt und fluchtartig die Kantine, noch immer darüber verwirrt, was eben geschehen ist. Verzweiflung breitet sich um mein Herz herum aus und sendet tausend feine Stiche an jede Körperstelle. Zitternd schlinge ich meine Arme um meinen Leib obwohl ich überhaupt nicht fror, zumindest nicht von außen, wie es im Moment in mir aussieht, kann ich beim besten Willen nicht beschreiben. Ich brauche Luft, kühle frische Morgenluft.

Auf dem Weg nach draußen, kommt mir ein Junge auf der Treppe entgegen. Vorsichtig versucht er einen Kaffeebecher zu balancieren. Obwohl ich ihn sehen kann, stoße ich ihn zornig und achtlos an. Vor Schreck lässt er die Brühe fallen, die sich dann über seine Klamotten und Schuhe ergießt. Doch anstatt mich bei ihm zu entschuldigen, kicke ich provozierend, den nun leeren, Pappbecher ein paar Stufen hinunter. Ein diabolisches Grinsen breitet sich ungewollt auf meinem Gesicht aus. Ich erkenne mich selbst nicht wieder, so bin ich überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, ich bin immer hilfsbereit, versuche mich mit jedem zu verstehen und hatte für jeden Empathie übrig. Bevor ich die unterste Marmorstufe erreiche, brüllt mir der Junge hinterher, was ich denn für ein Problem hätte. Zähneknirschend wirble ich herum und starre ihm kalt in seine Augen. Vor Wut kann ich außer dem sinnbildlichen roten Schleier, nichts sehen. Schnell hechte ich die Treppe wieder hinauf und bleibe vor ihm stehen, dieser rutscht ein paar Zentimeter nach hinten. Aufgebracht balle ich meine langen Finger zu Fäusten, ohne jedoch daran zu denken ihn schlagen zu wollen. Zischend knalle ich ihm meine jetzige Situation an den Kopf und mache sogleich wieder kehrt, damit ich endlich an die frische Luft kann. Soweit komme ich leider nicht, denn der Junge packt mich, etwas zu grob, am Arm und dreht mich zurück in seine Richtung. Ich vermeide es ihm ins Gesicht zu schauen, weswegen ich einfach sein bekleckertes, weißes T-Shirt betrachte, auf dem außer dem Kaffeefleck, auch der Name einer Band zu lesen ist. Seufzend lasse ich meine Schultern hängen, woraufhin er mit ruhiger Stimme nach einem neuen Getränk fragt und mir dann ein Vorschlag machen will. Ich schätze er kann sehen wie verwirrt ich bin, doch er lässt sich davon nicht beeindrucken, sondern greift nun deutlich sanfter nach meiner Hand und zieht mich zum Automaten mit. Seine Hand ist ziemlich groß, mit langen schmalen Fingern und rauer Haut. Freundlicherweise erlässt er mir die Kaffeekosten, bloß von seinem Vorschlag erzählt er mir trotzdem nicht, egal wie oft ich ihn mittlerweile schon gefragt habe. Das einzige was er tut ist: lächeln, wobei sich kleine Grübchen in seinen Mundwinkeln bilden.

Nachdem er seinen Kaffee ohne weitere Gefahr ausgetrunken hat, gehen wir gemeinsam nach oben, obwohl ich eigentlich nach draußen wollte. Mitten im Flur hält er an, zieht mich an sich, während er meine honigblonden Haare zwischen seinen Fingern zwirbelt und zählt von 10 herunter. Völlig verdutzt sehe ich ihn an, ehe ich seinen Plan erkenne, drückt er mir seine Lippen auf meine, genau in der Sekunde in der die Schulglocke klingelt und die Schüler aus der Cafeteria stürmen. Plötzlich verschwimmt alles um mich herum, die Leute, die Geräusche, selbst der Essensduft löst sich auf. Alles was ich noch spüre sind die warmen, vollen Lippen meines Gegenübers, die sich erst zaghaft, dann immer fordernder und leidenschaftlicher gegen meine pressen. Ich spüre wie er kurz in den Kuss hineinstöhnt, als ich mit meinen Händen in seinen Haaren spiele und sanft daran ziehe. Nach einer gefühlten Ewigkeit löst er sich langsam von mir, jedoch ohne mich loszulassen. Verwundert schaue ich ihn an und zum ersten mal seit der letzten Minuten, betrachte ich ihn richtig, sehe sein schmales Gesicht, die wuscheligen, dunkelblonden Haare die ihm in die Stirn fallen, seine schmale Nase und in seine grüngrauen Augen, in denen ich mich klein widerspiegle. Peinlich berührt stottere ich "D-das war..." - "unglaublich", beendet er meinen Satz atemlos. Meine Lippen pochen und formen ein kleines Lächeln, das erste Lächeln an diesem schrecklich seltsamen Tag. Erst jetzt frage ich ihn nach seinem Namen und als er ihn mir nennt wiederhole ich ihn geistesabwesend noch einmal. Adrian. Sehr schön. Ich nenne ihm auch meinen Namen und beobachte, wie seine Mine sich erhellt, bis er übers ganze Gesicht strahlt. So scheint sich der Tag doch einem Happy End zu nähern, jedenfalls habe ich das Gefühl, dass ich Adrian liebend gern wieder sehen will. Zum Abschied bedanke ich mich flüsternd bei ihm, als ich sehe, wie mein nun Exfreund mit finsteren Ausdruck an der Wand gelehnt steht und uns wütend beobachtet. Gekonnt ignoriere ich ihn und drücke Adrian einen letzten kleinen Kuss, halb auf die Wange, halb auf den Mund.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 02, 2014 ⏰

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