Pudding

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"Hallo, hier ist Ca-" "Cas! Du musst sofort herkommen!", drang die aufgeregte Stimme von Sam Winchester durch das Smartphone des Engels, der ganze drei Versuche gebraucht hatte, ehe es im gelungen war, den Anruf anzunehmen. Die Umstellung von einem Tastenhandy auf dieses stellte ihn noch vor kleine Herausforderungen. Manche Dinge aber waren geblieben. Zum Beispiel die Dame, die ihm sagte, dass er sein Guthaben aufladen müsse und die partout nicht einsehen wollte, dass einige Dinge einfach nicht darauf warten konnten. Manchmal rief auch noch eine Frau namens Gina an, die stets ignorierte, wenn Castiel ihre eindeutigen Angebote zum Geschlechtsakt ablehnte. Was eine Telefonnummer mit vielen Sechsen damit zu tun hatte, war ihm ohnehin schleierhaft.


"Dean braucht deine Hilfe", fuhr der jüngere Winchesterbruder fort, als der Engel einfach schwieg. Dass der eigentlich auf eine Ortsangabe gewartet hatte, da er dank der Sygillen auf den Rippen der Jäger diese nicht mehr aufspüren konnte, dämmerte Sam noch nicht. Also blieb Castiel weiter ungeerührt mitten auf der Landstraße stehen, umgeben von einer ganzen Menge nichts und menschenleerer Weite irgendwo in Idaho. "Ich verstehe. Was ist passiert?" Am anderen Ende der Leitung rang Sam mit seiner Geduld. Wie Castiel in absolut allen Lebenslagen so ruhig bleiben konnte, würde er nie verstehen. "Ich bin mir nicht ganz sicher. Komm einfach her. Grover, Colorado. Wir sind im Sunshine Motel."


Kaum, dass Sam seinen Satz beendet hatte, stand der Engel auch schon vor ihm, so plötzlich und abrupt, dass der Jäger zusammenzuckte. "Hallo Cas. Schön, dich zu sehen." Sein Seufzen ging halt unter, als er den Anruf beendete und sein Handy in die Hosentasche schob. "Dean ist gerade Kuchen holen, doch er müsste jeden Moment zurück sein." Sofort zeigten sich nachdenkliche Sorgenfalten auf Castiels Stirn. Wenn man ihn hier wegen Dean brauchte, wieso war der dann einfach so Kuchen kaufen gegangen? Natürlich hatte der Engel inzwischen gelernt, dass Kuchen in Deans Leben eine nicht unsignifikante Rolle spielte, doch so wie Sam klang, gab es hier einen Notfall. Da müsste Kuchen doch eigentlich warten, oder nicht?


Abwartend blinzelte Castiel den Jäger an, der seufzend auf zwei Stühle deutete, die an einem kleinen Tisch am Fenster des Motelzimmers standen. Castiel folgte der stummen Aufforderung und nahm Platz, obgleich der Stuhl dabei bedrohlich wackelte. Sam setzte sich ihm gegenüber. "Wir sind über mehrere Fälle von auffälliger Verliebtheit in dieser Stadt gestoßen. Leute, die sich vorher nicht leiden konnten oder niemals zu einander gefunden hätten, kleben auf einmal aneinander, die Kirche ist völlig ausgebuch vor lauter Hochzeiten und es gab allein in der letzten Woche sieben Selbstmorde aufgrund unerwiderter Liebe. Also dachten wir, dass vielleicht ein Cherub am Werk sei." Castiel nickte mit nachdenklicher Miene. Sein erster Verdacht wäre der gleiche gewesen. Seine Amor spielenden Brüder vermochten dergleichen zu tun, doch normalerweise nahmen sie davon klar Abstand. Sie waren von friedlichem Naturell und wünschten jedem Menschen eine glückliche und erfüllte Liebe.


"Konntet ihr einen finden?" Sam schüttelte den Kopf. "Nein, es war auch keiner hier, soweit wir das sagen können. Etwas anderes lässt die Leute durchdrehen. Wir haben herausgefunden, dass alle, die sich auf einmal verliebten, vorher in einem bestimmten Imbiss waren, der erst vor zwei Wochen eröffnet hat. Genau zu der Zeit, als diese Ausbrüche anfingen." Sam seufzte tief und fuhr sich durch die Haare, während sein Blick durchs Fenster nach draußen wanderte, als wolle er prüfen, ob Dean bereits zurück war. Vom Impala war jedoch noch nichts zu sehen.


"Also sind wir in diesem Imbiss gegangen und haben uns dort umgesehen, haben die Lieferantenlisten geprüft und..." Hier hielt Sam inne. Ihm war anzusehen, dass jetzt der Punkt kam, an dem Dean in Probleme geraten war. "Dean konnte die Finger nicht vom Pudding lassen. Natürlich, bevor wir die Hexenutensilien fanden", endete Sam seine Erklärung. "Das war kurz, ehe du uns angerufen hast, erinnerst du dich?" Castiel nickte. "Ja. Die Neuigkeiten über den Verbleib von Luzifer." Jetzt nickte auch Sam. "Offenbar war das eine Art Trigger für den Zauber, doch das ist uns erst heute aufgefallen. Oder vielmehr mir. Dean leugnet alles und behauptet, er fühle sich gut und alles sei in bester Ordnung, aber ich kenne ihn gut genug. Cas, mit ihm stimmt eindeutig etwas nicht. Es muss der Pudding gewesen sein. Ich habe eine Probe mitgenommen, doch kein Labor, um sie zu untersuchen..." Noch während er sprach, wanderte der Jäger zur Minibar des Motelzimmers, aus der er eine Schüssel mit Schokoladenpudding holte, die er vor dem Engel auf den Tisch stellte. "Ich habe keine Ahnung, wer die Hexe ist und wieso sie... was auch immer in ihren Pudding tut, aber es sorgt dafür, dass die Leute sich Hals über Kopf verlieben und ich glaube, es trifft die Person, deren Stimme sie als erstes hören."


Ohne Vorwarnung steckte Castiel einen Finger in den Pudding, schnupperte dann daran, ehe er probierte. "Cas, nicht!" Zu spät. Dem Jäger war anzusehen, dass es ihn jetzt nervös machte, den Engel angesprochen zu haben. Still, aber mit fragender Miene blickte er Castiel an. "Dieses Dessert wurde magisch versetzt", erklärte dieser nach einer Pause. Sam blieb still und runzelte die Stirn. "Ich nehme an, deine Theorie ist korrekt und eine auditive Wahrnehmung kann der Auslöser für den Zauber sein." Abwartend sahen Engel und Jäger einander an, während draußen in eben diesem Moment ein schwarzer Chevy Impala auf den Parkplatz fuhr. Dessen Fahrer summte gut gelaunt einen Rocksong und freute sich darauf, den Kuchen, der auf dem Beifahrersitz stand, zu vertilgen. Für seinen kleinen Bruder Sammy hatte Dean nicht frei von Spott einen Rohkostsalat und einen Smoothie mitgebracht.

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