Prolog: In dem das Unglück seinen Lauf nimmt

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Ich wache auf, weil mir furchtbar heiß ist. Als ich mich im Bett aufrecht hinsetzte, wird mir von der schnellen Bewegung übel.

Und dann wird mir, wie geohrfeigt bewusst wo ich mich befinde.

Bilder des gestrigen Abends schießen mir durch den Kopf - die Halloween Party - wiederliche Jägermeister Shots - unbekannte Leute in kitschigen Kostümen - und schließlich der einzige Typ, der wie ich unverkleidet und unbeeindruckt von dem Geschehen, seine Ruhe auf dem Balkon sucht.

Ich erinnere mich noch, wie wir uns gegenseitig stützend und 90er Songs jaulend, durch die Straßen der Altstadt getorkelt sind.

Als ich meine Beine, etwas zu überstürzt, aus dem Bett schwinge, stoße ich ein Weinglas um - ich hasse Wein.

Der Typ neben mir bewegt sich und pansich stolpere ich aus der Zimmertür. In einem dunklen Flur tapse ich bis zu einer offenen Tür. Ich schließe sie erleichtert hinter mir und schalte das Licht ein. Definitiv ein Fehler. Im Spiegel starrt mir ein 23 jähriges, planloses Mädchen entgegen, die Haare ein einziges Vogelnest, tiefe Schatten unter den Augen und die Lippen rot von zuviel Wein. Ich stöhne uns stütze mich auf dem Waschbeckenrand ab. "Da gehst du einmal feiern Mia und als wäre dein Leben nicht schon kaotisch genug, schaffst du es, dich in das Bett eines fremden Typen zu saufen! Typisch." Es ist nicht so als hätte ich schon jemals ein One-Night-Stand gehabt, aber kritische Situatonen scheinen mich magisch zu verfolgen. Sofort schließe ich meinen Mund, um eine weitere Welle Mundgeruch zu vermeiden. Vollkommen fertig und von mir selbst angewiedert, öffne ich einige Schranktüren auf der Suche nach etwas Zahnpasta und einer Haarbürste.

Als ich mich zehn Minuten später wieder einigermaßen im Griff habe, traue ich mich aus der Tür. Ich überlege mich einfach wieder neben den Kerl zu legen und den Morgen abzuwarten - viellecht ist er ja nett, aber dann fällt mir ein, wie ich ihm gestern davon erzählt habe, dass ich quasi Arbeitslos bin und bald auch Obdachlos, wenn ich nicht demnächst eine Wohnung finde. Jap, also selbst wenn er noch so nett wäre, die Blamage will ich mir dann doch ersparen.

Also schleiche ich in sein Zimmer und zwänge mich so leise wie möglich in meine Jeans. Mir entschlüpft ein leises "Scheiße", als ich den nassen Fleck Wein auf meiner Hose entdecke, den ich beim hastigen aufstehen verursacht haben muss. Ich strenge meine Augen an um in der Dunkelheit meine Handtasche zu finden, und als ich diese an der der Türklinge hängen sehen, bin ich schnell aus der Wohnung drausen. Erst dann traue ich mich auf mein Handy zu gucken, 5.07 Uhr. Na klasse. Ich lese die Nachricht meiner besten Freundin Clara: "Übernachte heute bei Arthur! Der heiße Arzt kann ja dein Sugar Daddy werden! Bis Morgen." Ich muss die Augen verdrehen. Der Typ war Arzt? Normalerweise komme ich mit so arroganten Shnöseln ja gar nicht klar, das muss dann wohl der Jägermeister gewesen sein. Bei dem Gedanken an Alkohol dreht sich mir der Magen um.

Und so laufe ich den Weg zur nächsten Bushaltestelle und versuche mich verzweifelt an den Verlauf des gestrigen Abends zu erinnern.

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