Olivia
Als am nächsten Morgen der Wecker schellt, könnte ich mich selbst verfluchen. Wieso auch musste ich beschließen, von jetzt an wieder zur Schule zu gehen? Ich seufze. Eigentlich gehe ich nur zur Schule, damit ich einen Schulabschluss bekomme und mir einen guten Job besorgen kann. Das Geld aus meiner Vergangenheit reicht schließlich nicht ewig. Mit dem Gedanken bei dem Abschlusszeugnis, welches ich am Ende des nächsten Schuljahres in den Händen zu halten gedenke, schäle ich mich aus dem großen, gemütlichen Bett und mache mich Vorzeigbar. Ich verzichte heute mal auf die vollständig schwarze Kleidung, die ich normalerweise trage und entscheide mich stattdessen für ein dunkelrotes Top und eine hellgraue Cardigan, allerdings bleibt meine Jeansfarbe bei schwarz. Ich will mich nicht vollkommen verstellen.
Ich gehe leise in Spencers Zimmer und lege ihm sanft meine Hand auf seine Schulter. "Hey, kleiner Mann. Es ist Zeit aufzuwachen, die Schule wartet." Spencer regt sich leicht und schlägt schließlich die grünen Augen auf, die meinen so ähnlich sind. Ich lächle ihn an und hebe ihn vorsichtig von seinem Hochbett. "Was willst du anziehen?", frage ich ihn, als wir zusammen vor seinem Schrank stehen. Er ist noch zu müde um zu antworten, und so zieht er einfach sein Lieblingsthirt aus dem Schrank. Es ist keines von denen, die ich letzte Woche besorgt habe, sondern eines der wenigen Kleidungsstücke, die er mitnehmen konnte. Und da ich weiß, wie sehr er an diesem Oberteil hängt, helfe ich ihm ohne zu Zögern beim anziehen. Ich lache, als ihm beim Arme heben fast die Augen zufallen. "Ich mache dir einen Kakao zum aufwachen, was hältst du davon?" Spencers Augen gehen sofort wieder auf, als ich sein Lieblingsgetränk erwähne und er nickt begeistert. Gemeinsam gehen wir nach unten und während ich ihm sein Lieblingsfrühstück mache, setzt er sich an den Esstisch. Ich stelle die Schüssel mit Cornflakes vor ihn und hungrig beginnt er zu essen. Amüsiert hole ich die Schultasche, die ich bereits in Los Angeles für Spencer gekauft habe. Ich werde nie vergessen, wie er gelächelt hat, als er das Motiv darauf gesehen hat: Ein Astronaut, der nach einem Stern greift.
Mein Bruder liebt den Himmel. Ich habe ihn schon öfter dabei gesehen wie er gedankenverloren nach oben geschaut hat und dabei so entspannt und gelöst war wie ich es bin, nachdem ich Sport gemacht habe. Spencer liebt den Himmel - Ich den Sport.Ich packe eine der Saftflaschen, welche ich wie die Cornflakes, in einem der Küchenschränke gefunden habe, in die Tasche und hole auch noch ein paar Ersatzklamotten aus Spencers Kleiderschrank. Aus meinem Zimmer hole ich noch die nötigen Papiere, die ich bei seinem und meinem ersten Tag in der Schule abgeben muss und stecke sie in meine Handtasche. Eigentlich alle davon waren gefälscht oder bearbeitet worden, allerdings ist die Qualität von Sam's Arbeit so gut, dass das niemand bemerke wird.
Ich setze mich neben Spencer bis er aufgegessen hat und dann machen wir uns nach einem kurzen Besuch im Badezimmer, mit unseren Taschen in der Hand, auf den Weg in die Tiefgarage. Ein weißer Audi A6 steht dort schon für mich bereit, und nachdem ich mich versichert habe, dass Spencer auf seinem Kindersitz sitzt und angeschnallt ist, stecke ich den Schlüssel, den ich von Samuel bekommen habe, ins Zündschloss. Lächelnd fahre ich zur nächsten Drogerie und kaufe uns dort, mit Spencer an der Hand, zwei Mäppchen voller Stifte, zwei Taschenkalender, einen dicken Ordner und zweimal einen karierten und linierten Block. Das sollte für die ersten Schultage erst einmal reichen! Spencer konnte mich noch mit seinen großen Augen zu einer Packung Schokoriegel überreden, wovon ich ihm einen in seine Tasche stecke. Dann fahren wir zur nächsten Bäckerei, wo ich uns beiden eine richtige Pause kaufe und von dort aus auf direktem Wege zu den Schulen, an denen uns Samuel angemeldet hat, und welche direkt nebeneinander liegen.
Ich parke erst auf dem Parkplatz von Spencers Schule, weil ich noch nicht bereit dazu bin, das Geflüster und die Blicke der anderen Schüler zu sehen. Zusammen gehen wir in das Gebäude, indem schon viele andere Kinder, manche mit und manche ohne Eltern, umhereilen. Ich bemerke wie Spencer meine Hand fester drückt und ich umschließe auch die seine etwas stärker, um ihn zu zeigen, dass ich für ihn da bin. Als wir vor der richtigen Tür angekommen sind, gehe ich langsam vor ihm in die Knie und sehe ihn sanft lächelnd an. "Ich bin direkt im Gebäude nebenan, okay? Und ich bin jederzeit auf meinem Handy zu erreichen." Spencer nickt stark, doch ich sehe die Tränen trotzdem, die ihm in die Augen treten. "Hey, Kleiner.", ich lege ihm meine Hand an seine Wange und streiche eine davon weg. "Ich verspreche dir, dass ich dich in ein paar Stunden wieder hier abholen werde." Spencer nickt wieder und im nächsten Moment umarmt er mich fest. "Versprichst du mir auch etwas?", frage ich leise an seinem Hals und ich spüre wie er mit dem Kopf nickt. "Versprich mir nur, dass du heute ganz viel mit den anderen Kindern redest und dich mit ihnen anfreundest. Machst du das für mich?" Spencer löst sich von mir und blickt mir in die Augen, bevor er "Ja, Isi. Ich verspreche es." mit plötzlich ganz starker Stimme sagt. Auch wenn ich darauf Bestanden habe, dass Logan und ich auch unsere Vornamen ändern, fällt es mir schwer, dass auch so leicht wie er zu verinnerlichen. Doch ich bin unglaublich froh, dass er meinen neuen Namen benutzt und ich mir keine Sorgen darum machen muss. "Das ist mein kleiner, starker Bruder!" Ich stehe, noch immer seine Hand haltend, auf und gemeinsam treten wir durch die Tür.
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Neue Identität, neues Leben
ChickLitJeder in Los Angeles kennt sie. Jeder fürchtet sie. Sie ist die Beste, egal ob in Drogengeschäften, beim illegalen Autorennen fahren oder als Kämpferin bei Untergrundfights. Sie ist PERFEKT darin. Bei einem Unfall täuscht sie ihren eigenen Tod vo...