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Erschrocken schaute Yongguk dem Jungen hinterher, der gerade so schnell wie möglich nach draußen gerannt war. Was war passiert? Hatte es etwas mit diesem Traum zu tun?

Er stand auf und stieß im Flur auf die offen stehende Wohnungstür. Seufzend zog er sich seine Schuhe an. Er musste Zelo finden.

Der Jüngere hatte nich viel Vorsprung, schon bald entdeckte Yongguk ihn. Er saß am Fluss, am Rand des steinernen Weges, der das Ufer bildete. Seine Füße berührten fast das Wasser.

Yongguk trat leise auf ihn zu und setzte sich neben ihn. Eine Weile lang sah er den Jungen nur an, dessen Blick starr nach unten gerichtet war.

Zelo konzentrierte sich auf die leichten Wellen, verfolgte ihre Bewegungen, alles, um nicht zu weinen. Er wollte nicht, dass Yongguk ihn noch einmal so sah. Es war oft genug passiert im vergangenen Jahr.

Er wollte Yongguk erzählen, was damals passiert war. Er hatte es noch nie jemandem gesagt und es war so schwer, allein damit umzugehen. Er wusste, es würde leichter werden, wenn Yongguk davon wusste.

Doch er konnte es nicht. Er konnte die Worte nicht aussprechen. Er vertraute Yongguk mehr als jedem anderen, doch da war trotzdem noch diese Angst. Die Angst, dass Yongguk ihn nicht verstehen würde. Dass er ihn allein lassen würde, wenn er es erfuhr.

"Zelo, was ist los?"
Die Stimme des Älteren ließ ihn zusammenzucken. Er atmete tief durch, bevor er sprach.

"Es... War nicht nur ein Traum..." sagte er leise.

Yongguk hörte das Zittern in seiner Stimme und ahnte schlimmes.
"Sondern?"

"Es war... Ich hab das geträumt, was passiert ist bevor ich nicht mehr geredet hab."

"Der Auslöser dafür?"

Zelo nickte. "Ich hab Angst..."

"Wovor?"

"Dass du gehst..."

Yongguk nahm sanft die Hand des Jungen. "Ich werde nicht gehen. Niemals."

"Danke."

"Wollen wir wieder nach Hause gehen? Es ist ziemlich kalt, nicht dass du noch krank wirst..."

"Nein, ich will noch hier bleiben. Ich brauch grad frische Luft. Außerdem will ich nicht, dass Yongnam was von meiner Vergangenheit mitbekommt."

Yongguk sah ihn an. "Du wirst es mir erzählen?"

Ein Nicken. "Aber... Bitte sag es niemandem."

"Niemals. Du kannst mir vertrauen."

"Also... Mein richtiger Name ist Choi Junhong... Ich bin achtzehn... Als ich noch in der Schule war hatte ich meinen ersten Freund, Jongsoo. Es war halt... Meine erste Beziehung überhaupt. Er hat mir die große Liebe vorgespielt... Ich hatte mit ihm meinen ersten Kuss und... Naja, mein erstes Mal..." Er biss sich auf die Unterlippe, als er bemerkte, dass er doch angefangen hatte zu weinen.

"Ganz ruhig..." sagte Yongguk leise und legte einen Arm um ihn. "Lass es einfach raus."

"E-er hat es aufgenommen... Als er mit mir geschlafen hat... Ich hätte das normalerweise nie gemacht, ich hab mich nie bereit dafür gefühlt, aber an dem Abend hatte er mich unter irgendwelche Drogen gesetzt, damit ich mitmache. Das hat er mir später irgendwann gesagt. Ich hatte keine Ahnung, dass er uns aufnimmt. Jedenfalls... Hat er das Video in der Schule rumgeschickt..."

Yongguk schaute auf. "Er hat WAS?? Das ist nicht dein Ernst, oder?"

"Doch... Als ich dann wieder in der Schule war, war es die Hölle. Alle hatten es gesehen. Alle haben mich fertiggemacht. Ein paar Mal haben welche versucht, mich alleine irgendwo abzufangen. Du weißt schon, wofür. Ich würde ständig angegrabscht und sowas. Ich hatte niemanden, mit dem ich reden konnte. Meine Eltern haben das Video gesehen und mich rausgeschmissen.  Ich wurde ständig drauf angesprochen, auch auf der Straße, weil er das Video auf Youtube gestellt und es überall geteilt hatte... Irgendwann hab ich nicht mehr geantwortet. Erst hab ich nicht mehr geredet, weil ich es nicht wollte. Weil ich nicht mehr über diese Scheiße reden wollte. Aber irgendwann konnte ich einfach nicht mehr sprechen. Da war wie so eine Mauer in meinem Kopf. Es ging einfach nicht mehr. Aufgehört haben sie trotzdem nicht. Ich bin in der Schule komplett abgesackt, die Lehrer dachten ich spreche nicht, um sie zu ärgern und haben mir laufend schlechte Noten eingetragen. Dann bei meiner mündlichen Abschlussprüfung haben sie gemerkt, dass da was nicht stimmen kann. Ich weiß nicht mehr, was danach alles kam... Jedenfalls ist es auch nach dem Abschluss nicht besser geworden. Ich hab das alles nicht mehr ausgehalten, sie haben mich nicht in Ruhe gelassen. Also hab ich dafür gesorgt, dass ich in die Anstalt komme..."

Yongguk sagte kein Wort. Zu geschockt war er von der Geschichte des Jungen. Sanft zog er ihn in eine Umarmung. Zelo erwiderte diese Geste. Es fühlte sich so gut an, dass er es jemandem gesagt hatte. Er war Yongguk so dankbar, dass er ihm zuhörte. Dass er ihn verstand.

"Ich verspreche dir, dass du nie wieder sowas durchmachen musst. Nie wieder. Ich pass auf dich auf."

Zelo nickte leicht. "Danke... Ich hab dich lieb, Yongguk hyung."

괴물? (DaeJae) [German]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt