Die Dämonenbraut 32

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So verließen wir also Wilbraham, wie von Furien gejagt. Wirklich, ich fuhr wie ein Henker und es grenzt an ein Wunder, daß wir auf der unübersichtlichen und gewundenen Küstenstraße keinen Unfall hatten. Sozusagen auf dem letzten Tropfen Benzin erreichten wir spätabends den nächsten Ort, ein Kaff namens Aylesbury. Ein merkwürdiges Pärchen müssen wir gewesen sein als wir, verletzt und zerschunden, völlig am Ende unserer Kraft, im einzigen Hotel des Ortes abstiegen. Glücklicherweise hatte ich im Wagen ein paar Decken gefunden, in die Laura sich hüllen konnte. Aber als ich dem Portier erklärte, wir kämen von Wilbraham, stellte er ohnehin keine Fragen.

Ich verbrachte meiner tiefen Erschöpfung zum Trotz eine fast schlaflose Nacht. Laura stammelte und erzählte im Traum so daß ich einfach nicht zur Ruhe kam. Viel war mit ihren wirren Worten nicht anzufangen, aber immerhin konnte ich mir zusammenreimen, daß der Ho­hepriester, nach Ausbruch des Brandes, nicht wie die anderen Hochzeitsgäste in Panik zum großen Tor gelaufen war, sondern vielmehr heimlich, nur mit ihr im Schlepptau, durch einen verborgenen Seitenausgang, der nicht von brennenden Leibern verbarrikadiert war, entschlüpf­te.

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Was gibt es noch zu sagen? Die Stadt Wilbraham wurde, wie ich aus dürren Presseberichten entnahm, in jener Nacht ein Raub der Flammen und brannte vollständig nieder. Mit keinem Wort wurde das Schicksal der Bevölkerung erwähnt. Einige Wochen später hatte ich Besuch von zwei Herren, die behaupteten von der Polizei zu sein und mir verschiedene Fragen zu meinem Aufenthalt in Wilbraham stellten. Ich erklärte ihnen, ein repräsentatives Porträt von Mr. As­aph Peabody angefertigt zu haben und bedauerte außerordentlich, daß das gelungene Bild offenbar ein Raub der Flammen geworden war. Ich erklärte, beim Ausbruch des verheerenden Brandes mit Peabodys Tochter auf einem Stadtbummel in Wilbraham gewesen zu sein. Mit knapper Not hätten wir uns retten können. Über die Ursache des Brandes wusste ich nichts zu sagen. Da das Anwesen der Peabodys verwaist gewesen sei, hätte ich Laura zu ihrem Onkel Shylock Duncan in Boston gebracht. Die Herren von der Polizei schienen mit meinen Angaben zufrieden zu sein und belästigten mich nicht wieder. Dass ich Laura zum Bruder ihrer verstorbe­nen Mutter und dessen Gattin Kate brachte ist übrigens wahr.

Die Duncans waren wohlhabende und kultivierte, aber letztlich doch recht einfach strukturierte Leute. Er war irgendein hohes Tier in der lokalen Politik und sie glänzte als Dame der Gesell­schaft an seiner Seite. Den beiden war es nicht vergönnt gewesen eigene Kinder zu haben und so nahmen sie sich mit Begeisterung der Tochter ihres ungeliebten Schwagers an. Phantasielos und bodenständig wie sie waren, konnten sie wenig mit Lauras wirren Erzählungen anfangen. Ich denke, Mr. Duncan hielt sie für überspannt, was er dem schlechten Einfluss seines Schwagers zuschrieb. Überhaupt hatte er keine gute Meinung über die Familie seiner Frau. Eine Einstellung die Kate durchaus teilte. Ich fand die Duncans von Anfang an sterbenslangweilig, aber Laura erholte sich in dieser prosaischen Umgebung erfreulicherweise überraschend schnell von ihrem Abenteuer und erzählte mir einige Wochen später, bei einem meiner häufigen Besuche, sie könne sich kaum noch an die ganze Geschichte erinnern und das alles käme ihr nun vor wie ein ferner Alptraum. Nach und nach trennten sich unsere Wege wieder. Sehr zur Freude von Lauras neuer Familie, die zwar anerkannte, daß ich ihre geliebte Ziehtochter vor irgendeiner fürchterli­chen Gefahr gerettet hatte, aber insbesondere Tante Kate, die, obwohl sie sich für eine Anthroposophin hielt, voll geheimen Widerwillens gegen mich war, schien nicht sicher zu sein, ob ich nicht eine ebenso fürchterliche Gefahr darstellte.

Mir aber ist eine Erinnerung an jene Tage geblieben. Denn in den ersten Wochen bei ihrem Onkel stand mir Laura, sehr zum Unwillen ihrer bigotten Zieheltern, Modell für ein Bild. Ich malte sie so wie ich sie auf dem Gemälde in meinem Traum gesehen hatte. Und tatsächlich ist das Werk fast so gut geworden wie jenes, das mir mein Nachtmahr vorgaukelte. Man kann sich denken, daß ihre konservative Familie Zeter und Mordio schrie nachdem ich meine Arbeit beendet hatte und feierlich im Kreis von Onkel und Tante und weniger angeblich kunstbegei­sterter Freunde enthüllte. Vermaledeites, heuchlerisches Bildungsbürgergesindel, möge sich der Abyss auftun und das ganze Pack verschlingen!

Ich bekam daraufhin Hausverbot bei den Duncans. Laura und ich trafen sich noch eine Weile heimlich. Aber nach und nach begann unser Interesse aneinander zu erlahmen. Wir schrieben uns noch ein paar recht nichts sagende Briefe und dann brach auch dieser Kontakt ab. Drei Jahre danach ist sie dann nach Europa gegangen, wo sie eine Anstellung als Sekretärin eines bedeutenden Altertumsforschers aufnahm. Viele Jahre später sollten sich unsere Wege wieder kreuzen, aber das ist eine völlig andere Geschichte von der ich zu gegebener Zeit berichten möchte.  Das Bildnis welches ich damals von ihr malte befindet sich übrigens immer noch in meinem Besitz. Eben jetzt wo ich die letzten Sätze meiner Erzählung niedergeschrieben habe, blicke ich zu ihm auf und mir wird noch einmal warm um mein altes Herz.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 05, 2014 ⏰

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