Kapitel 1

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Mobbing ist das langsame Abwürgen
einer nicht geduldeten Persönlichkeit.
~Franz Schmidberger

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[Daniel]

Ihm war schlecht, als er den Löffel voll mit Cornflakes herunterwürgte. Er war sehr nervös, seine Hände zitterten unentwegt und sein Frühstück konnte er nur mit Müh und Not nicht wieder ausspucken.

»Was ist denn los, Danny? Du isst ja gar nichts!«, seine Mutter, eine korpulente dunkelhaarige Frau, strich ihm über die pechschwarzen Haare und kniff ihn dann in die Wangen, was sich als ziemlich schwer erwies, weil er den Kopf gesenkt hatte. Daniel schüttelte sich kurz und richtete sich auf. Seine Mutter lächelte ihn fürsorglich an. Ihm fiel auf, dass die blauen Flecken in ihrem Gesicht heilten. Er hatte sie also seit längerem nicht mehr angerührt.

»Mum!«, jammerte er und fuhr sich durch die platten Haare, »Ich hab nur keinen Hunger, das ist alles«, dass er sich am Morgen schon zwei Mal übergeben hatte, verschwieg er.

Er hasste es wie seine Mutter ihn verhätschelte und wie sie ihn wie ein Baby behandelte. Selbst sie dachte, ihr Sohn sei ein Opfer. Doch heute sollte sich alles ändern.

Ein Knarren war auf der Treppe zu vernehmen und sowohl Daniel als auch seine Mutter, drehten sich um. Daniels Vater wankte die Treppe hinunter. Er trug die Klamotten vom Vorabend, ein rotes Holzfällerhemd und zerschlissene Jeans, und sah ziemlich fertig aus. Blutunterlaufene Augen, fahle Haut. Als er an seinem Sohn vorbei taumelte, roch Daniel Whiskey und Schweiß. Angeekelt wich er zurück, während sich sein Dad schwerfällig an den Tisch niederliess und sich Toast nahm.

Die Stimmung kippte. Daniels Mum wirkte nicht mehr so fröhlich, sie wirkte deprimiert und traurig. Sein Vater sah so aus, als würde er gleich explodieren. Vorsicht war geboten. Daniel konnte die Cornflakes nicht mehr in sich hinein stopfen. Angewidert schon er die Schüssel von sich. Seine Mum blickte ihn fragend an. Außer den Geräuschen die Daniels Vater von sich gab, als er ihn den Toast biss und es kaute, war es totenstill im Esszimmer.

»Clara!«, schallte sein Dad und zeigte auf die leere Milchtüte die vor ihm stand, »Herr Gott, hol mir Milch!«

Wie ein folgsamer Hund sprang Daniels Mutter auf, lief aufgescheucht zum Kühlschrank, griff nach einer neuen Milchtüte und reichte sie ihrem Ehemann. Dabei wirkte sie so monoton, dass es Daniel kalt über den Rücken lief.

»Daniel, iss auf! So ein undankbares Blag«, wand sich nun der wütende Vater an seinen Sohn und blickte ihn drohend an, während Daniel in sich zusammensackte, wobei seine langen Haare über sein Gesicht fielen.

»Ich rede mit dir!«, knurrte der Vater, ein paar Krümel hingen an seinem Mundwinkel und wurden auf Daniel gespuckt, dieser rührte sich nicht, »Antworte!«

Dem Mann riss der Geduldsfaden und er sprang auf, überragte seinen sitzenden Sohn um Längen. Clara stand wie angewurzelt da und betrachtete das Schauspiel, während ihr Mann den Sohn vom Stuhl hoch zerrte.

»Mach endlich deinen verdammten Mund auf«, er drückte Daniel gegen die Wand, dieser wand sich und weinte.

»Hör auf!«, schrie Daniel, »Hör bitte auf!«

»Ich soll aufhören? Du gehst mir auf die Nerven, Daniel, mit deiner stillen Art«, der Vater drohte ihm mit der Hand, »Kein Wunder, dass du keine Freunde hast! So welche wie du wurden damals in unserer Schule windelweich geschlagen«

Damit hatte der Mann einen wunden Punkt getroffen. Daniel war stinksauer.

»Ich hasse dich!«, brüllte er seinem Dad ins Gesicht und konnte in seinen Augen beobachten, wie wütend er wurde, »Ich hasse dich, Dad! Ich hasse dich! Ich hasse-«

Ein Klatschen unterbrach den Jungen, sein Vater hatte ihm eine Ohrfeige gegeben und ihn fallen gelassen. Der physische Schmerz war gering, der seelische allerdings, tat höllisch weh. Schluchzend hielt er sich, zusammengekrümmt, die Wange. Sein Vater baute sich über ihm auf, während nun auch seine Mutter reagierte und ihren Mann am Arm packte.

»Lass ihn in Ruhe, Ralph, er ist doch nur ein Kind«, flehte sie, den Tränen nahe, »Bitte hör auf. Er hat dir nichts getan«

Doch störrisch wie Ralph war, wollte er davon nichts wissen. Er stieß seine Frau zurück und richtete seine Aufmerksamkeit auf sie. Daniel Blick schweifte zu seinem Rucksack, in dem auch die Knarre seines Vaters war. Sollte er die Chance ergreifen?

»Er ist doch nur ein Kind. Lass ihn in Ruhe, Ralph«, äffte er seine Ehefrau nach, während er seinen Gürtel löste, »Ich habe die Schnauze voll von euch!«

Daniel bedeckte sich die Augen, als er hörte, wie das Leder des Gürtels auf die Haut seiner Mutter traf. Sie schluchzte und flehte, während ihr Ehemann auf sie eindrosch. Daniel konnte nicht zusehen. Irgendwann unterbrach sein Vater.

»Verschwinde!«, schrie er Daniel zu und ließ dabei den Gürtel schnalzen, »Scher' dich zur Schule!«

Gehorsam und mit gesenktem Kopf, nahm sich Daniel seinen Rucksack und konnte beim Rausgehen einen Blick auf seine Mutter erhaschen.

Sie war übersät mit Schnittwunden, Blut lief ihr Gesicht herunter und ihr Schluchzen glich nun eher einem Röcheln. Daniel war so wütend, auf sich selbst und seinen Dad, als er rausging.

Es war nicht fair, dass er sowohl in der Schule, als auch in seinem eigenen Haus vermöbelt wurde. Als sich Daniel auf den Weg zum Schulbus machte und die schrecklichen Gedanken an seinen Vater zurückließ, rollten ihm Tränen über die Wangen. Nervös war er nun nicht mehr, nur aufgelöst und verdammt unschlüssig. Wollte er es wirklich heute tun? Sein Plan war zwar wasserdicht, allerdings fühlte er sich nicht bereit.

»Du machst es heute«, mahnte er sich leise, als er in den Schulbus stieg, »Du bist kein Feigling, Daniel. Du musst dich durchsetzen«

Er zog einige Blicke auf sich, merkwürdige, fragende Blicke, doch diese blendete er aus. War nicht das erste Mal, dass er so angestarrt wurde. Die meisten hielten ihn für einen Freak. Er war mager und blass, trug abgetragene Klamotten. Alles Faktoren, die einen uncool machen.

Sie ließen es ihn jeden Tag spüren. Er gehörte nicht dazu, war nicht für diese Art von Gesellschaft geschaffen und sie ließen es ihn spüren, dass er anders war, ein Sonderling. Das schürte seinen Hass nur noch mehr. Er war so unsagbar wütend, erneut. Keine Nervosität, keine Traurigkeit. Purer Hass brodelte in ihm auf, als er nach einer kurzen Fahrt das Schulgebäude erblickte.

Er war nicht nervös. Er war verdammt wütend.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 31, 2018 ⏰

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