Draußen waren laute Schritte zu hören. Der Boden bebte, Bäume fielen um, Hauswände stürzten langsam in sich zusammen.
Sie wachte von dem Lärm auf, der draußen herrschte, und ging ans Fenster. Es war stockfinster, nicht einmal der Mond schien, obwohl doch Vollmond war. Nur vereinzelte Umrisse konnte man erkennen.
Etwas bewegte sich und ein kleiner Teil des Mondes wurde sichtbar, verschwand kurz darauf aber auch schon wieder. Da wurde es ihr bewusst - Die Neseir kamen. Ihre Augen weiteten sich, sie wollte schreien, doch ihr Mund war wie zugeklebt.
Sie drehte sich um und rannte durch den Flur in das Schlafzimmer ihrer Eltern, das schon hell erleuchtet war. „Verschwinde Mikayla", schrie ihr Vater sie an, doch sie blieb stehen. „Verschwinde", schrie jetzt auch ihre Mutter.
Dieses Mal tat sie das, was ihr gesagt wurde und rannte. Raus aus dem Haus auf die Straße, die schon zur Hälfte mit tiefen Rissen versehen war, wo schon jemand auf sie wartete; ihre Cousine. Sie rannten weg. Rannten und rannten, bis sie nicht mehr konnten.
Kurz vor dem kleinen Stück Regenwald, das ungefähr zehn Kilometer von der Stadt entfernt war, blieben sie stehen und drehten sich ein letztes Mal um. Sie dachten an alles, was sie in dem kleinen Dorf erlebt hatten. Wahrscheinlich würden sie nie wieder zurückkommen. Ein letzter, sehnsüchtiger Blick voller Schmerz, dann war alles vorbei.
Sie betraten voller Ehrfurcht den Regenwald, welcher voller tropischen Pflanzen war, um Schutz vor den Neseirn zu finden.
Das Klima war ziemlich feucht. Die kleinen Stücke Regenwald, die es noch gab, waren die einzigen Orte, an denen es noch halbwegs oft und viel regnete. Beide sahen sich erstaunt um, von der Kraft der Natur fasziniert.
Auch wenn der Regenwald nie wirklich weit weg gewesen war, war er doch so fern gewesen. Und jetzt durften sie, wenn auch unter nicht wirklich schönen Umständen, endlich hier sein.
Sie blieb kurz stehen, ihre Cousine lief weiter, weil sie sich in einer Liane verfangen hatte. Als sich die Liane von alleine bewegte, bemerkte sie jedoch, dass es eine Würgeschlange war. Die Schlange schlängelte sich immer weiter an ihrem Arm bis hin zum Hals hoch. Es war ein ziemlich großes Exemplar ihrer Sorte, hatte aber haargenau die gleiche Farbe, wie die Schlange aus dem alten Buch ihrer Mutter. „Bree", versuchte sie gedämpft zu rufen, doch ihre Cousine lief einfach weiter. „Bree", rief sie noch ein letztes Mal laut, bevor sich die Schlange langsam um ihren Hals schlang. Vor ihren Augen bildeten sich kleine, schwarze Punkte, die immer größer wurden. „Mikayla", rief jemand aus scheinbar weiter Ferne.
Sie hörte noch, wie etwas die Luft durchschnitt und merkte, wie der Klumpen um ihren Hals abfiel, danach nahm die Schwärze sie komplett ein und sie fiel zur Seite weg.
Als sie aufwachte, musste sie blinzeln um etwas sehen zu können. Das Licht, das durch die Baumkronen drang, war allerdings so grell, dass sie ihre Augen gleich wieder zukniff um sie zu schonen.
Sie versuchte langsam aufzustehen, doch sobald sie stand, bildeten sich die kleinen, schwarzen Punkte wieder, deshalb ließ sie sich vorsichtig nach hinten fallen und landete schließlich wieder auf dem harten Waldboden.
Um noch ein bisschen vor sich hin dösen zu können, schloss sie ihre Augen wieder, als sie Schritte hörte. Sofort setzte sie sich ruckartig auf und schaute sich in der Gegend nach einem passenden Gegenstand um, den man als Waffe einsetzten könnte.
Während die Schritte näher kamen, fand sie einen Eisenstab. Das kalte, verrostete Eisen schien wie für ihre zaghafte Hand gemacht zu sein. Es lag perfekt in ihrer Hand und würde eine willkommene Waffe sein oder zumindestens besser als ein Ast... Sie kroch leise zu ihm hin.