Prolog

73 6 0
                                    

Der Bass dröhnte in seinen Ohren und wie von selbst fing er an seinen Mund zu bewegen. Die Wörter verließen, völlig ungeplant und doch sorgfältig überlegt, seine Zunge und formten sich schnell zu Melodien, die sich mangels Singtalent in Rap verwandelten. Jedes Mal aufs Neue war er von sich selbst beeindruckt, wenn er sich Rappen hörte. Es war ihm ein Rätsel, wie er es schaffte die Worte so schnell zu sagen, aber es passierte einfach. Er war sich bewusst, dass er keinesfalls der Schnellste war und doch war er stolz, dass er es wenigstens etwas schneller als der Durchschnitt schaffte.

Sein Buch, das aufgeschlagen vor ihm lag, hatte er schon längst vergessen, ebenso, dass er sich in einer Bibliothek befand. Er liebte Bücher und ihren Geruch, der meistens nichts von den Abenteuern und Geschichten vermuten ließ, die sich in diesen Werken versteckten. Der Ort war nahezu perfekt , deshalb nutzte er ihn oft, um ein wenig Abstand zu bekommen und alles von einer anderen Perspektive zu betrachten. Die ganze Zeit in dem "Studio" zu sitzen und über Texten zu brüten, hielt er auf die Dauer nicht aus.

Seine Augen waren geschlossen, das Einzige, was zählte war die Musik. Der wummernde Bass, das dumpfe Geschrei... Moment! Diese Art von Geschrei passte nicht wirklich zu diesem Song. Er war sich ziemlich sicher, dass die Worte "Verflucht, das ist eine Bibliothek, wenn Sie nicht endlich die Klappe halten, sehe ich mich gezwungen Ihnen den Mund zuzukleben und Sie mit einem heftigen Tritt in den Hintern nach draußen zu befördern" nicht in diesem Lied vorkamen.
Blinzelnd öffnete er seine Augen und hatte die Gelegenheit einen Anblick zu genießen, der nicht gerade schön war und den er leider viel zu oft zu Gesicht bekam. Ein wütendes Gesicht blickte ihn an. Eine Brille im Gesicht und die Haare zu einem strengen Dutt gebunden, sah sie nicht so aus, als würde sie Spaß verstehen. Die Bluse war bis ganz oben zugeknöpft und der Rock sah aus, als wäre er von ihrer Großmutter. Dabei war sie gar nicht so alt. Im Gegenteil, sie war sogar ziemlich jung, vielleicht etwas jünger als er. Sie würde richtig hübsch aussehen, würde sie nicht diese furchtbaren Sachen tragen. Vor lauter Gedanken hatte er ganz vergessen, dass das eben beschriebene Mädchen genau vor ihm stand und ihn immer noch mit einem Gesichtsausdruck ansah, als würde sie am liebsten ihre Fingernägel in seine Haut rammen und ihm das Gesicht zerkratzen.

"Äh... ja?", gab er sehr intelligent zurück, obwohl er genau wusste, was sie gesagt hatte. Ihre Wangen begannen sich in einem Rotton zu färben, der nicht mehr als normal gelten konnte. Der Grund saß offensichtlich vor ihr und hatte gerade Minuten lang vor sich hingerappt bevor er sie bemerkt hatte und das, obwohl überhaupt lauteres Sprechen hier absolut verboten war.

Sie schnaubte. Kurz schloss sie ihre vor Wut glitzernden Augen, um sich zu beruhigen. Ein, Aus. "Würden Sie sich höflicher Weise dazu herablassen Ihre Lautstärke herunterzuregeln, damit nicht die gesamte Bibliothek daran teilhaben muss?" Er grinste ertappt und lächelte sie dann entschuldigend an. "Natürlich. Tut mir leid. Manchmal überkommt es mich einfach." Sein normalerweise ansteckendes Lächeln schien ihr völlig egal zu sein. Ihr Blick war genauso eiskalt, wie ihre Stimme als sie sagte: "Habe ich mitbekommen", und anschließend auf dem Absatz kehrt machte und wieder in den Tiefen der Bibliothek verschwand.

Erleichtert atmete er auf, dass er nicht, wie sonst üblich, rausgeschmissen wurde, sondern sogar bleiben durfte. Vielleicht hatte sein berauschendes Lächeln doch seine Wirkung gezeigt, dachte er sich verschmitzt grinsend und wandte sich wieder seiner Lektüre zu, die immer noch darauf wartete gelesen und nicht länger ignoriert zu werden.

Ein grooooooßes Dankeschön an violano  😘

Bibliophilie // Namjoon Ff Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt