3. Kapitel

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Diese Nacht kann ich wieder nicht schlafen. Nicht, weil der Promi vom Eck wieder durch die Straße brettert. Dieses Mal kommen die Geräusche aus dem Zimmer über mir. Das Zimmer meiner Mum und Mehmet. So wie es klingt, wollen die beiden den Rekord für den lautesten Sex aufstellen. Stöhnend lege ich mich auf den Bauch und drücke mir ein Kissen über den Kopf, was die Geräuschkulisse nur minimal dämpft. So kann ich nicht schlafen. Müde stehe ich auf und gehe runter in die Küche, nehme mir ein Glas Milch und tapse in meinem Schlafanzug vor die Haustür auf die Steintreppe. Ich beschließe, dass das mein neuer Lieblingsort ist. Gähnend schaue ich auf mein Handy und erkenne, dass es schon 2 Uhr am Morgen ist. „Morgen, Mia“, höre ich es aus dem Nichts. „Was willst du, Blondie?“, gebe ich zurück. „Mein Versprechen einhalten“, antwortet er und setzt sich neben mich. Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Welches Versprechen?“ „Dass wir uns heute wieder sehen“, antwortet er gelassen und streckt seine Beine aus. „Habe ich das richtig mitbekommen? Du hast keine Ahnung, wer ich bin?“, spricht er normal weiter. „Nop“, antworte ich müde, lasse meine Lippen ploppen und will aufstehen. „Das verletzt mich. Das ist wirklich traurig“, macht er theatralisch und ergreift meine Hand. „Finger weg!“, rufe ich empört und entziehe ihm meine Hand. Da ich dieses Mal schlauer war, habe ich einen Schlüssel mit raus genommen, welche ich nun in das Türschloss stecke und umdrehe. „Willst du schon rein gehen?“, fragt er gespielt traurig. Ich rolle die Augen. „Ja, weg von dir“, antworte ich. „Niall Horan“, vernehme ich noch seine Stimme. Fragend sehe ich ihn an. „Ich bin Niall Horan. Von One Direction“, erklärt er. Ich nicke und schließe die Tür. Spacko. Der soll mich in Ruhe lassen. One Direction… Das sagt mir irgendwas.

Da es ruhig ist, als ich wieder rein komme, gehe ich davon aus, dass Mam und Mehmet genug Spaß hatten und ich ruhig schlafen kann, aber anscheinend brauchten die Beiden nur eine kurze Pause, da es nach 5 Minuten gleich wieder richtig zur Sache geht. Stöhnend nehme ich mein Handy vom Nachtisch und da ich nichts besseres zu tun habe, google ich Niall Horan. Plötzlich schreit Mam lauter als ein hungriger Löwe auf der Jagd ich ich erschrecke mich zu Tode, wobei mein Handy auf den Boden fällt und das Display zerspringt. Nachdem der erste Schock überwunden ist, hebe ich es auf und gucke, ob es noch funktioniert. Natürlich nicht, wie sollte es auch anders sein? Sind Mam und Mehmet endlich fertig? Nachdenklich lausche ich und als ich männliches Schnarchen höre, atme ich erleichtert aus. Meine Brüder schnarchen nämlich nicht, weshalb ich davon aus gehe, dass Mehmet schläft. Vorsichtig schließe ich meine Augen und genieße die Ruhe.

 Am nächsten Tag im Unterricht kritzele ich einen Galgen mit einem toten Strichmännchen daran auf ein Blatt Papier. Ich male ihm blonde Haare mit braunem Ansatz und unter ihm zeichne ich eine Blutlache. Daneben schreibe ich in geschwungener Sonntagsschrift Niall Horan. Ich bin aus irgendeinem Grund von ihm genervt. Sehr genervt. Ich vernehme ein Räuspern direkt vor mir. Erschrocken blicke ich zu meiner Mathelehrerin und schaue sie wie ein Reh an. „Wir haben jetzt Mathe und nicht Kunst. Du solltest lieber aufpassen, als Mordpläne zu schmieden“, meckert meine Lehrerin und stemmt ihre Hände in die Hüfte. Tadelnd schüttelt sie ihren Kopf. Seufzend packe ich meine Kritzelei weg und höre mehr oder weniger gespannt zu. In der Mittagspause beschließe ich, Freunde zu finden. Also gehe ich zu den, die auch von allem und jedem genervt sind und frage: „Kann ich mich zu euch setzten?“ Unsicher deute ich auf den Tisch. „Mach doch“, antwortet ein schwarzhaariges Mädchen und schiebt sich was von dem ekelhaften Klumpen zu Essen in den Mund. Ja, wir werden sehr gute Freunde werden, stelle ich optimistisch fest. Ich mustere die Menschen, die hier am Tisch sitzen. Es sind ein Junge und zwei Mädchen. Wir unterhalten uns nicht und gucken uns nicht an. Das einzige, was wir machen, ist unser Essen essen und uns nicht auf die Nerven gehen.

 Nach der Schule regnet es in Strömen und ich habe keinen Regenschirm dabei. Ab sofort muss ich das ändern, fürchte ich. Schließlich ist das Wetter für London üblich. Zuhause angekommen empfängt mich Mam freudig und zieht mich in eine Umarmung. „Ähm… Ich hab dich auch lieb“, erwidere ich unsicher. „Ich habe den Job!“, freut sie sich und nimmt meine Hände in ihre, während sie auf und ab springt. Ich beobachte sie dabei. Sie hat gute Laune, also jetzt oder nie. „Duhu… Mam… Mein Handy ist kaputt gegangen und ich brauche ein neues… Und einen Regenschirm brauche ich auch…“, flöhte ich zuckersüß und grinse sie an. Mam grinst zurück und tippt mir einmal auf die Nase. „Nein, mein Schatz. Wir haben gerade kein Geld dafür. Einen Regenschirm hat Mehmet hier, den kannst du bestimmt mal benutzen“, antwortet sie genauso wie ich. Mein Grinsen verschwindet und entgeistert sehe ich sie an. „Aber Mehmet hat doch total viel Geld! Er gehört doch jetzt zur Familie, da kann er mir doch mal Geld leihen“, protestiere ich und verschränke meine Arme vor der Brust. Mam lacht. „Du wirst Mehmet nicht nach Geld fragen. Du kannst dir ein neues Handy von deinem Geld kaufen.“ Toll. Ich habe kein Geld. Ich bekomme ja auch kein Taschengeld. „Von welchem Geld denn? Ich bekomme doch kein Taschengeld. Zahlt Dad denn nicht Unterhalt?“ Bockig setze ich mich auf die Arbeitsplatte in der Küche. „Ich kann dir kein Taschengeld geben, Schatz. Wir haben im Moment nicht das Geld dafür. Und natürlich zahlt Dad Unterhalt, aber davon bezahle ich Essen, Trinken und vernünftiges Schuhwerk. Ich kann dir definitiv kein neues Handy kaufen.“ Mam wendet den Blick ab und ihre Gute Laune ist wie weggewischt. „Ich brauche aber ein Handy!“, schreie ich und springe von der Arbeitsfläche. „Du bekommst aber keines“, schreit Mam zurück und geht genervt aus dem Raum. Schlechter gelaunt als sonst schnappe ich mir eine Jacke mit Kapuze und den letzten Rest Geld, den ich habe. Das reicht gerade mal für einen Regenschirm. Seufzend überlege ich, wie ich an Geld komme. Ich brauche einen Job.

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