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GEFALLENE FASSADEN

PoV.: Lucy

Ich liege in meinem Bett und es regnet. Ein Gewitter ist aufgezogen, als ich mich zurück in mein Zimmer schlich. Ich hasse Gewitter. Sie jagen mir seitdem ich klein bin Angst ein. Vermutlich weil mir damals niemand die Angst vertrieben hat. Ich war schon immer allein. Meine Mutter gab mich hier ab als ich noch ein Baby war, danach ist sie für immer aus meinem Leben verschwunden. Seitdem bin ich hier-im Waisenhaus. Ich schließe meine Augen und versuche noch wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu erhaschen.
Ich habe schon langsam eine Hassliebe zu meinen Wecker entwickelt, als ich ihn am nächsten Morgen liebevoll gegen die Wand warf. Nach meinem morgendlichen Ritual, das aus Fertigmachen und anziehen besteht melde ich mich ab und gehe zur Bushaltestelle. Dort angekommen rauche ich erstmal meine erste Morgenzigarette, während ich auf den Bus warte. Nach ungefähr einer Dreiviertelstunde bin ich an der Schule angekommen. Wie immer viel zu früh, aber den späteren Bus kann ich nicht nehmen, weil ich sonst viel zu spät kommen würde. Ich gehe schon mal in den Klassenraum in dem ich Unterricht haben werde, pflanze mich auf meinen gewohnten Platz und warte mit Kopfhörern in den Ohren auf Sam, die erst in ca. 40 Minuten kommen wird. Ich lege meinen Kopf auf den Tisch und lausche der Musik in meinen Ohren.

"Ähhm... Sorry...", weckt mich eine Stimme. Ich hebe verschlafen meinen Kopf und schaue ein Mädchen mit dunkelblonden, gelockten Haaren und blauen Augen an. Ich erkenne sie wieder. Es ist das neue Mädchen aus unserer Klasse. Jasmin. "Was ist?", frage ich mit leicht belegter Stimme. "Ich wollte nur fragen, ob du auch in der 12A bist, weil ich mich hier noch nicht so auskenne." Ich sage nickend:" Ja du bist in der Richtigen Klasse, Jasmin" Sie schaut mich verblüfft an. Ich zucke mit den Achseln und lege meinen Kopf wieder auf die Tischplatte, davor sage ich ihr aber noch: "Lucy" Daraufhin sieht sie mich fragend an "Mein Name", antworte ich auf ihre unausgesprochene Frage. " Danke", antwortet sie schüchtern. Ich zeige auf die zwei Plätze rechts von mir. Die sind noch frei. Sie lächelt dankend und setzt sich auf den Platz direkt neben mir. "Warum bist du schon so früh hier?", fragt sie. "Scheiß Busfahrzeiten", antworte ich knapp. "Was ist mit deinen Eltern? Können die dich nicht bringen?", fragt sie mich. "Haben keine Zeit dafür.", sage ich ausweichend. Niemand, nicht einmal Samy weiß, dass ich im Heim lebe. Ich wollte einfach nie dieses arme, bemitleidungswürdige Mädchen sein, das ihre Eltern nicht mal kennt und seit sie denken kann in diesem Scheiß Heim wohnt. "Und warum bist du so früh schon da?", frage ich sie. "Meine Schwester hat mich mitgenommen, sonst hätte ich laufen müssen. Naja ist halt so. Mein Fahrrad ich kaputt und ich hasse es zu laufen, von daher war das hier die beste Option." Wir wissen beide nicht was wir sagen sollen, also sitzen wir einfach schweigen nebeneinander und warten bis unsere Freunde endlich kommen. Der Unterricht hat schon angefangen und Samy ist immer noch nicht da, was komisch ist, denn ihr ist es immer total peinlich zu kommen, obwohl sie es nicht offen zeigt. Ich kenne sie einfach zu gut. Nach dem ersten Block checke ich mein Handy. Ich habe eine SMS von ihr.

( L: Lucy ; S: Samy )

S: Kannst du zu mir kommen?

L: Wo bist du?

L: Was ist los?

S: Sag ich dir wenn du da bist.

S: Bin am Spieler

L: Okay

L: Komme so schnell ich kann

Ich nehme meine Tasche und gehe zu der Lehrerin bei der ich den nächst Block habe. Ich sage ihr, dass es mir nicht gut geht und ich nach Hause gehe. Sie lässt mich gehen und trägt es ins Klassenbuch ein. Ich laufe so schnell ich kann zum Spielplatz, auf dem Samy und ich oft abhängen. Jetzt ist er Menschenleer. Zu dieser Uhrzeit kein Wunder. Ich sehe Sam auf der Schaukel sitzen und gehe zu ihr. Auf ihrem Gesicht prangt ein großer blauer Fleck und auf ihrem Schoß sitzt ein kleines Mädchen, das ihr unglaublich ähnlich sieht. Ich nehme Samy in den Arm. "M...meine Mom... ", schluchzt sie," Sie hat schon wieder getrunken. Und dann war Lina zu laut und dann wollte sie...", sie schluchzte lauter," dann wollte sie Lina schlagen und ich bin dazwischen gegangen... " Ich nahm sie fester in den Arm, schloss die Arme so um die beiden, als könnte ich die beiden vor der ganzen Welt beschützten. "Ich hab noch etwas Geld. Komm wir gehen in das Bistro um die Ecke und trinken was.", schlug ich vor, schnappte mir den Rucksack, der neben den beiden stand und nahm Lina mit der anderen an die Hand. Samy nahm Lina an der anderen Hand und so gingen wir in das Bistro. Dort blieben wir den ganzen Tag. Ich lernte Selina, die nur Lina genannt werden wollte besser kennen. Samy erzählte mir viel von ihrer Familie, dass ihr Vater früh gestorben war und das ihre Mutter seit einiger Zeit trank und das sie versuchte sich so gut wie möglich um Selina zu kümmern, welche erst fünf war. Ich habe mir immer gewünscht als ich noch klein war, dass ich auch eine große Schwester habe, die mich in den Arm nimmt wenn es mal wieder ein Gewitter gibt, die mich vor den anderen bösen Mädchen im Heim beschützt, so eine wie Samy.

Es ist schon um vier und wenn ich keinen Ärger bekommen will, muss ich jetzt gleich los. " Samy, wo geht ihr jetzt hin?", frage ich sie besorgt. "Ich hatte gehofft, dass ich bei dir schlafen kann. Deine Eltern sind doch bestimmt nicht dagegen, oder?", antwortete sie. Ich verzog schmerzlich das Gesicht. Zeit die Fassade fallen zu lassen. Zeit für die Wahrheit. "Samy", sage ich vorsichtig. Sie legt ihren Kopf schräg:"Was ist?" Ich atme einmal tief durch: " Samy, ich wohne nicht bei meinen Eltern... Meine Mutter hat mich als ich noch ein Baby war im Waisenhaus abgegeben und dort wohne ich immer noch." Es war so erleichternd die Wahrheit zu sagen, aber gleichzeitig stach es mich wie ein Messer ins Herz, als ich sah, dass die Hoffnung aus Samys Augen verschwand, die Trauer und Enttäuschung den Platz einnahm. "Warum hast du mir das nie gesagt? Du wusstest doch, dass ich für dich da bin, so wie du heute für mich da warst.", fragte sie den Tränen nahe. "Ich weiß s nicht. Ich hatte Angst, dass du mich anders behandelst, als wäre ich arm, zerbrechlich.", schluchzte ich. Sie nahm mich als Antwort einfach in den Arm. "Ich weiß wo wir hin können", sage ich," Ich kenne ein Gebäude in dem ich öfter mal penne, wenn ich keinen Bock auf das Heim habe. Ich sage dann immer der Heimleiterin, dass ich bei 'ner Freundin schlafe und fälsch die Unterschrift der Eltern. Ich bringe euch gleich mal hin. Es ist ziemlich versteckt. ich habe es aber ganz gut eingerichtet. Habt ihr genug Sachen oder soll ich für euch noch was holen?" "Wir holen gemeinsam etwas. Meine Mom arbeitet gerade noch, also fahren wir erst mal zu uns. Ich packe Sachen, nimm Geld mit und schreib ihr einen Zettel, dass wir uns nicht so schnell wieder Blicken lassen."

Also gingen wir los, holten Sachen, Geld, Essen, Kuscheltiere und kippten den ganzen Alkohol der sich in der Wohnung befand weg. Ließen den Zettel liegen, machten einen Abstecher zum Heim, wo ich mich abmeldete und liefen zu meinem Geheimversteck. Es war ziemlich abgelegen. Es war ein Plattenbau. Innen hatte ich mir ein Zimmer im 3. Stock "gemietet". Ich hatte die Tür mit einem Schloss gesichert, für das ich ziemlich lange gespart hatte. Ich schloss auf und wir befanden und in einem kleinen, provisorisch eingerichteten Raum. Eine Luftmatratze mit Kissen drauf lag in der einen Ecke, darüber hing ein Regal. Auf der anderen Seite des Raumes hatte ich eine Theke aus Paletten, die ich hier gefunden hatte gebaut, auf die ich eine Holzplatte gelegt hatte. Daneben stand ein kleiner Herd und eine Menge Konservendosen. "Ich bin oft hier", sagte ich, als ich Samys beeindruckten Blick sah. "Hinter der Tür hier ist das Bad" Ich deutete auf eine Tür die in ein sehr kleines Bad führte. Wenigstens hatte ich laufendes Wasser, auch wenn es meistens kalt war. "Wie kannst du dir das leisten?", fragte Samy. "Jetzt Ferienjobs und Kellnern, aber früher als ich noch nicht legal arbeiten durfte meist durchs dealen. Preis geht auch total: 500 Euro monatlich" Ich fing an eines der Konservendosengerichte warm zu machen, während Samy eine zweite Matratze aufblies. Immer wieder schaute sie besorgt zu ihrer kleinen Schwester, die mit einem Kuscheltier an die Brust gedrückt sich auf der anderen Matratze zusammengerollt hatte. "Gib ihr etwas Zeit und kümmer dich jetzt gut um sie, das braucht sie.", sage ich mitfühlend zu ihr. Nachdem wir gegessen hatten liegen wir jetzt auf den Matratzen: Samy und Lina auf der großen, die schon vorher hier lag und ich auf der kleinen. Linakuschelte sich fest an Samy, welche beschützend die Arme um sie legte. Nach einer gefühlten Ewigkeit konnte ich endlich einschlafen, nachdem ich mir über alle möglichen Fragen Gedanken gemacht hatte.

..........

Ich weiß ich habe echt lange nicht mehr geschrieben, aber ich hoffe ihr mögt es.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 26, 2019 ⏰

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