1/5

136 14 6
                                    

Der Bass vibriert durch meinen Körper, während ich lauthals mitsinge. Die Körper meiner Freunde schmiegen sich um mich herum, umhüllen mich mit Freude und dem Gefühl von Zugehörigkeit. Schweiß rinnt über meine Stirn und ich tupfe ihn mit meinem Handrücken ab in der Hoffnung mein Make-Up überlebt. Heute ist der letzte Tag des Semesters. Der letzte Tag hier auf dem Unicampus mit Uniband umgeben von Unifreunden. Der letzte Tag vor der dreimonatigen Sommerpause.

Es ist ein guter Abschluss, denke ich. Kein Drama – denn davon hatte ich dieses Jahr genug. Kein Liebeskummer mehr. Keine Einsamkeit. Ich drehe mich von der Bühne ab, auf der der Gitarrist ein Solo vollführt und will Katy und Matt fragen, ob sie etwas zu trinken wollen, als mein Blick auf sie fällt und mein Herz einen kleinen Sprung macht. Einen sehr kleinen Sprung, denn ich bin schließlich längst über sie hinweg, stimmt's?

In der Millisekunde, in der ich meine nächste Entscheidung treffe, rasen tausende Gedanken durch meinen Kopf.

Ich sollte sie ignorieren. Ich sollte ihr zeigen, was für eine Bitch sie ist. Ich sollte lächeln, wenn unser Blick sich kreuzt und einfach weitertanzen. Ich sollte zu ihr rennen und sie küssen. Ich sollte sie an mich ziehen und nie wieder gehen lassen. Ich sollte ihr alles sagen, was ich in den letzten Monaten gedacht habe.

„Wollt ihr was trinken?", schreie ich Katy und Matt zu. Matt schüttelt den Kopf aber Katy nickt und bestellt ein Bier. Ich strecke den Daumen hoch als Anzeichen, dass ich sie verstanden habe und drücke meine Handtasche an mich, während ich mich durch die Menge boxe.

Als ich endlich den menschenüberfüllten Rasen verlasse und den gepflasterten Weg zur Bar betrete, halte ich kurz inne und blicke mich um. Nein, sie ist nirgends zu sehen. Wahrscheinlich irgendwo in der Menge. Ich hoffe sie wird zu Tode zerquetscht. Ich meine, ich hoffe es geht ihr gut und eigentlich ist sie mir absolut egal. Genau. Total egal.

Ich laufe zur Bar und muss unwillkürlich daran denken, dass wir uns genau hier kennengelernt haben. Vor einem dreiviertel Jahr. Ich habe damals an einem der Tische im Freien gesessen und einen Eiskaffee geschlurft, während ich für die nächste Prüfung gelernt habe, als sie an mir vorbeirannte, stolperte und „voll auf die Fresse fiel" – wenn ich das so unelegant ausdrücken kann. Es sah verdammt witzig aus, aber es tat wohl auch ganz schön weh. Ich bin aufgestanden und zu ihr gerannt, habe sie verarztet – die Gentlefrau, die ich bin.

„Zwei Schofferhofer Grapefruit", bestelle ich an der Bar und halte mich damit davon ab, weiter über sie nachzudenken.

„Das wären 4,65 bitte."

Ich hole mein Portmonnee heraus und bezahle, bevor ich es mir unter den Arm klemme und die zwei eisgekühlten Flaschen entgegennehme. Der Dunst auf dem Glas rinnt über meine Hand und das Etikett der einen Flasche verrutscht. Ich bedanke mich bei der Bedienung und verlasse die Bar. Draußen stelle ich die Flaschen auf einem der Tische ab und verstaue meinen Geldbeutel wieder ordentlich in meiner Handtasche.

„Lana", höre ich plötzlich meinen Namen. Ich schaue auf und eine für die Umstände definitiv unnötig große Welle Adrenalin schwappt durch meinen Magen.

WiedersehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt