Wir lernen uns kennen

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Laute Musik. Die Bässe donnern durch den Raum. Ich liebe es bei guter Musik einfach abzuschalten, mich gehen zu lassen und die ganze Nacht zu tanzen. Doch dies war mir bei diesem gedonnere schlichtweg nicht möglich. Warum kann der DJ nicht einmal einen guten Musikgeschmack haben? Wahrscheinlich war ich nicht betrunken genug um das zu feiern. 

Ich ging an die Bar und schaute mich um: Die Tanzfläche ist voll von taumelnden Jugendlichen. Sie bewegten sich zugedröhnt zur grauenvollen Klängen und versuchen sich gegenseitig in ihrem Zusand anzutanzen, um womöglich noch eine Eroberung zu landen. 3 Jungs hatten sich schon aufgegeben und lehnten in der Ecke. Ein Mädelsabend belegte die Sitzgelegenheiten an den Seiten. Und an der Bar standen die Mädchen nur so schlange, um sich allem von dem angeblich so süßen Barkeeper bedienen zu lassen. Ich war allein und stand verloren in der Menge. Um mir die Zeit zu vertreiben bestellte ich einen Cuba Libre. Ich hasse Freitagabende im Club. 

Meine Freundin, derentwegen ich überhaupt mitgekommen war, hatte sich schon kurz nach unserer Ankunft aus dem Staub gemacht. Aller Wahrscheinlichkeit hatte sie sich zugesoffen und sitzt vermutlich mit irgendeinem Typen knutschend auf dem Mädchenklo. Zuhause würde sie wohl kaum schlafen. Ich beschloss zu gehen. Die Hoffnung auf einen angenehmen, lockeren Partyabend hatte ich schon längst aufgegeben. Da meine Stimmung kaum schlechter werden konnte, verließ ich das heruntergekommene Gebäude. Dies war nicht meine Welt. Auch mit den Menschen außerhalb konnte ich mich nicht arrangieren. Ich verabscheue Raucher. Ich war schon 20 Meter Richtung Bushaltestelle gelaufen, als mir plötzlich jemand hinterhergelaufen kam. Ich erkannte den Umriss eines Jungen. Er war etwa einen Kopf größer als ich, schlank und hatte eine sportliche Statur. Er trug eine Dunkelgraue Jeans, Turnschuhe und eine Blaue Jacke. Sein Gesicht zog mich irgendwie an. Er hatte das gewisse etwas. 

"Du hast da was vergessen..." - Er zeigt mir einen Schlüsselbund. "Danke. Der muss mir wohl an der Garderobe rausgefallen sein." Er lächelte. Sonst sagte er nichts. Ich lächelte zurück. Normalerweise konnte ich immer supergut auf Menschen zugehen, mich mit Fremden unterhalten oder mich irgendwie einbringen. Ich hatte das Talent immer irgendwie in ein Gespräch kommen zu können. Dieses Mal war es anders. Ich war schüchtern und brachte kein Wort heraus. Aus seinem Lachen wurde ein Grinsen. Ich ertappte mich dabei ihn einfach versteinert anzusehen. Verwunderung durchzog diesen einen kleinen Moment der Stille, der mir wie eine Ewigkeit vorkam. 

"Musst du auch in meine Richtung?" Ich fing mich wieder.  "Nunja... Ich hatte jedenfalls nicht vor da wieder reinzugehen" - Er zeigte Richtung Clubeingang. Wir schlenderten zur Haltestelle. Ich erzählte ihm von meinem gescheitertem Abend. Seine Eindrücke deckten sich wesentlich mit meinen. Auch er war der Meinung, dass Musik zu der man nicht nüchtern tanzen konnte, keine gute Musik sein konnte. Wir setzten uns in das Überdachte Wartehäuschen und unterhielten uns weiter. Er stellte sich vor. Ich klebte förmlich an seinen Lippen. Wenn ich nicht gerade Sprachlos war, faselte ich wirre Geschichten die meist keinen Sinn ergaben. Trotzdem hörte er mir gebannt zu. Paul zählte zu den Menschen mit denen man reden konnte. Über jedes Thema zu jeder Zeit. Man war sich sicher er würde folgen und interessiert sein, nicht nur aus falscher Höflichkeit zuhören um eventuell jemanden Aufreisen zu können. Für sowas war er nicht der Typ. Wir lernten uns immer besser kennen. Er lebte im selben Stadtviertel wie ich, spricht fließend Englisch und Französisch, hat keine Geschwister und liebt Italienisches Essen. Nach einer viel zu kurzen Wartezeit kam der Bus angefahren. Dies unterbrach jedoch unser Gespräch nicht im Geringsten. Wir fuhren 5 Stationen, dann musste er aussteigen. Zuvor tauschten wir noch unsere Handynummern aus. Ich wollte ihn auf jeden Fall wiedersehen. Beim Verlassen des Busses drehte er sich noch mal zu mir um. Unsere Blicke trafen sich. Er grinste. 

Ich war verliebt. In der Realität kann es manchmal schneller gehen als man sich ausmalen kann. Glücklich und voller Endorphine kuschelte ich mich in mein Bett. Schlafen konnte ich aber noch lange nicht...

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⏰ Last updated: Jun 27, 2018 ⏰

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Hannah liebt PaulWhere stories live. Discover now