Film ab!

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Es wurde noch ein netter Abend mit meinem Zwilling und ausnahmsweise schlief ich fast direkt ein. Ich hatte mir zur größten Sicherheit auch einen Wecker für den nächsten Morgen gestellt. Das Spiel würde immerhin um 10 Uhr morgens New-Yorker-Zeit angepfiffen werden. Und es war ein verdammt wichtiges Spiel, davon durfte ich keine Sekunde verpassen. Außerdem lief Parallel noch das Spiel Schweden gegen Mexico und das war ebenfalls wichtig für unsere Platzierung in unserer Gruppe. Also stand ich am nächsten Morgen pünktlich auf, ließ mein Mini-Maus-Nachthemd (es war rot-weiß gestreift) an und schlich runter ins Wohnzimmer, wo ich erstmal wieder ZDF suchen musste. Ich war genau pünktlich aufgewacht, denn als ich den Sender gefunden hatte, wurde gerade unsere Nationalhymne gesungen. Wie immer sang ich leidenschaftlich mit. Dann war auch schon Anpfiff. Es passierte wirklich eine ganze Weile absolut gar nichts, bis wir dann auch mal die erste Chance hatten! Aber nein, versemmelt. Und wie immer regte ich mich lautstark darüber auf. Während dessen hatte Schweden schon das erste Tor gemacht. Shit! Zu allem Überfluss blieb es bei uns beim null zu null am Ende der ersten Halbzeit, während Schweden ein weiteres Tor gegen Mexico schoss. Die zweite Halbzeit war beinahe noch schlimmer. Wir hatten tatsächlich einige Chancen, aber alle versemmelt! „Jungs!", schrie ich den Fernseher an, „Wir brauchen nur ein einziges Tor, dann sind wir weiter und Mexico ist raus!" Aber natürlich fiel kein weiteres Tor. Es blieb bis zum Ende bei null zu null. Doch es wurden noch sieben Minuten Nachspielzeit angekündigt. Na super. Schweden hatte das Spiel gegen Mexico mittlerweile mit drei zu null für sich entschieden. Und die Koreaner fingen auf einmal an, unser Tor zu belagern! Dann der Schock: Eins zu null für Korea. Shit! Und dann ging Neuer auch noch wieder so weit aus dem Tor raus! Ich hätte...! Der nächste Schock: Zwei zu null für Korea, weil ein gewisser Torwart der deutschen Nationalmannschaft das Tor komplett frei gelassen hatte!!! Abpfiff. Deutschland war nach der Vorrunde ausgeschieden. Wieso?! Wieso ist das Leben so verdammt unfair?!?!?! Fast heulend ließ ich mich seitlich auf die Couch fallen, als mein Zwilling die Treppe runter kam. ,,Alles klar bei dir?", fragte er etwas verwirrt. ,,Deutschland ist raus!", heulte ich. ,,Und das ist so schlimm, weil...?", fragte Jace ernsthaft. ,,Das ist das erste mal in der Geschichte des Fußball, dass wir nach der Vorrunde ausgeschieden sind", heulte ich weiter, ,,Und dann auch noch durch Korea! Das bringt denen jetzt auch nichts mehr! Ich geh wieder ins Bett und hör Shawns aktuelles Album auf Dauerschleife." Und damit schlurfte ich deprimiert wieder hoch in mein Zimmer, stöpselte mir die Kopfhörer meines Handys in die Ohren und stellte das Album auf Dauerschleife. Dazu kuschelte ich mich in meine Bettdecke ein und bemerkte, dass Alisa mir gschrieben hatte:

Deutschland ist raus😭 Wieso nur?

Frag ich mich auch Bro😢 Wieso ist das Leben nur so unfair😭😭😭

Gute Frage... Aber um ehrlich zu sein: So 💩 wie wir gespielt haben, haben wir das verdient...

Da ist was dran... Dann feuer ich ab jetzt halt England an...😑

Dann zieh doch nach England😒

Hey, du bist nicht die einzige, die hier deprimiert ist!!!😔😔😔

Das Leben ist nur so unfair!!!!😭

Ich weiß😭😭😭

Damit legte ich mein Handy wieder neben mich und lauschte den wundervollen Klängen von Particular Taste.

Ich bunkerte mich den ganzen Rest des Tages über mit meiner Musik auf den Ohren in meinem Zimmer ein und kam nur mal kurz runter, um mir ein paar Essensvorräte anzulegen. So gegen halb acht schlief ich schließlich ein und als ich wieder aufwachte, war ich immer noch deprimiert vom Vortag. Mit dem Elan einer Altersschwachen Weinbergschnecke schlurfte ich die Treppe nach unten und legte mich im Garten ins Gras. Eine halbe Ewigkeit starrte ich in den blauen Himmel und fragte mich, warum das Leben so unfair war, bis ich plötzlich Jace sagen hörte: ,,Ich will sie so einfach nicht allein lassen." ,,Schon klar Kumpel", hörte ich dann Shawns Stimme. ,,Jace, ich bin noch im Schlafanzug!", protestierte ich mich, doch der schien schon weg zu sein. Shawn kniete sich einfach neben mich auf den Boden und zog mich sanft in seine starken Arme. ,,Wieso gegen Korea?", beschwerte ich mich und lehnte mich an ihn, ,,Erst eine gewisse Musikrichtung namens K-Pop mit den Typen von BTS, die meiner Meinung nach alle aussehen wie Mädchen und dann das! Das Leben ist nicht fair!" ,,So schlimm ist K-Pop nun auch wieder nicht", erwiderte Shawn. ,,Doch ist es!", jammerte ich, ,,Ich muss aber zugeben, die können verdammt gut tanzen." ,,Na also", meinte er dann, ,,Alles negative hat auch seine positiven Seiten. Was ist zum Beispiel positiv daran, dass Deutschland jetzt schon ausgeschieden ist?" ,,Naja", schniefte ich dann, ,,Wären wir weiter, dann wären wir im Achtelfinale raus geflogen. Außerdem haben wir auch wirklich grottig gespielt. So sind zumindest die weiter, die es wirklich verdient haben. Mal abgesehen davon sind schon viele Weltmeister in der WM danach nach der Vorrunde ausgeschieden." Es war schön, wie er mir sanft über die Haare strich und mich einfach festhielt. ,,Warst du eigentlich schonmal da drüben im Wald?", fragte Shawn plötzlich. ,,Nein", antwortete ich. ,,Dann komm mit, ich muss dir da mal was zeigen." Und schon hob er mich halb auf die Füße und zog mich mit sich. ,,Aber ich hab keine Schuhe und noch immer meinen Schlafanzug an!", protestierte ich. Und was machte er dann? Er hob mich hoch und trug mich im Brautstil rüber in den Wald. Der war näher dran, als es aussah. Irgendwo auf einer Lichtung setzte er mich wieder ab und da befand sich die wohl größte Pfütze, die ich je gesehen hatte. Es war wie ein Teich, nur flacher. Man konnte dank des leichten Lichteinfalls den Grund sehen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Shawn sich die Schuhe auszog und ins Wasser marschierte. Eine Sekunde verging, bevor er ausrief: ,,Ist das kalt!" Ich ging ebenfalls mit den Füßen ins Wasser und meinte verwirrt: ,,Das ist doch nicht kalt! Da ist selbst die Nordsee kälter." ,,Dein Bruder hat Recht, du bist verrückt." ,,Ich weiß. Aber kalt ist das nun wirklich nicht!" ,,Wo bist du aufgewachsen? Am Nordpol?" ,,Nein, im Westerwald." Er lachte herzlich und fragte: ,,Ist es da echt so kalt?" ,,Kochend heiße Sommer und arschkalte Winter", erwiderte ich und spazierte ein bisschen in diesem flachen Teich umher. Das Licht schwand ein bisschen. Durch das durchlässige Blätterdach sah ich, wie sich der Himmel langsam zuzog. Kennt ihr diese Momente, wenn erst gar nichts da ist und es von einer Sekunde auf die andere anfängt, wie aus Badewannen zu schütten? Genau das war hier bei uns der Fall! Shawn hatte meine Hand ergriffen und wir rannten Hand in Hand über die große Wiese zurück zum Haus. ,,Kacke!", fluchte ich, als wir wieder im Garten standen, ,,Die Tür ist zugefallen! Und die geht nur von innen auf!" ,,Hast du denn keinen Schlüssel dabei?", fragte Shawn, während er sich das Wasser vom Gesicht wischte. Seine Haare tropften bereits und auf meine wurden so langsam nass, genau wie mein Nachthemd. ,,Nein", jammerte ich, ,,Ich komm mir gerade vor wie in so einem Film, wenn der Typ und das Mädchen auf der Veranda stehen, einer von beiden den einen zurück hält und sie dann im Regen stehen und knutschen. Aber sein wir mal ehrlich, Filmküsse im Regen sind doch auch die schönsten." ,,Apropos Filmküsse im Regen", meinte Shawn dann und bevor ich reagieren konnte, hatte er mich schon zu sich ran gezogen und küsste mich auf meine Lippen. Mein Hirn schaltete sich ab und ich erwiderte den Kuss. Tausend Feuerwerke explodierten in meinem Inneren und bei dem nassen auf meinem Gesicht war ich mir mittlerweile nicht mehr sicher, ob es Tränen oder Regentropfen waren. Ich konnte nicht mehr denken. Ich fühle nur mein Herz wie wild in meiner Brust pochen und ich fühlte, wie sehr ich ihn wollte. Ganz kurz lösten wir uns wieder voneinander und er stammelte: ,,Ich weiß, du willst im Moment keine feste Beziehung, aber..." ,,Halt die Klappe du Knallkopf", unterbrach ich ihn, zog ihn zu mir runter und küsste ihn erneut. Es war der schönste erste Kuss, den sich ein Mädchen wünschen kann. ,,Freut mich, dass ihr euren Spaß hattet", hörte ich plötzlich die Stimme meines Bruders und ein bisschen erschrocken fuhren Shawn und ich auseinander. Aber ich konnte nur dämlich kichern, während seine Hände immer noch sanft auf meinen Hüften lagen. Ich fühlte mich wirklich wie in einem dieser romantischen Kitschfilme. Und ich war definitiv und hoffnungslos in ihn verliebt.

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