Um ehrlich zu sein, wusste ich lange nicht, dass ich überhaupt einmal gemobbt worden war. Wirklich klar wurde mir das nämlich erst vor einigen Tagen, also mehr als zehn Jahre nach meiner ersten Bekanntschaft mit Mobbing. Begonnen hat es mit meiner Einschulung. Ich war sieben Jahre alt, scheu und lerneifrig, leider auch etwas besserwisserisch. Keine dieser Eigenschaften wurde mir zum eigentlichen Verhängnis. Vielmehr war es der Fakt, dass unsere Schule sehr klein war und wir in einem Dirf lebten, in dem jeder jeden kannte, der ungefähr gleich alt war (bei den Kindern) oder Kinder im selben Alter hatte (bei den Erwachsenen).
Während ich an ebendieser Schule war, waren nie über 50 Schüler dort angemeldet. Jedes Jahr kam ein neuer Jahrgang hinzu und ein anderer ging, wie überall. In meinem Fall verliess der älteste meiner Brüder, S, die Schule in dem Jahr, in dem ich hinzukam. Der mittlere, J, war zwei Jahrgänge über mir, gemeinsam mit 13 anderen, von denen einige Jungs zu meinen Mobbern werden sollten. Im Jahrgang direkt über mir gab es niemanden, in meinem Jahrgang waren wir zu viert. Drei Jungen, davon war einer mit einem Freund meines Bruders befreundet und die anderen beiden Zwillinge, und ein Mädchen, das in der Schule gerade mal den älteren Bruder hatte, der sich natürlich in einer Phase befand, in der er sich möglichst von seiner Schwester distanzieren wollte, und deren ältester Bruder ebenfalls schon gemobbt wurde. Wer bietet sich nun am ehesten als Mobbing-Opfer an?
Erstaunlicherweise waren es von uns vieren zunächst die Zwillinge, die ins Visier genommen wurde. Da die beiden auf einem Bauernhof aufwuchsen und deswegen auch diesen charakteristischen Duft mit sich trugen, wollte niemand mit ihnen befreundet sein. Auch ich nicht. Zudem war der eine deutlich übergewichtig und schwitzte stark.
Leider gab es nun an unserer Schule einige ziemlich grausame Kinder, darunter Y. Dessen erklärtes Ziel war es während der ersten Zeit, eine "Baby-Armee" aufzustellen, bestehend aus allen Schülern. Der eine der Zwillinge trat freiwillig bei, der andere wollte mit der Sache genausowenig wie ich zu tun haben. Das war womöglich sein Fehler. Meiner zum Glück nicht, denn ich hatte trotz allem noch meinen Bruder, dessen bester Freund eine relativ hohe Stellung bei dieser Baby-Armee einnahm. Nun wollte Y aber alle Schüler als Mitglieder, als "Babies", weswegen er alle auf den übrig gebliebenen Zwilling losschickte und dann die Zwillinge in einem Ring gegeneinander aufhetzte und kämpfen liess. Daraufhin beschloss ich, mich mit den beiden Zwillingen anzufreunden. Was für meine Psyche eine sehr gute Entscheidung war.Kurz darauf empfanden die Jungs es als langweilig, nur so wenige Opfer zu haben. Nun brachte auch der Schutz meines Bruders, beziehungsweise wohl eher jener seines besten Freundes, nichts mehr. Ich war nun auch freigegeben. An vieles erinnere ich mich zum Glück nicht mehr, nur wenige Erlebnisse, die tatsächlich auf Mobbing hindeuten, haben sich in meinem Hirn wirklich festgesetzt.
DU LIEST GERADE
Ich.
RandomMein Leben. Meine Erinnerungen. Meine Gefühle. Meine Gedanken. Meine Meinung. Ich.