Kapitel 1 »Lang nicht gesehen.«

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Erst als ich wieder wach wurde, realisierte ich, dass ich eingeschlafen sein musste. Die Aufregung um Tianas Heilung, die Tage voller Ungewissheit und die wiederholte Gefangennahme hatten ihren Tribut gefordert. Nun saß ich immer noch in der Garage von Connors Dad, die langsam vom Morgengrauen erhellt wurde. Neben mir hatte Luke sich auf dem kalten Steinboden zusammengerollt. Als ich mich bewegte, zogen Schmerzen durch jeden Zentimeter meines Rückens. Die unbequeme Schlafposition ließ ihre Auswirkungen deutlich spüren.

Die Schatten malten lange Striemen auf den Boden, denen ich mit den Augen folgte, bis ich an Connors Rücken hängen blieb. Mit hängenden Schultern hockte er vor dem Gitter. Leise, um Luke nicht aufzuwecken, kroch ich neben ihn. Er sah nicht mal auf. Die letzte Zeit hatte ich schon mehrmals aussichtslose Situationen erlebt, sodass mich dieses Mal eine lähmende Ruhe befallen hatte. Sanft legte ich Connor eine Hand auf die Schulter.

»Wir kommen hier raus, keine Sorge. Deine Erinnerungen bekommen wir bestimmt auch wieder hin. Schließlich muss meine Universalkraft auch für was gut sein...«, begann ich langsam. Er zeigte keinerlei Reaktion. »Vielleicht bekommen wir von deinem Vater die Antworten, die du suchst. Gib die Hoffnung nicht so einfach auf. All die Zeit während wir Alecya zu helfen versucht haben, bist du derjenige gewesen, der stark geblieben ist obwohl wir dir zutiefst misstraut haben.

Verlier diese Stärke jetzt bitte nicht, weil du unsicher bist.« Ein kalter Luftzug kroch meine Beine hinauf und die Schatten schienen sich zu verdunkeln, doch ich ließ mich nicht beirren. Jetzt, wo ich so sicher sein konnte was Connors Absichten anging, musste ich an unsere verlorene Freundschaft wieder anknüpfen. Ich wollte ihn nicht verlieren.

»Was denkst du, hat er mit uns vor?«, flüsterte Connor. Seine Stimme klang dünn und gebrochen. Ich verstärkte meinen Griff um seine Schulter und sah ihn ernst an. »Ganz egal. Wir sind nicht machtlos. Gemeinsam schaffen wir das, egal was noch vor uns liegt.« Connor blieb stumm, und gemeinsam saßen wir da, halb ernüchtert und vielleicht ein bisschen dankbar für die Ruhe hier drin nach alldem, was die letzte Zeit passiert war.

***

Ein Geräusch von draußen erregte meine Aufmerksamkeit. Es klang wie Autoreifen eines nahenden Fahrzeuges. Mittlerweile musste es Mittag sein, denn die Sonne stand hell und deutlich am Himmel. Schreien brachte nicht viel, wie wir bald feststellten. Entweder waren die Nachbarn taub oder nicht vorhanden. Vielleicht war auch einfach eine magische Barriere um das Anwesen errichtet worden, die unsere Rufe nicht nach außen dringen ließ.

Das Fahrzeug kam ganz in der Nähe zum Stehen und jemand öffnete die Tür zum Vorraum der Garage. Luke, der sich recht still für seine Verhältnisse verhalten hatte - was mich etwas misstrauisch machte - sprang sofort kampfbereit auf. Connor und ich erhoben uns ebenfalls. Quälend langsam trat jemand aus dem Halbdunkel. »Hallo«, sagte Ryan und schenkte uns ein breites Lächeln.

»Lang nicht gesehen.« »Du«, zischte Luke hasserfüllt. Er hatte wohl nicht vergessen, was Ryan im Park damals mit ihm angestellt hatte. Die Demütigung saß noch tief. »Seid ihr bereit für den Transport?«, lächelte der feindliche Drachenwandler und zog eine Karte hervor, die mit wirren Symbolen übersät war. »Wohin soll's denn gehen?«, mischte Connor sich ein. Überrascht blickte ich zu ihm hinüber. Er schien ganz ausgewechselt.

»Werdet ihr bald sehen. Wehrt euch nicht, dann passiert auch nichts.« Mit diesen Worten wedelte er mit der Karte, woraufhin das Gitter erst flackerte und dann verschwand. Meine Beine bewegten sich von selbst auf den Ausgang zu. Er ließ uns nicht gehen. Er kontrollierte uns, und das war nicht angenehm. Mein Kopf befahl meinem Körper, stehen zu bleiben oder wegzulaufen, aber dieser reagierte nicht.

Wehrlos schlurfte ich durch die Tür der Garage hinaus ins Sonnenlicht. Die plötzliche Helligkeit blendete mich, doch ich konnte mir die Hand nicht vor die Augen halten. Vor Frustration und Empörung hätte ich am liebsten geschrien. Wie machte Ryan das nur? Ich war nicht die Einzige. Auch den Jungs ging es nicht anders. Vor dem Auto blieben wir stehen. Hinter uns trat Ryan zur Hintertür.

»Wie schön, dass ihr euch so fügt. Diese Karte ist echt unglaublich.« Er drehte das Ding zwischen den Fingern. Konnte er damit unsere Körper kontrollieren? In Gedanken biss ich mir wütend auf die Zähne. So wehrlos konnte man doch nicht sein! Eine Stimme in meinen Gedanken drängte sich zwischen mein verbissenes Grübeln und bescherte mir beinahe einen Herzinfarkt. »Halte ihn irgendwie hin, Connie! Wir helfen euch.«

Dragons-Dunkle MächteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt