Break your plans - 1/4 -

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"Break your plans tonight
Lay your hand in mine
There's no guarantee we'll make it, make this thing right
Break your plans for me tonight" - The Fray

Ich prüfte nochmal den Halt meiner Füße und meiner linken Hand, bevor ich mich mit der rechten zum nächsten roten Klettergriff streckte, der allerdings erst hinter einem Vorsprung zu erreichen war. Ich balancierte dreieinhalb Meter über dem Boden, der nächste blaue Griff zwar immerhin in erreichbarer Nähe, aber ich hatte mir nunmal die rote Route ausgesucht und war zu stolz um auf den leichteren Weg umzusteigen. Der rote, den ich mir ausgesucht hatte, war der schwerste Kurs und ich hatte ihn erst ein einziges Mal geschafft - vor Wochen. Zum bereits dritten Mal heute war ich erst bei der Hälfte der Strecke angelangt, und mir tat jetzt schon alles weh, obwohl ich noch nicht einmal weit gekommen war.

Ich war das erste mal Bouldern, seit ich mich von Valerie getrennt hatte, und war extra Samstags in die Halle gegangen, weil ich wusste dass sie heute nicht arbeiten würde.
"Was ist, machste schlapp?!" grinste Nils von schräg über mir. Witzig, er hatte ungefähr doppelt so viele Muskeln wie ich, und ich war drei Wochen aus der Übung - wie gesagt: Valerie. Ich gab lediglich ein missmutiges Grummeln von mir während ich mich Zentimeter für Zentimeter weiter nach oben und zur Seite streckte, damit ich um den Vorsprung herum greifen konnte. Nun kam ich zwar mit den Fingerspitzen an den nächsten Griff, fand aber keine gute Möglichkeit, meine restlichen Arme und Beine so zu platzieren, dass ich sinnvoll weiter nach oben kam.

"Ach das ist doch scheiße!" fluchte ich als ich bemerkte, dass ich den Halt verlor, blickte nochmal kurz nach unten und sprang dann ab. "Au, fuck!" Ich landete etwas unsanft, weil ich aus einer ungünstigen Position abgesprungen war um mir mein Kinn nicht am Vorsprung aufzuschlagen. Missmutig rappelte ich mich auf - mir war die Lust vergangen. Ich hätte doch in eine andere Halle gehen sollen. Normalerweise konnte ich beim Klettern den Kopf ausschalten. Nirgendwo sonst, außer vielleicht auf der Bühne, war ich annähernd so konzentriert wie hier - und doch wollten meine Gedanken heute einfach nicht stillstehen.

Nils, der in meinem regulären Tempo gleich nach meinem Sprung den Abstieg ebenfalls angefangen hatte, landete kurz darauf leichtfüßig neben mir. "Nicht in Form?"
"Hör bloß auf..." ich verdrehte die Augen und hörte plötzlich ein vertrautes Lachen von weiter vorne in der Halle. Als hätte ich es gleich geahnt, und mich deshalb nicht sammeln können: Valerie.

Zugegeben, man musste auch erstmal so dämlich sein und sich in seine Klettertrainerin verlieben. Wir hatten uns bei der Einführungsstunde vor längerer Zeit kennengelernt, sie hatte mir einiges gezeigt, und nachdem ich die Stunden nicht mehr zwingend benötigte und alleine klettern durfte, hatte sie sich trotzdem häufig zu mir gesellt. Wir verstanden uns gut, trafen uns auch irgendwann privat, und so wurde eben mehr daraus. Es war auch wirklich schön, und ich hatte mir scheinbar berechtigte Hoffnungen gemacht, dass etwas wirklich ernsteres daraus werden konnte. - Das einzige was ich zu dämlich war zu sehen, war dass sie jeden Tag mehrere Einführungsstunden gab, und ungefähr jeden zweiten Typen datete, den sie dabei traf. Dass sie einen von denen ausgerechnet auf unser Konzert mitbrachte hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Oh, aber ich dachte wir wären Freunde, bla bla bla.

Ohne mich umdrehen zu müssen hörte ich, dass die näher kam. Ich konnte beinahe das Gespräch mithören, riss mich dann aber los.
"Sorry Mann, aber ich bin raus!" Sagte ich zu Nils, bevor ich die Flucht ergriff.
Als er mir ein paar Minuten später in die Kabine folgte, war ich bereits umgezogen. "Hättest doch noch bleiben können" winkte ich ab.
"Nee, du brauchst dringend Ablenkung!" Er klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter, "Lass uns was trinken gehen. Ringe? Zülpicher?"
"Ich weiß nicht..."
"Komm schon! Dieses Liebeskummerdrama kann man sich ja nicht länger angucken." Er grinste mich wissend an, "Oder muss ich mich doch daran gewöhnen?"

Flos bester Kumpel Rob hatte mal gesagt, man könne nicht mit mir feiern gehen, weil ich mich an einem Abend in der Disco in drei Frauen verliebte und mir dann am Ende doch die falsche aussuchte. Es stimmte zwar so nicht, war mir aber trotzdem unangenehm. "Hat Flo dir das gesagt? Ich bring ihn um!" Ich fuhr nochmal mit meinem Handtuch durch meine Haare und vergrub dann meinen Kopf darin.
"Nee du, das hab ich schon selber gemerkt", stichelte Nils mit einem Lachen. "Also was ist, jetzt, Party?"

Break your plansWhere stories live. Discover now