Break your plans - 4/4 -

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Ich wachte auf ohne zu wissen, wie oder wann ich nach Hause gekommen war - und ich hatte den Kater meines Lebens! Ich versuchte die Augen zu öffnen, hatte aber so unfassbare Kopfschmerzen, dass ich meine Augen nicht einmal in geschlossenem Zustand bewegen konnte. Und dann dieses beschissene Geräusch. Ding. Ding. Ding. "Maaaaaaaaaaaaannn" sagte ich in die Stille. Ding. Ding. Ding. Oh. Handy. Oooh! Natürlich. Mit möglichst wenig Bewegungsaufwand fischte ich nach der Ursache der Störung und nahm halbblind ab. "Waas?" Oh wow, meine Stimme klang genauso gequält wie ich mich fühlte.
"Alter, du lebst!!" Warum zur Hölle musste Flo mich so anschreien!?
"AU!! NEIN, tu ich nicht!" krächzte ich, "Leise? ...Bitte?" - Lachen am anderen Ende.
"AUAA! MANN!" Ich hielt das Handy von meinem Ohr weg.
"Wie legendär bist du bitte gestern abgestürzt?" hörte ich dann von weitem. Endlich eine Lautstärke, mit der ich arbeiten konnte. Und das war eine verdammt gute Frage, dachte ich im esten Moment. Aber keine Sekunde später fiel mir alles wieder ein: Kletterhalle. Valerie. Vorglühen. Privatparty.
Und dann schon wieder ein Klingeln. Diese Melodie! Konnte mein Scheißhandy nicht einfach aufhören zu klingeln? Und wer hatte mir diesen Klingelton eingestellt? "Oh Mann warum legst du denn auf! Warum rufst du denn an?!" Ich redete mehr mit mir selbst, und Flo am anderen Ende war kurz vor einem Lachanfall. "Bist du alleine zu Hause?", fragte er lachend. Flo hatte ein unfassbares Talent dazu, sich halbtot zu lachen, aber trotzdem noch genügend Fassung aufzubringen, um Fragen zu stellen - Nur wusste ich gerade nicht, was er von mir wollte.
"Hä?!"
"Okay. Hast du schonmal überlegt ob es nicht dein Handy ist, das klingelt? Ich meine du telefonierst ja grad mit mir, da klingelts normal nicht?!" -- Oh scheiße. Jetzt klingelte es allerdings bei mir! Wilma. Es war Wilmas Handy!!
"Oh mein Gott, der Absturz war nicht legendär genug..." Brach ich hervor, noch als Antwort auf seine Frage vor ein paar Minuten. "Ooh ich bin so ein Vollidiot. Oh scheißescheißescheiße ich muss auflegen. Flo ... scheiße, ich warne dich, frag nicht, aber hast du Wilmas Adresse?"
Erneut schallendes Gelächter. "Ist nicht dein Ernst, oder?"
"Bitte sag, dass du sie hast, ich will Basti nicht fragen!"
Flo musste die aufbrodelnde Panik bemerkt haben und war plötzlich ganz ruhig. "Ich schau nach und schick sie dir." Er legte auf ohne eine weitere Frage zu stellen, und für einen Moment war ich dankbar, dass wir uns schon so lange kannten und er mich einfach nicht hinterfragte.

Um mich abzulenken, während ich auf seine Rückmeldung wartete, quälte ich mich aus dem Bett ins Bad. Ich zog mich aus (was zur Hölle hatte ich überhaupt an?) und stellte mich unter die Dusche. Natürlich ohne zu warten, dass sie warm wurde. Ich fluchte, zwang mich aber stehen zu bleiben. Ich mochte den Kater meines Lebens haben, aber für einen kompletten Filmriss hatte es nicht gereicht. Mit dem wärmer werdenden Wasser setzte sich auch das Puzzle von gestern Abend zusammen, und ich beruhigte mich langsam. Fest stand: ich musste sie wieder sehen. Gut, ich hatte ihr Handy, aber das hätte ich ihr ja auch irgendwie anders zukommen lassen können. Aber ich musste sie sehen - und vor allem hatte ich etwas zu klären.

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Ich stand einige Zeit später vor ihrer Haustür und wartete, dass sie öffnete. Ich war eigentlich völlig entspannt- mal abgesehen davon, dass meine Kopfschmerzen mich wahnsinnig machten, aber die hatte ich ja ach verdient. Die Nervosität überkam mich, als sie die Tür öffnete. Sie sah ungefähr so aus, wie ich mich fühlte: nach einer viel zu kurzen Nacht und viel zu viel Alkohol. Es ist interessant, wie viel einem an sich selbst auffällt, wenn jemand anderes einen genau ansieht - mir fiel zum Beispiel auf, dass ich zwar unter der Dusche gestanden, mir aber anschließend die Haare nicht geföhnt hatte, sodass sie ganz wellig waren und abstanden, was ich ganz furchtbar fand. Ich fuhr mir durch die Haare, nicht sicher ob das irgendwas an meinem Bad Hair Day retten, oder es noch schlimmer machen würde. Sie sah so hübsch aus, wenn auch echt fertig.

"Hey, du bist Wilma, oder?" - Grandioser Gesprächseinstieg. Warum genau war ich jetzt bitte nochmal aufgeregt? Sie musterte mich. "Ich weiß nicht, ob du noch weißt..."

"Jaja, komm rein." Entgegnete sie nun, und sah mich immer noch an. Sollte ich sie zur Begrüßung umarmen? Ihr die Hand geben? Warum verunsicherte sie mich? Und warum zur Hölle merkte man es mir an? - "Ich wollte dir eigentlich dein Handy zurück geben." - Endlich ein vorsichtiges Lächeln, und sie antwortete, "Oh, Dankeschön... Möchtest du was trinken?" Ich nickte und folgte ihr in die Wohnung.

Plötzlich war der Moment gebrochen. Sie machte einen Witz darüber, dass ich so zerstört aussah wie sie, und ich war dankbar, dass sie die jenige war, die es aussprach. Nachdem sie uns Getränke und Kopfschmerztabletten geholt hatte, fingen wir an zu reden - über alles, was uns einfiel, über Gott und die Welt. Es war so angenehm, dass endlich diese Spannung zwischen uns abfiel, und wir einfach reden konnten, ohne konstant elektrisiert zu sein, ohne diese Party ohne den Alkohol. Und doch waren wir so sehr auf einer Wellenlänge, dass es mir schwer viel, das alles hier mit Abstand zu betrachten.

"Was war da eigentlich, gestern ... haben wir?" Fragte sie irgendwann unvermittelt. Ich hatte mir vorgenommen, die Sache aufzuklären, sobald es zur Sprache kam. Trotzdem überraschte sie mich mit ihrer Frage, sodass ich einfach nur vehement nickte. Ich konnte nicht anders. "Jap." - Warum war ich so ein Idiot? Sie schloss die Augen. "Oh Gott..."

Ich spürte, dass ihr die Situation unangenehm war, aber dass sie sich wohl fühlte. Als hätte sie beschlossen, es mit Humor zu nehmen, und dass ihr nichts peinlich sein musste. Ich ärgerte sie ein wenig, versuchte aber durchklingen zu lassen, dass ich vielleicht ein wenig übertrieb, nur reagierte sie gar nicht auf meine Ironie. Wie konnte es sein, dass sie wirklich nichts mehr wusste? Sie war mir gar nicht so betrunken vorgekommen - Genau genommen war sie diejenige gewesen, die von Anfang an die Initiative ergriffen und mich letztlich quasi verführt hatte. Aber bis auf die Tatsache, dass sie sich nicht mehr erinnerte - sie schien es eher zu bereuen, dass sie es nicht mehr genau wusste - schien sie rein gar nichts dagegen einzuwenden zu haben, dass wir uns so nahe gewesen waren.

Schneller, als ich nach unserem so normalen Gespräch damit gerechnet hatte, lag sie plötzlich doch wieder in meinen Armen. Ganz anders als gestern Abend, ein wenig zurückhaltend, beinahe verlegen, küssten wir uns. Es war nicht wesentlich weniger elektrisierend - Nur viel, viel schöner.

Ich schloss die Augen und lehnte meine Stirn gegen ihre. "Wilma, ich muss dir was sagen."
"Hmm" machte sie zwischen zwei Küssen. "Jetzt?"
"Ja..."
Sie küsste mich weiter, und ich fing an zu lachen. "Bitte, warte. Nochmal wegen gestern auf der Party..." Sie unterbrach den Kuss sofort und sah mich erschrocken an.

"Ist nichts schlimmes!" Sagte ich gleich, aber sie sah trotzdem beunruhigt aus. Ich küsste ihre Stirn um sie zu beruhigen, aber sie rückte ein Stück von mir weg. "Was war auf der Party!?"

"Ich hab eben ein wenig geflunkert. Da lief nichts", redete ich schnell weiter. "Also, naja, nichts ist auch wieder falsch. Wir haben rumgeknutscht, und... ja, da lief so einiges... also... das ging auch echt weit. Richtig weit. Aber ... wir waren beide so betrunken, oh Mann", ich musste etwas hiflos lachen, "aber ich mach sowas nicht."

Sie sah mich immernoch wie versteinert an. "Meine Hose... mein Handy?" flüsterte sie fast tonlos, "Wenn wir uns nur geküsst haben, warum hatte ich nichts an?"

"Wir wollten beide mehr." Ich überlegte einen Augenblick, wie ich es formulieren sollte. Warum gab es keine Worte dafür, die nicht unanständig und platt klangen?! "Ich meine... Wir haben auch Hände ... Und wir haben uns geküsst und... ausgezogen, und... aber... Wir haben nicht miteinander geschlafen. Nicht so. ... Nicht richtig. Ich... ich hatte auch nix dabei, und ich kann ja nicht wissen ob ... ob du anders verhütest und deshalb hab ich dann irgendwann aufgehört und uns gestoppt. Ich glaub du warst 'n bisschen sauer. Also... Nicht weil ich nicht mehr wollte, aber ich glaube es war ein wirklich saublöder Moment aufzuhören. Aber das geht so einfach nicht!" Ich bemerkte selbst, dass ich immer leiser und hektischer geworden war und mich regelrecht verteidigte. Erst jetzt verstand ich, wovor ich Angst hatte: dass sie mir nicht glaubte. Dass sie dachte, ich würde mich besser darstellen wollen, oder sie als die böse, betrunkene Verführerin, die man in ihre Schranken weisen musste. Dabei wollte ich ihr eigentlich nur versichern, dass sie nichts getan hatte, was sie vielleicht bereuen würde. Dass wir, trotz allem, verantwortungsbewusst gewesen waren.

Eine scheinbar endlos lange Zeit sah sie mich nachdenklich an. Ich war nicht sicher, ob sie versuchte, den Abend zu rekonstruieren, oder ob sie nach einer Lüge suchte, aber ich versuchte, ihren Blick zu halten. Irgendwann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
"Scheiße", flüsterte sie ein wenig ungläubig, und ihr Lächeln wurde zu einem Strahlen. "Ein verdammter Gentleman bist du auch noch!"

Break your plansWhere stories live. Discover now