Tag 1

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Sein Tag begann wie jeder andere zuvor, doch Kriminalkommissar Johannes Wheinhart ahnte noch nicht, dass dieser Tag der Anfang eines seiner schwierigsten Fälle sein würde. Gerade als er sich zum frühstücken setzen wollte, das seine Frau Evelin für ihn vorbereitet hatte, klingelte das Telefon. Er rief zu seiner Frau: „Evo, kannst du mal rangehen?" Johannes dachte sich, dass „Evo" eigentlich ein ein komischer Spitzname für Evelin ist. Doch sie wurde schon als Jugendliche von ihren Freundinnen so genannt und er hatte damals diesen Spitznamen einfach übernommen. Die Stimme seiner Frau holte ihn wieder aus seinen Gedanken: „Deine Chefin, die Sarah ist dran." Wheinharts Vorgesetzte und seine Frau duzten sich, weil sie alte Jugendfreunde waren. „Schon komisch wenn eine der besten Freundinnen deiner Frau deine Chefin ist.", dachte sich der Kommissar mal wieder in Gedanken versunken. „Kommst du jetzt endlich?", rief seine Frau erneut, nun aber mit einem ungeduldigen Unterton in der Stimme. Daraufhin stand Johannes ächzend auf und lief in den Flur zum Telefon, während er mit der Hand durch seine blonden Haare fuhr, die einen deutlich sichtbaren Rotstich hatten.

Fünf Minuten später saß der Kommissar in seinem Auto auf dem Weg zur Arbeit, allerdings nicht ins Präsidium nach Augsburg, sondern nach Schwabbrunn, eine 1500 Seelen Gemeinde eine halbe Stunde vom Präsidium entfernt. Den Grund hatte er kurz zuvor von seiner Chefin, der Kriminalhauptkommissarin Frau Bonhoeffer, am Telefon erfahren: Ein Leichenfund auf dem Schwabbrunner Friedhof. Der Schilderung nach ein Mord. Ein Mord auf einem Friedhof! Das muss man sich erst mal vorstellen! Als Johannes in Schwabbrunn ankam, sah er schon von Weitem die Blaulichter und das rot-weiße Absperrflatterband mit der Aufschrift Polizei. Beim Aussteigen wurde er schon eilig von seiner Vorgesetzten begrüßt, deren brustlangen dunkelblonden Haare in dem leichten Herbstwind wehten:

„Ah, Herr Wheinhart, da sind sie ja endlich. Wir haben schon lange auf Sie gewartet." „Es tut mir Leid Frau Bonhoeffer, aber ich bin so schnell wie möglich gekommen."

Seine Chefin führte ihn auf den Friedhof, auf dem schon allerlei Leute in den weißen Anzügen der Spurensicherung herumliefen. Das hektische Gewusel ließ sich nur schwer überblicken. Johannes fragte einen der umherlaufenden Männer, wo denn die Leiche sei, denn Frau Bonhoeffer war schon wieder weg. Sie musste sich um das soeben eingetroffene Fernsehteam kümmern. Der führte ihn zu der kleinen Aussegnungskapelle. Schon bevor der Kommissar die Kapelle betrat, roch er die Leiche. Als er dann endlich hineinging, sah er sie zuerst nicht. Doch dann ging er um den aufgebahrten Sarg herum und erblickte sie. Sie saß zusammengesunken hinter dem Gestell, auf dem der Sarg stand. Ihr Rücken lehnte an der Wand. Auf den ersten Blick sah die Leiche aus, wie ein im Sitzen eingeschlafener Mann, doch dann sah Johannes genauer hin und bemerkte, dass der Hals seltsam verrenkt war und die Nase blutverkrustet. Seine Haare waren hellbraun und im Stehen würde der Tote wohl fast zwei Meter messen, so groß war er. Johannes wäre selbst auf Zehenspitzen noch kleiner als er. Der Kommissar nahm die Hand des Toten und merkte, dass diese eiskalt war. Er war also schon länger tot. Eine ebenfalls eiskalte Hand legte sich ihm plötzlich in den Nacken und der Kommissar bekam einen gewaltigen Schrecken. Einen Mordsschrecken. Dann drehte er sich um und erkannte seinen Freund und Kollegen Daniel May. Dessen schlaksige Gestalt passe perfekt zu der Halbglatze und dem Gesicht, dem man ansah, dass es gern grinste. Prompt verzog sich dieses auch zu einem sehr spöttischem und Daniel sagte mit klagender Stimme:

„Scheiß kalt ist es heute, obwohl wir ja erst Oktober haben."

„Du brauchst das trotzdem nicht nochmal machen.", antwortete Johannes erleichtert.

Danach fragte er seinen Kollegen, was denn passiert sei. Der gab ihm darüber Auskunft, dass heute früh der Pfarrer in die Kapelle kam, weil er den Gedenkgottesdienst für den im Sarg aufgebahrten Toten vorbereiten wollte. Zuerst bemerkte dieser nichts, doch als er um den Sarg herumging, sah er den Ermordeten und rief sofort die Polizei, die kurz darauf eintraf.

Mord auf dem FriedhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt